INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST

INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu - Thomas GAST


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EINS. Indochina, Vietnam. März 1945 – November 1953

      In der Abenddämmerung des 9. März 1945 fielen die Japaner über alle Garnisonen der Franzosen in Französisch Indochina her. Sie verschonten weder Saigon, noch Dong-Dang, Hanoi, Ha-Giang oder Lang-Son. Mancherorts verübten sie die abscheulichsten Massaker. Enthauptungen mit blanken Säbeln und einfachen Äxten waren an der Tagesordnung. Französische Soldaten und ihre Verbündeten wurden nackt ausgezogen und wie Tiere mit dem Knüppel erschlagen, ihre Frauen vergewaltigt. Die amerikanischen Truppen, stationiert in Yunnan (China), nur etwa eine Flugstunde von Hanoi entfernt, erhielten den strikten Befehl, die französischen Kräfte nicht zu unterstützen, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Ho Chi Minh, übersetzt ´Der das Licht gibt`, erklärt die Unabhängigkeit Vietnams. Die Kolonialmacht Frankreich, noch gedemütigt vom Prestigeverlust den die Besetzung durch die deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg mit sich gebracht hatte, sowie von wirtschaftlicher Instabilität fürchterlich gezeichnet, konnte und wollte dies nicht hinnehmen. Auf Biegen und Brechen musste die französische Hoheit wiederhergestellt werden. Dies zu tun, entsandte die Vierte Republik ein gewaltiges Expeditionskorps, das CEFEO.

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      Die Speerspitze dieses Korps bildeten Soldaten der Légion étrangère, der französischen Fremdenlegion. Die Idee, eine Fallschirmjägertruppe aufzustellen hat ihre Wurzeln in Tsao Pa, einem Ort in der chinesischen Provinz Yunnan. Bis dorthin hatten sich die Legionäre des 5. REI nach der Invasion der Japaner durchgeschlagen. In nur 93 Tagen legten sie 1500 km zu Fuß zurück. Die Odyssee der Kolonne Alessandri war ein aufreibendes, gewaltiges Rückzugsgefecht, geprägt von beschwerlichen Märschen im dichten, undurchdringlichen Dschungel Indochinas. Dieser Gewaltakt bot den Generälen Stoff genug zum Nachdenken. Das 5. REI war ein robustes Regiment aber keine Sturmtruppe im herkömmlichen Sinn. Gerade eine solche aber benötigte man nun dringend. Anfang des Jahres 1948 beschlossen Frankreichs Stabschefs die Gründung einer Luftlandetruppe innerhalb der Regimenter der Fremdenlegion im Extrem Orient. Vor Ort befanden sich das 3. REI, die 13. DBLE und das 2. REI. Sie sollten die Männer für die neue Einheit stellen.

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       Fahne einer Kompanie des 2. REI in Indochina, gefunden in Dien Bien Phu unmittelbar nach der Schlacht.

      Das Resultat? Die Fallschirmjägerkompanie des 3. REI sah am 01. April 1948 in Hanoi (Tonkin) das Licht. Diese reine Legionseinheit um ihre charismatischen Führer, den Leutnants Morin (Kompaniechef), Arnaud de Foïard, Audoye und Camus (Zugführer), hat es in sich. In der Tat sind es nur Freiwillige. Den US-T5 Fallschirm auf dem Rücken, findet der erste Sprung der ´Compagnie-para` am 16. April 1948 in der Nähe des ´Canal des Rapides` statt. Auch die ersten Einsätze folgen schnell: beinharte Gefechte in der Region Son-Tay, ganz besonders in Tong, wo der nur 23-jährige Morin verletzt wird; offensive Aufklärung auf der Blutstraße RC-4 im Sektor That Khé - Cao Bang im Mai 1948; Sturm auf die von den Truppen Chiang Kai Scheks verteidigte Bastion Ta-Lung im Juli 1948; Verteidigung des Außenpostens Ban-Cao an der Seite des berüchtigten capitaine Mattei (siehe Frankreichs Fremde Söhne) im September 1948, um nur die wichtigsten zu nennen. Die ´Compagnie-para` ist an allen wichtigen Einsätzen beteiligt. Bald schon genügt eine Kompanie nicht mehr, man will, braucht und befiehlt zwei Bataillone und so wird die Aufstellung der famosen Bataillons Étrangers de Parachutistes beschlossen. Infolge dieser Überlegungen wird die ´Compagnie-para` der Legion des 3. REI am 21. Mai 1949 aufgelöst, die Männer komplett ins erste und später mit Teilen ins zweite Fallschirmjägerbataillon der Fremdenlegion eingereiht. In der gesamten Geschichte der Fremdenlegion waren nie Einheiten aus so grundverschiedenen Menschen zusammengesetzt wie das 1. und das 2. BEP. Draufgänger und Kämpfer aus aller Herrenländer strömten herbei. Von unterschiedlicher Herkunft und Nationalität, gehörten diese Abenteurer zu der Sorte Männer, die dem Teufel beim Essen in die Suppe spuckten nur um ihn dann zum Tanz zu fordern. Da waren Pastoren zu denen Gott nicht mehr sprach. Ehemalige Elitesoldaten der Waffen SS. Verzogene Söhne reicher Wirtschaftsbosse. Maurische Söldner aus dem spanischen Bürgerkrieg und junge Studenten, die außer den kahlen Wänden ihrer Lehrsäle nichts von der Welt kannten, die aber von einem irren Heißhunger auf exotische Abenteuer beseelt waren. Ein neuer Verband, eine wirkungsvolle ´Waffe` wurde in diesen Jahren geboren: Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion!

