INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST
Nachwort
Widmung
INDOCHINA.
Der lange Weg nach Dien Bien Phu.
Thomas Gast
Dieses Buch ist allen Legionären gewidmet, die in Indochina kämpften. ´MORE MAJORUM`
Das Monument ´Rolf Rodel` (Foto Matyas Rehak)
Es sagte
Die Überlebenden von Dien Bien Phu erzählten von der Schlacht, vom Versagen der Führung, von der schrecklichen Überraschung als plötzlich Artilleriefeuer auf ihre unzureichenden Stellungen trommelte. Ein Thai-Bataillon war sofort übergelaufen. Die übrigen farbigen Truppen hatten sich passiv verhalten und Deckung gesucht. Wirklich gekämpft bis zum letzten Erdloch und bis aufs Messer hatten lediglich die französischen Fallschirmjäger, und die Fremdenlegionäre, zu achtzig Prozent Deutsche, seien zum Sterben angetreten wie in einer mythischen Gotenschlacht. (Peter Scholl-Latour.)
Dien Bien Phu wird fälschlicherweise als die ´letzte Schlacht der Waffen-SS` bezeichnet. Grund dafür ist, dass unmittelbar vor, wie auch sofort nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, am 7. Mai 1945, zahlreiche deutsche Soldaten der Legion beitraten. Das galt auch für Mitglieder der Waffen-SS. Sie waren in der Legion aber nicht explizit erwünscht. Der erste Vertrag in der Legion ist immer fünf Jahre, was uns zeitlich gegen Mitte, Ende 1950 führt. Nur die wenigsten verlängerten. Von einer letzten Schlacht der Waffen-SS kann also nicht die Rede sein. Diejenigen aber, die blieben und Indochina auch überlebten, fanden meist auf Lebenszeit in ihr (der Legion) ein Refugium. Sie wurden in die Légion étrangère eingesogen, von ihr aufgenommen, physisch und psychologisch integriert. Dieser ewige, freiwillige, immer abenteuerliche Prozess, dem auch ich in den Jahren zwischen 1985 und 2002 unterlag, hat einen einfachen Grund. Wir sind davon überzeugt, dass die Legion unsere Heimat ist, LEGIO PATRIA NOSTRA. (Der Autor.)
Die Franzosen flohen, die Japaner kapitulierten und der Kaiser Bao Dai entsagte dem Thron. Unser Volk zerschlug die Ketten der Kolonialsklaverei, die sie fast hundert Jahre lang gefesselt hielten und schuf das unabhängige Vietnam. Gleichzeitig stürzte unser Volk die Monarchie, die Jahrtausende bestanden hatte und errichtete eine republikanische demokratische Ordnung. Aus den dargelegten Gründen erklären wir, die Mitglieder der provisorischen Regierung des neuen Vietnams, die das gesamte vietnamesische Volk vertritt, dass wir alle Beziehungen zum imperialistischen Frankreich abbrechen. Wir erklären alle Verträge über Vietnam, die Frankreich unterzeichnet hat, für ungültig und annullieren alle Privilegien, die sich die Franzosen auf unserem Territorium angemaßt haben. (Auszug aus Ho Chi Minh's Deklaration der Unabhängigkeit Vietnams am 02. September, 1945 in Hanoi.)
