Sky-Troopers. Michael Schenk
zu sorgen.
Barek 17 Grünwasser gehörte, wie es sein Name schon verriet, der siebzehnten Familie an, die in Grünwasser gesiedelt hatte. Inzwischen lebten mehr als dreihundert Familiengruppen in dem Ort, doch der Tradition der Hanari entsprechend galten die ersten fünfzig als Älteste und somit als besonders angesehen. Barek war ein Jungmann, der dicht an der Schwelle zum Brutmann stand und sein Interesse galt daher in der letzten Zeit verstärkt dem weiblichen Geschlecht – vor allem der hübschen Enala 32 Grünwasser, nach seiner Auffassung das wohl schönste Jungweib der ganzen Siedlung. Leider stand er mit dieser Meinung nicht alleine, was auch daran liegen mochte, dass die Auswahl an Jungweibern nicht unbedingt groß war.
Barek stand vor drei Aufgaben, die er gleichzeitig bewältigen musste: Es galt, Enala von seinen Vorzügen zu überzeugen, die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen und das Wohlwollen von Enalas Mutterweib und Vatermann zu erhalten. Vor allem von ihrem Mutterweib, denn dieses stand jedem männlichen Hanari kämpferisch gegenüber, der mehr als einen flüchtigen Blick auf die schöne Enala riskierte. Barek wusste nicht, ob Enala seinem Werben nachgeben würde. Bemerkt hatte sie es sicherlich, aber sie erwies ihm kaum mehr Freundlichkeit als allen anderen Hanari.
Dieser Tag sollte das ändern.
Der Bilderzeiger Fallet war nach Grünwasser gekommen und Enala hatte überraschend zugestimmt, sich von Barek zu der Vorführung begleiten zu lassen. Vielleicht war sie ja einfach nur neugierig auf das, was der berühmte Bildmagier wohl vorführen würde, doch Barek hoffte, dass er zumindest einen Teil ihres Interesses fand. Immerhin, davon war er fest überzeugt, war er ein besonders stattliches Exemplar eines Jungmanns.
Seine Schnauze schimmerte in seidigem Schwarz und war weit davon entfernt, die rosa Furchen des Alters aufzuweisen. Sein Körper war schlank und doch beeindruckend muskulös, und seine Bauchschuppen zeigten prachtvolle und intensive Farben. Der lange und sehr buschige Schwanz war von dichtem rotbraunem Fell besetzt und wies zwei umlaufende weiße Ringe auf. Ringe, wie sie in solcher Reinheit nur selten zu finden waren. Ja, er war unbestreitbar ein sehr attraktiver Hanari, aber er musste in Enalas Gegenwart auf seinen Kehlsack achten. Wenn er im falschen Augenblick die intensive rote Färbung eines Hormonschubes zeigte, dann mochte sich das empfindsame Jungweib bedrängt fühlen. Barek wollte ihr jedoch beweisen, dass ihm mehr an ihrer Gemeinsamkeit lag als rasch sein Legerohr in ihre Bruttasche zu stecken. Er hatte ihre ablehnenden Blicke bemerkt, als Mark 214 Grünwasser mit seinem Kehlsack geprotzt hatte. Nein, dieser Abend sollte der intellektuellen Erbauung und – natürlich mit der gebotenen Behutsamkeit – der vorsichtigen Annäherung dienen.
Barek hatte, wie es üblich war, auf dem Bauch geschlafen, damit sein schöner Schwanz nicht litt. Nun erhob er sich von seinem Bett und reckte sich ausgiebig, kratzte sich die Bauchschuppen und beugte sich dann zur Seite, um die Sandharke aus ihrer Halterung zu nehmen. Nachdenklich betrachtete er sein Bett. Die einfache Holzverschalung und die feinkörnige Sandeinlage waren typisch für die Schlafstätte eines Jungmanns. Vielleicht kam ja bald die Zeit, in der er eine größere beziehen durfte, eine mit Enala an seiner Seite.
Sorgfältig glättete er die feinen Körner für die kommende Nacht. Früher hatten die Hanari in Höhlen gelebt. Barek wusste dies aus dem Geschichtsunterricht der Wissenden. Heute war das anders, aber der Sand diente immer noch der Bequemlichkeit und der Reinigung des Schuppenkleides.
Er blickte auf das runde Fenster. Der Schatten, den der Rahmen auf die dort angebrachten Markierungen warf, verriet ihm die Zeit. Es ging auf den Abend zu. Rasch ging er zu der Waschgelegenheit seines Zimmers, rieb sich den Schweiß mit Sand vom Leib und reinigte Gesicht und Schnauze mit Wasser.
Mit Enala beim Bilderzeiger Fallet …
Er würde ein paar Kupfermünzen benötigen und sollte sich ein wenig herausputzen, aber nicht zu sehr. Der schwarze Federhut würde sich gut machen und dazu die Weste mit den feinen Stickereien. Er hatte jede der Glasperlen selbst angenäht und es konnte nicht schaden, wenn der Traum seiner Nächte bemerkte, dass er handwerkliches Geschick besaß.
