Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg
willst. Dann hält er sich zurück. Das ist kein Problem. Elfenpferde sind wirklich äußerst klug. Und falls ihr Lust dazu habt, könnt ihr zwei auch weiterhin ab und an auf Ariella eure Ausritte unternehmen. Sei nur etwas vorsichtig. So ein treues Pferd wie Gertus neigt schnell zur Eifersucht, wenn es sich vernachlässigt fühlt.«
Anna runzelte die Stirn. Wieder einmal war es ihr nicht gelungen, sich mental abzuschirmen. Aber das war es eigentlich nicht, was sie störte, sondern die Erwähnung des Begriffes Eifersucht.
War es Eifersucht, die sie bei dem Gedanken plagte, dass Viktor bereits vor ihr eine Freundin oder vielleicht sogar mehrere gehabt hatte? Diesmal achtete sie penibel darauf, nichts von ihren Gefühlen preiszugeben. Sie schämte sich dafür.
»Ja, das mach ich«, erwiderte sie knapp und blieb danach still.
***
Estra nahm Annas Stimmungswechsel durchaus wahr, hielt sich aber zurück, hatte er doch von seinen Töchtern Viktoria und Iltrana gelernt, in solchen Situationen auf der Hut zu sein. Iltrana war zwar ein paar Jahre jünger als Anna, allerdings wies selbst sie bereits derartige, aus seiner männlichen Sicht geradezu gefährliche Launen auf, denen er als Vater lieber aus dem Wege ging. Deshalb war er ausgesprochen erleichtert, als die Tür sich öffnete und Isinis eintrat.
Wie jedes Mal, wenn er seine Frau erblickte, hellte sich seine Stimmung auf – auch nach zwanzig Ehejahren. Noch immer war sie wunderschön, schoss es ihm durch den Kopf.
Typisch Elfe – groß und schlank – trug sie ihr hellblondes Haar so lang, dass es ihr in glänzenden Wellen weit hinab über die Schulter fiel. Aus hellgrünen Augen wanderte ihr Blick ruhig von ihrem Ehemann zu Anna und wieder zurück.
Offensichtlich erkannte Isinis die verschiedenen Emotionen im Raum und beschloss, weder auf das begehrliche Mienenspiel ihres Mannes noch auf Annas etwas dunkel wirkenden Gedanken einzugehen.
»Vitus, Viktor und Ketu sind auf dem Rückweg. Sie müssten in zehn Minuten eintreffen. Ihr könntet gemeinsam mit Viktoria den Tisch decken. Susa, Medlin und ich sind mit Kochen beschäftigt. Hamo geht den Stallburschen zur Hand und die Kinder sind noch unterwegs. Also, ihr Tunichtgute, auf, auf!«
»Ich geb dir gleich eins, von wegen Tunichtgute«, gab Estra mit einem breiten Grinsen zurück, erhob sich währenddessen aus seinem Sessel. »Wir haben die Zeit nicht vergeudet, sondern ein ernsthaftes Gespräch geführt, meine Liebe. Doch trotz dieser ungemein herablassenden Bemerkung werde ich dir gerne helfen.«
»Ich natürlich auch. Zeig mir nur, wo alles steht, Isinis, dann kann ich das gern allein machen. Ich bin eine begnadete Tischdeckerin.« Anna lachte. Vielleicht ein wenig zu fröhlich, vielleicht eine Spur zu aufgesetzt, meinte Estra. Er gewahrte ihre Freude, etwas zu tun zu bekommen, außerdem ihre Erleichterung, weil er und Isinis diese Empfindungen – Annas Meinung nach – nicht zu erkennen schienen.
Tatsächlich aber war es Anna selbst, die Estras und Isinis‘ verstohlene, besorgte Blicke hinter ihrem Rücken nicht bemerkte.