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       Abzeichen des 2. BEP

      Der Tambour - Honneur et Fidélité

      Russland unweit von Stalingrad. Todeslager Beketowka, Anfang 1947. Joachim Wegener fror. Wie all seine Kameraden aß er Gras um zu überleben. Vor dem Fleckfieber, dem die Gefangenen zu Tausenden erlagen, schützte das kaum. Doch er war am Leben, konnte sich glücklich schätzen. Tausend andere hatten dieses Glück nicht. Sie waren bereits bei den brutalen Märschen durch die vereiste Steppe gestorben. Kein deutscher Soldat kommt hier jemals wieder weg. Beketowka wird euer Grab sein. Er dachte an das Versprechen des Kommandanten des Lagers. Es waren gleichzeitig die ersten Worte, die er zu hören bekommen hatte, bevor sich die Tore hinter ihm wieder schlossen. Nun starrte er an die Decke, die kaum fünfzig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Um ihn herum war es dunkel, eiskalt und trostlos. Sein Atem ging schwer. Er schloss die Augen, verfluchte sich innerlich. Ihr Fluchtversuch war gescheitert. Sie hatten Kamerad Hellwig und ihn zu einem Zeitpunkt erwischt, an dem sie sich längst schon in Sicherheit wiegten. Daraufhin folgte die übliche Prozedur. Sie wurden beleidigt, geschlagen und bespuckt und dann, als ob dies nicht genug wäre, auch noch ausgelacht. Doch dieses Mal war es anders. Hellwig, der bereits zum zweiten Mal bei einem Fluchtversuch erwischt wurde, hatte einen der Verfolger getötet. Man stand generell gut mit dem russischen Wachpersonal, besser zumindest als damals unmittelbar nach der Kapitulation vor Stalingrad. Doch für nicht korrigierbare Flüchtlinge und Mörder konnte es nur eine Strafe geben. Unweit des Erdlochs, in das man Wegener zur Strafe gesteckt hatte, fiel ein Schuss. Ein leises Wimmern folgte. Ein zweiter Schuss bereitete dem Jammern ein Ende.

       Beketowka wird euer Grab sein!

      Wegener hätte verzweifelt sein müssen, doch er verzog das Gesicht zu einem bitteren Grinsen. Er war jung, dachte nicht im Traum daran, sich von solchen Parolen von seiner Grundidee zu entfernen: dem absoluten Willen, frei zu sein! Sollte er in Russland sterben, dann bei einem weiteren Fluchtversuch. Doch ans Sterben dachte Joachim Wegener noch lange nicht. Darüber hingegen, wohin seine Flucht ihn führen sollte, falls sie ihm, woran er keine Sekunde zweifelte, eines Tages gelang, hatte er noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. Ihn fröstelte es bei der Idee, nach Deutschland zurückzukehren. In ein Deutschland, das ihn belogen und das seine totale Entmachtung durch einen Verrückten zugelassen hatte. Zurück in ein Land, in dem Begriffe wie Treue und Pflichterfüllung nur in den Zeiten Sinn machten, in denen es den Verantwortlichen gut ging. Wieder schloss er die Augen während Hunger und Durst in seinen Eingeweiden wühlten und die Kälte ihm mit ihren eisigen Fingern langsam den Verstand raubte.

       Treue und Pflichterfüllung.

      Seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit. Sie verweilten bei einem alten bärtigen nach Schnaps und Tabak stinkenden Mann, dem er einst im Hafen von Marseille begegnete. So geschehen im Jahr 1935. Seine Eltern machten mit der Familie Urlaub in der Provinz, der Abstecher in den Hafen war seit langem geplant. Joachim Wegener, damals knapp dreizehn Jahre alt, gab sich höchst interessiert über Land und Leute. Als er den Mann sah, richtete er voller Neugier seinen Blick auf den Tambour, den dieser behutsam in den Händen hielt. So behutsam, als wäre er zerbrechlich. Der Fremde grinste ihn an.

      »Kannst wohl kein Französisch, hm?«

      »Doch, oui, bien sure«, entgegnete Joachim und trat von einem Bein aufs andere. Er hatte Französischunterricht, war darin der Beste seiner Klasse. Dem alten Soldaten - denn es war ein alter Soldat, das sah man an seinen Narben im Gesicht und an den verschlissenen Uniformteilen die er versteckt, doch nicht versteckt genug trug, entging Joachims


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