Barek kleidete sich an, bürstete sorgfältig über seinen Schwanz und verließ dann sein Zimmer. Er trat auf die Balustrade hinaus, die das Stockwerk umgab. Hier oben gab es drei Räume für ihn und seine beiden Geschwister. Jeder Raum war so angelegt, dass er das Drittel eines Kreises bildete und die Tür auf den Rundgang führte. Jedes Haus hatte drei Ebenen: die untere Gemeinschaftsebene (in der sich die Familiengruppe traf), dann die mittlere (die den Eltern vorbehalten war) und schließlich die des Nachwuchses. Wenn sich Bareks Hoffnungen erfüllten, dann würde er bald ein eigenes Haus beziehen müssen. So geschickt er auch sein mochte, war er doch froh, dass der Bau eines neuen Gebäudes stets von der Gemeinschaft durchgeführt wurde.
Der Jungmann trat an die fein geschnitzte Balustrade. In den großen Städten hatte man sie angeblich durch Schmiedeeisen ersetzt, doch er selbst schätzte das Gefühl der Wärme, das echtes Holz vermittelte. Zudem konnte ein übermütiges Jungwesen an einem solchen Geländer seine Schnitzkunst üben oder seine Meinung verewigen. Davon abgesehen war Eisen teuer und Holz gab es in den umliegenden Wäldern reichlich.
Barek legte die Pfoten auf das Holz und sah sich um, wie er es jedes Mal tat, wenn er hinaus ins Freie trat. Sein Geschichtslehrer – einer der Wissenden von Grünwasser – hatte ihm erklärt, dies sei ein uralter Instinkt. Früher haben sich die Hanari immer nach Feinden umsehen müssen, wenn sie ihren Bau verließen. Seine Brutmutter behauptete, zu ihrer Jungzeit sei es ebenfalls ratsam gewesen, zunächst einen Blick von der oberen Balustrade ums Heim herum zu werfen. Damals gab es oft Überfälle und gelegentlich sogar Kriege. Damals, bevor der große Haldar – mochten die Wolken ihm gewogen sein – den Kämpfen ein Ende setzte und das Volk endlich vereinte. Jetzt war der Rundblick nur eine Gewohnheit, denn kein Feind bedrohte das Leben der Bewohner von Grünwasser.
Das Haus von Familiengruppe 17 lag nahe der Ortsmitte. Der Kern der Siedlung wurde natürlich von den Gebäuden der Gründergruppen gebildet. Alle Häuser ähnelten einander in der Grundform. Sie glichen einem Pilz mit einem kegelförmigen „Stamm“, der sich nach oben verjüngte und von einem weit ausladenden Runddach bedeckt war. Um den Stamm zogen sich die beiden Gänge der oberen Ebenen. Während die Fenster eine kreisrunde Form aufwiesen, waren die Türen in der eines Fünfecks gehalten. Allesamt wirkten massiv und waren mit Schnitzereien versehen. Die Türen der bedeutenden Familiengruppen hatte man sogar mit Kupfer beschlagen. Alle Häuser waren weiß, da sie aus dem Holz des Weißbaums gebaut wurden. Damit hörte die große Ähnlichkeit auf, denn die Familiengruppen schmückten ihr Heim nach individuellem Geschmack und verzierten es mit Anbauten, stützenden Säulen und kleinen Erkern. Die Rahmen der Eingangstüren wurden in verschiedenen Farben angestrichen. Dies erlaubte die zweifelsfreie Identifikation, wer das Haus bewohnte. In Grünwasser kannte man einander, aber in den großen Städten sollte dies anders sein.
Die ersten Häuser waren entlang der Hauptstraße errichtet worden. Dabei folgte die Siedlung dem Lauf des kleinen Baches, der im See seinen Ursprung hatte und weit im Norden in den großen Fluss mündete. Für die Häuser der ersten Familien war dies von Vorteil gewesen, da man so leicht an Wasser herankam. Als Grünwasser größer geworden war, hatte man schließlich Leitungen verlegen und Pumpen aufstellen müssen. Inzwischen schien der Ort, wenigstens für Fremde, jegliche Ordnung verloren zu haben.
Neben der Hauptstraße waren im Verlauf der Jahre viele weitere Wege angelegt worden, um alle Häuser mit dem Gemeinwohl zu verbinden. Die Wege wurden sorgfältig mit bunten Steinen gepflastert – manche so kunstvoll, dass sich am Boden verschlungene Muster oder richtige Bilder formten. Die erforderlichen Hartsteine hatte man aus dem entfernten Steinbruch heranschaffen müssen, damals ein mühseliges Handwerk mit Handkarren oder Gespannen. Nun rollten Dampfwagen über jene Straßen, die die Orte und Städte miteinander verbanden.
Durch die Neubauten hatte Grünwasser eine sehr unregelmäßige Grundform angenommen. Eigentlich konnte man kaum von einem Zentrum sprechen, aber es gab den großen Platz der Gründergruppen. Und dort standen auch jene wichtigen Bauten, die von der sonst üblichen Bauweise abwichen.
Da gab es das Gemeinschaftshaus, in dem Rituale, Verehrungen und gemeinsame Feierlichkeiten abgehalten wurden. Hier tagte der Ältestenrat und entschied über die Geschicke der Siedlung oder sprach