Pferdesoldaten 05 - Todesritt. Michael Schenk
die große Koppel der Pferde schien von allem unberührt.
„Alles aufgeben?“, murmelte er.
„Wir werden zurückkehren und alles wieder aufbauen“, versicherte Mary. „Sobald es wieder sicher ist.“
„Liebes, das kann Jahre dauern.“
„Wir haben schon so Vieles geschafft, Jim. Uns wird auch der Neuanfang gelingen.“
Dunhill stützte die Hände auf die Mantelrolle vorne am Sattel. „Wenn Sie ein paar Sachen zusammenpacken… Ein paar unserer Jungs können Ihnen beim Zusammentreiben der Herde helfen. Der Verkauf der Rinder und Pferde wird Ihnen sicher helfen.“
Jim Carter stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. „Na schön. Geben Sie uns zwei Stunden, Major. Wir müssen Bill bestatten, bevor wir packen.“
„Sir, was ist mit den Rebellen?“, erkundigte sich Schmitt.
„Versorgt den Gefangenen. Wir nehmen ihn in die nächste Stadt mit und übergeben ihn dem Sheriff. Vielleicht wird man den Kerl als Banditen hängen, vielleicht lässt man ihn als Patriot des Südens laufen… Ist nicht unsere Sache, Sarge. Captain Whiting, stellen Sie ein paar Männer ab, welche die Toten bestatten und eine Gruppe, welche die Rinder zusammentreibt.“
„Ein paar Jungs aus der I-Company waren Cowboys. Wird denen gefallen, Sir.“
In den darauffolgenden zwei Stunden bestattete man die Toten. Jim Carter las über Bills Grab aus der Bibel und ging dann, als guter Christenmensch, zu den Gräbern der Angreifer hinüber. Ein paar Haushaltsgegenstände und persönliche Dinge wurden auf den Planwagen der Carters geladen, dann setzte sich die Kolonne in Bewegung. Ein dutzend Kavalleristen trieben die Herde mit Hilfe von Carl und Slim hinter der Truppe her.
Einen Tag später erreichte man die nächste Stadt.
Jim und Mary dankten Major Dunhill. „Und wo geht es jetzt hin, Major?“
Der Offizier lächelte freundlich. „Wohin uns unser Befehl führt, Mister Carter.“
Es war Krieg und man erzählte nicht mehr leichtfertig, wohin sich eine Truppe bewegte. Für beide Seiten waren solche Informationen wertvoll.
Dunhill grüßte das Paar und seine Begleiter, dann gab er den Befehl zum Abmarsch.
Die Kolonne durchquerte die Stadt. Einige Blicke waren durchaus freundlich, andere feindselig. Es zeigte auf, wie gespalten die Bewohner in der Frage waren, ob Kentucky in der Union verbleiben sollte.
Mary sah den entschwindenden Soldaten hinterher und hakte sich bei ihrem Mann unter.
„Ich glaube, ein paar der Yankees sind wirklich in Ordnung“, meinte Jim.
Mary sah ihn lächelnd an. „Die meisten sind das, Jim. Bis vor Kurzem waren wir schließlich alle noch Yankees.“
„Das ist vorbei, Mary.“
Jim Carters Stimme klang hart, aber Mary hörte doch, wie ein leises Bedauern in ihr mitschwang.
Kapitel 2 Der Stand der Dinge
Es war der Oktober des Jahres 1861 und es stand nicht gut für die Sache der Union.
Die Armee der Vereinigten Staaten von Nordamerika gab eine Reihe von Forts und Vorposten auf, um ihre Truppen neu zu ordnen und zu verstärken. Dies war der Grund, warum Major Matt Dunhill vier Kompanien der fünften U.S.-Kavallerie durch Kentucky führte. Ziel war das neue Louisville Ordnance Depot an der nördlichen Grenze des Staates. Es war ein anstrengender Ritt, durch ein Land, von dem man nicht wusste, ob es Freund oder Feind war. Die Männer waren froh, als sie endlich durch das Tor der Anlage ritten.
Das Louisville Ordnance Depot gehörte zu einer ganzen Reihe von Einrichtungen, welche die Armee zur Versorgung ihrer Truppen neu anlegte. Man hatte das Depot mit Hilfe des Corps of Engineers, eines Regiments freiwilliger Infanterie und etlicher Helfer aus der nahen Stadt errichtet. Sicher waren Sympathisanten des Südens unter Letzteren, welche die Informationen schnellstmöglich an die Konföderierten übermitteln würden, aber eine neue Anlage ließ sich ohnehin nicht geheim halten.