Das Ende zu Beginn
Indochina. Dien Bien Phu. Nacht vom 06. auf 07. Mai, 1954. Irgendwo zwischen Huguette-2 und dem PC GONO. Leutnant le Cour Grandmaison, Kompanieführer der 7. Kompanie des 2. Bataillon Étranger de Parachutistes ist müde. Und er ist hungrig, kann sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal eine warme Mahlzeit zu sich genommen hat. Mit einigen wenigen Überlebenden soll er einen Gegenangriff auf Eliane-4 wagen. Zwei Kilometer Strecke liegen vor ihm und obwohl sein Auftrag aussichtslos ist, nimmt er ihn sehr ernst. Einen in aller Eile zusammengewürfelten Haufen Soldaten auf den Fersen, darunter viele Fallschirmjägerlegionäre des 2. BEP, springt er von einem Granattrichter und von einer Drecksgrube zur nächsten. Im Legionärsschritt eilt die kleine Gruppe nach Osten. Einmal die Bailey Brücke erreicht und vorbei an den Ratten des Nam-Youm, biegt sie scharf nach Nordosten ab und rennt wie von Sinnen weiter Richtung Eliane-4. Die Männer sind dreckig, unrasiert, viele sind verletzt. Munition ist Mangelware. Sie sind seit 30 Tagen ununterbrochen im Einsatz, einige sogar seit 170 Tagen. In einem Einsatz, in dem außer der Ehre nichts mehr auf dem Spiel steht. Der junge Offizier hebt seinen Blick und bekommt eine Gänsehaut. Der Hügel E-4 liegt eingehüllt in Feuer und Rauch, der Gefechtslärm ist ohrenbetäubend. Es ist eine Vision, die schlimmer anmutet als Dantes Inferno. Ob chef de bataillon Bréchignac vom 1. RCP den point d’appui solange halten kann, bis sie eintreffen? Le Cour Grandmaison glaubt fest daran. Er hastet weiter bis er das vermeintliche Angriffsziel erreicht hat. Bréchignac und Botella (letzterer ist der Kommandant der Bawouans) empfangen ihn wie einen Waffenbruder, fragen sich jedoch verwundert, mit welcher Armee er denn angerückt sei, sie vor den unablässigen Angriffen des Vietminh zu schützen. Le Cour Grandmaison sieht hinter sich. In der Tat: von den zwanzig Männern mit denen er den Angriff begonnen hat, sind nur noch der Funker Creis, ein Legionär und ein freiwilliger Vietnamese übrig. Alle anderen liegen auf der Strecke zwischen Huguette-2 und E4. Sie sind tot, zerfetzt von Giaps Artillerie. Als der Morgen graut, befindet Eliane-4 sich noch in französischer Hand. Punkt zehn Uhr an diesem denkwürdigen 07. Mai aber bebt die Erde. Die Luft ist plötzlich erfüllt mit donnernden, pfeifenden Geräuschen, wie sie die Verteidiger noch nie gehört haben. In Stalingrad, ja. Aber nicht hier in Dien Bien Phu. Zum ersten Mal seit dem Beginn der Bataille bringt Giap Stalinorgeln (Katjuscha) zum Einsatz. Kurz darauf verstummt Eliane-4. Kein Lebenszeichen erreicht den Hauptgefechtsstand GONO mehr. Doch nicht nur Eliane-4, sondern die ganze Schlacht ist verloren. Le Cour Grandmaison und seine Männer, sowenig es auch waren und was auch immer sie angetrieben hat, haben in Dien Bien Phu den letzten Gegenangriff der Franzosen geführt. Bezeichnenderweise waren fast nur Legionäre daran beteiligt.
Letzte Seite des Originals des JMO (Journal des marches et des opérations – Frontbericht) des Leutnant de Biré (2. BEP – 5. Kompanie), verfasst am 07. Mai, 1954, in Dien Bien Phu.
Leutnant de Biré, einer der Kompanieführer des 2. BEP, setzt diesen Angriff auf die allerletzte Zeile seines Frontberichts. Schwerverletzt geht er mit den spärlichen Resten seines Bataillons in die Gefangenschaft des Vietminh. Er und seine Männer ergeben sich dem Feind nicht. Auf Befehl stellen sie einfach den Kampf ein. Weiße Flaggen? Nein! Die Zeit des Kämpfens war einfach vorbei.
Vorwort
Im Jahr 1946 entbrannte in Französisch-Indochina ein mörderischer Konflikt. Wie ein Fluch fegte er über das Land. ´La guerre d’Indochine` führte das ´Französische Expeditionskorps im Fernen Osten` gegen die Guerilla des Vietminh. In den satten Reisfeldern Kambodschas, in den Sumpfgebieten Cochinchinas, in den schroffen, von Kalksteinfelsen durchzogenen Gebirgen der Regionen Tonkin und Annam sowie in den unübersichtlichen atemberaubend schönen Tälern von Laos hinterließen die Kämpfe verbrannte Erde, Kummer und Leid. Beendet wurde der Feldzug erst am 07. Mai 1954. In der vom Vietminh belagerten Urwaldfestung Dien Bien Phu erlitten die Franzosen eine vernichtende Niederlage. Das vorliegende Manuskript erzählt den Gefechtsverlauf dieser ´Mutter aller Schlachten` indem es den langen Weg, von der Entstehungsgeschichte bis zur totalen Vernichtung einer Einheit der Fallschirmjäger der Fremdenlegion nachvollzieht.