Leere
»Also wirklich, Anna. Sag mal, wie alt bist du eigentlich, he?«
Viktoria schaute ungläubig von der Staffelei auf. Dabei wischte sie sich mit der Hand, in der sie einen vor Farbe triefenden Pinsel hielt, über Stirn und Wange und platzierte dort zusätzlich zu dem gelbbraunen Tupfen ein paar leuchtend grüne Streifen.
Anna sagte nichts dazu, wusste sie doch, dass es Viktoria egal war, wenn sie sich beim Malen vollkleckerte. Außerdem hatte sie momentan keinen Kopf für so etwas. Sie wollte mit Viktoria über Viktor reden, obwohl die sie anscheinend gar nicht ernst nahm.
Sofort funkelte Viktoria sie an, während sie ungehalten antwortete: »Ich nehme dich durchaus ernst. Nur, du kannst doch nicht wirklich eifersüchtig auf irgendwelche Verflossenen von ihm sein. Das war doch alles vor deiner Zeit.«
»Aber er hat mir nie etwas davon erzählt«, protestierte Anna. »Warum?«
»Hast du ihn denn danach gefragt?«
Anna senkte die Lider und schenkte ihren schwarzen Chucks einen langen aufmerksamen Blick. »Nein, hab ich nicht«, gab sie schließlich zu, sah wieder auf und ließ Zorn in ihren Augen aufflackern. »Ich bin gar nicht auf so was gekommen.« Haare raufend stapfte sie in Viktorias Zimmer auf und ab. »Ich … Ich dachte … Ich meine … Ach, verflucht, er hätte es mir erzählen müssen!«, brachte sie endlich hervor.
»Hätte er eben nicht, Anna. Und das ist der springende Punkt, meine Liebe. Er hätte es dir eben nicht erzählen müssen. Und er hat es dir nicht erzählt, weil er es ganz einfach nicht für nötig erachtet hat.«
Anna sträubte sich zu spät dagegen, als Viktoria ihr die farbverschmierten Hände samt Pinsel an die Wangen legte und ihr auf diese Weise auch ein paar bunte Kleckse verpasste.
»Oh, entschuldige bitte«, kicherte Viktoria und stellte den Pinsel in ein Glas. Mit einem völlig farbverschmierten Lappen rieb sie in Annas Gesicht herum, was die Sache sicherlich nicht besser machte. »Nun ja, das wischen wir halt später richtig weg.«
Sie ließ von ihr ab und konzentrierte sich erneut auf das Gespräch. »Hör mir zu. Eigentlich ist es die Aufgabe meines Bruders, mit dir zu sprechen, dieser feige Hund. Schließlich kann ja jeder mitfühlen, wie mies du seit ein paar Tagen drauf bist.«
Sie seufzte schwer, ihre Augen blitzten bedrohlich. »Wenn ich den in die Finger kriege, kann der was erleben. Aber nun zurück zum Thema. Tatsächlich war Viktor früher ein bisschen so was wie ein, hhm, Schürzenjäger.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Und ich auch«, gab sie zu und kratzte sich am Kopf, womit sie dort eine weitere Farbspur hinterließ.
Gedankenverloren langte sie nach dem Lappen und rieb damit recht erfolglos ihre Hände ab. »Uns ging es wirklich gut bei Isinis und Estra. Sie hatten uns eine glückliche Kindheit beschert. Dennoch fehlte uns etwas. Wir hatten keine leibliche Mutter. Unseren leiblichen Vater sahen wir kaum. Er gab uns dauernd das Gefühl, nicht von ihm geliebt zu werden.« Sie warf den Lappen beiseite. »Das war zwar unbeabsichtigt, aber wir fühlten nun mal so. Wir vermissten unsere richtigen Eltern so sehr. Das erzeugte irgendwie eine gewisse Leere in uns, die auch Estra und Isinis nicht füllen konnten.«
Viktoria sah Anna offen an. »Ich weiß nicht, ob es daran lag, ich glaube allerdings schon. Ständig versuchten wir, diese innere