Das Areal war nicht befestigt. Es gab keine Mauern oder Palisaden, keine Zäune oder Gräben. Vielleicht würde man sie später noch errichten, doch im Augenblick konzentrierte man alle Kräfte darauf, das Depot einsatzfähig zu machen. Im Wesentlichen war dies wohl schon gelungen. Es gab fast zwei Dutzend große Gebäude aus gebrannten Ziegeln, in denen Ausrüstung und Waffen lagerten. Dazu eine gleich große Anzahl von Bauten, die der Verwaltung, der Versorgung und der Unterbringung dienten. Große Koppeln wiesen darauf hin, dass man hier auch eine Remonte einrichten wollte, in der Pferde für die Kavallerie ausgebildet und bereitgestellt wurden.
Louisville Ordnance Depot lag in unmittelbarer Nähe der Bahnlinie und ständig waren Frachtwagen unterwegs, um Waren von den Zügen ins Depot zu transportieren.
Matt Dunhill freute sich ganz besonders, als sie durch das Tor ritten, welches im Grunde nur durch zwei kleine Wachhäuschen angedeutet wurde. Nach etlichen Monaten Dienst würde er hier endlich seine Frau Mary-Anne und seinen Sohn Mark wiedersehen, die extra angereist waren, um ihn hier zu treffen.
Eigentlich hätte beide in der Stadt logieren müssen, doch der Name Dunhill war in der Armee nicht unbekannt. Der Kommandant des Depots, Colonel Miles Pherson, hatte ihnen bereitwillig eine der Offiziersunterkünfte zur Verfügung gestellt.
Es war später Nachmittag, als die Kolonne im Depot eintraf. Matt führte sie auf den großen Platz vor der Kommandantur, ließ die vier Kompanien ausrichten und meldete Pherson. Der dankte und befahl seinem Adjutanten, für die Unterbringung der Pferde und Reiter zu sorgen.
Matt folgte dem Colonel in dessen Büro.
Miles Pherson erinnerte in seinem Äußeren an den Oberbefehlshaber der U.S.-Armee, Winfield Scott. Er war korpulent, eigentlich viel zu Alt für den Dienst und trug einen gepflegten mächtigen Backenbart. Matt schätzte sein Alter auf um die siebzig Jahre, aber geistig war Pherson fraglos auf der Höhe. Die Befehle an seine diversen Adjutanten waren knapp und präzise, und er gehörte zu jenen Männern, denen Organisation und Verwaltung im Blut lagen.
Während sich die Kompanieoffiziere um die Abteilungen kümmerten, bot Pherson Matt einen bequemen Ledersessel an. Ein Infanterist eilte mit einem Tablett herbei, auf dem eine Kanne Kaffe und Tassen aus feinem englischem Porzellan standen.
„Bin froh, dass Sie hier sind, Dunhill“, eröffnete Pherson und ließ sich die Tasse einschenken. „Es gibt ein paar dienstliche Dinge zu besprechen, bevor Sie Ihre Lieben in die Arme schließen können.“ Pherson lächelte. „Habe mir erlaubt, Ihre Familie darüber zu informieren, dass Sie nun eingetroffen sind, Dunhill. Nette Frau, netter Sohn… Sie können sich glücklich schätzen.“
„Danke, Sir, das denke ich auch.“ Natürlich hätte Matt gerne seine Familie begrüßt, aber in der Armee ging alles in einer gewissen Reihenfolge vor sich und der Dienst hatte stets Vorrang.
„Besondere Vorkommnisse, Dunhill?“
„In der Nähe des Cumberland hatten wir beinahe eine Begegnung mit Bushwackers. Keine Gefechtsberührungen, Colonel. Allerdings auch nicht viel Jubel der Bevölkerung.“
Pherson nickte mit nachdenklichem Gesicht. „Bin selbst Kentuckier, Dunhill, und weiß, dass unser Land noch unentschlossen ist, wie es sich in diesem verdammten Krieg positionieren soll. Ich selbst stehe loyal zur Union, nur um das klar zu stellen. Nun, dieser Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden schwelt schon seit Jahrzehnten. Die Tatsache, dass entlaufene Sklaven, oft mit Unterstützung von Sklavereigegnern, in unser schönes Kentucky oder in sklavenfreie Staaten der Union fliehen und dort Schutz genießen, spaltet unsere Bevölkerung. Verdammt, Dunhill, ich habe selbst vier Sklaven. Habe nichts dagegen, wenn man sich ein paar hält, aber habe was gegen die Spaltung der Union. Aber die verdammten Abolitionisten, die Sklavereigegner, schieben einen Keil zischen die Staaten, Major. Erinnern Sie sich nur an das Jahr 1859 und den verdammten John Brown.“
„Ich