Berkamp - Ein langer schwarzer Schatten. Günter Billy Hollenbach

Berkamp - Ein langer schwarzer Schatten - Günter Billy Hollenbach


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mit dem Anspruch von Sachkunde in der Stimme.

      „Gekränkte Frauen können sehr nachtragend sein.“

      „Nöh, da bin ich unbesorgt. Frau Sandner und ich sind gut miteinander. Ihre Tochter wohnt weiter bei mir. Was die Mutter nicht daran hindert, fachlich einwandfrei zu arbeiten und kratzbürstig zu werden, wenn ihr der Sinn danach steht. Bin ich gewohnt.“

      Die Aschauer wiegt den Kopf ein wenig hin und her, fragt zögernd:

      „Beachtlich, die Tochter insgeheim gegen die Mutter? Damit kommen Sie klar? Ich meine, alle Beteiligten. Entschuldigen Sie, geht mich nichts an; aber diese unübersichtlichen Beziehungen heutzutage. Für mich wäre das nichts.“

      Ihre Beziehung dagegen, amtlich geregelt und mustergültig einfach? Mir ist, als höre ich ihre Gedanken.

      Frau Aschauer senkt den Blick. Ihr scheint die Sprache im Hals stecken zu bleiben. Nach heftigem Schlucken sieht sie mich wieder an.

      „Sagen Sie, wäre es unangemessen, ... fänden Sie es unverschämt, wenn ich Sie bitte, sich weiter, ... ich meine, nicht bloß heute, um mich ... und Petra zu kümmern. Verstehen Sie, nur weil sie der Vater meiner Freundin sind, sind Sie nicht verpflichtet ...“

      „Ist gekauft, Frau Aschauer. Ich muss zugeben, ... was ich im Keller gesehen habe ... ist für mich eine fremde Welt. Aber Petra zuliebe ... ich schätze, damit komme ich klar. Wer weiß, was ich auch auf dem Gebiet dazulerne.“

      Ich versuche ein vertrauensförderndes Lächeln. Das sich verflüchtigt, als ich spüre, wie ich erneut erröte.

      Die Fingerspitzen von Frau Aschauers linker Hand tippen auf meinen Handrücken neben der Teetasse.

      „Danke, ehrlich. Na denn, lernen Sie; auch auf dem Gebiet. Und keine Angst; wie ich bereits sagte, es besteht noch Hoffnung. Normalerweise bin ich nicht so schwer erträglich wie heute.“

      Mit einem knappen, spöttischen Lächeln ergänzt sie:

      „Sondern noch viel schlimmer.“

      „Sehr ermutigend. Also, zur Geschäftsordnung: Um es zu wiederholen; sollten Sie mich absichtlich täuschen oder belügen, handeln Sie sich Ärger mit mir ein. Wenn Sie das beherzigen, bin ich zu beinahe jeder Schandtat bereit.“

      Sie nickt erleichtert, lächelt flüchtig gen Himmel.

      „Warten Sie es ab, mein Lieber, ich bin so gnadenlos offen und ehrlich, das wird Sie noch ziemlich in Verlegenheit bringen. Ich bevorzuge anschauliche Erklärungen und praktische Erfahrungen.“

      „Okay, Ihre Warnung ist angekommen. Heben Sie sich das für später auf. Jetzt zählt, dass bei der Polizei kein falscher Eindruck entsteht.“

      „Sie meinen, als ob wir gemeinsame Sache ...?“

      „Nein, dass ich Sie decke, falls Sie eine Straftat begangen haben.“

      *

      Den Stimmen im Flur nach sind Oberkommissar Brückner und Vera Conrad nach oben gekommen. Doch statt zu uns in die Küche gehen sie durch die anderen Zimmer und anschließend in das Arbeitszimmer vorn links neben dem Eingang.

      „Kommen Sie, Frau Aschauer. Halten Sie sich zurück. Wenn die Beamten Petras Sachen durchstöbern, das ist zwar unschön, aber Sie verkraften das. Die Polizei hat das so an sich bei diesen Anlässen.“

      „Sie meinen, ich muss mir alles gefallen lassen?“

      Sie legt beide Arme um ihren Oberkörper, schaut mich unglücklich an.

      „Ganz sicher nicht, Frau Aschauer. Nur, in der Untersuchung gewaltsamer Todesfälle bleibt fast nichts privat, das will ich damit sagen. Darauf sollten Sie sich einstellen.“

      „Dann weiß ich jetzt schon, wie das weitergeht.“

      „Die Spurensicherung müssen Sie hinnehmen. Dagegen etwas einzuwenden würde einen unschönen Eindruck erwecken.“

      „Das ist mir klar, das stecke ich weg. Ich will ja selbst am meisten wissen, wer ... wie Petra ... Aber ich habe nicht die geringste Lust, mich der beleidigenden Verurteilung auszusetzen, die zwangsläufig bei jedem wohlanständigen Mitbürger hochkommt.“

      „Schon gut! Wie gesagt, Sie brauchen kein Wort zu sagen, können einen Anwalt für sich sprechen lassen.“

      „Danke für den Hinweis. Ich denke darüber nach. Fürs Erste halte ich mich an Sie. Sobald ich spüre, das läuft in eine falsche, widerliche Richtung, geht bei mir die Klappe runter. Der Polizei gegenüber. Bitte fallen Sie mir dann nicht in den Rücken.“

      Ich greife nach ihren Händen, öffne langsam ihre immer noch verschränkten Arme.

      „Also, tief Luft holen, innerlich aufrichten, gelassenes Selbstbewusstsein ist angesagt. Okay, gehen wir nach vorn?“

      Sie macht eine Armbewegung, wie um sich bei mir unterzuhaken, bleibt aber einen Schritt hinter mir.

      Neue Runde, neue Aufmerksamkeit.

      Die Tür ins Arbeitszimmer steht weit offen. Oberkommissar Brückner beugt sich, mit dem Rücken zum Fenster, über den einfachen Schreibtisch, schwarze Holzplatte und vier schlanke Chromstahlbeine. Er hält einen Packen Zeitschriften in Händen, blättert einzelne – erkennbar mit lustvoll ausgekosteter Abscheu – durch und lässt sie nacheinander auf den Tisch fallen. Der Mann dürfte Mitte fünfzig und einen halben Kopf kleiner als ich sein, hat einen mäßigen Bauchansatz und eine dünnrandige Halbglasbrille auf der Nase. Er trägt eine weite, dunkelblaue Jeanshose, über einem matt grüngelb gestreiften Hemd ein leichtes, hellbraunes Leinenjackett. Über der rechten Hüfte beult es sich und gibt, als er sich ein wenig zu uns dreht, den Blick auf den Griff einer Pistole am Gürtel frei; wahrscheinlich die gebräuchliche HuK P 30.

      Von seiner äußeren Erscheinung her könnte er als jovialer Gastgeber in eine gemütliche Volksmusiksendung der Sorte „Zum Fröhlichen Äppelwoi-Krug“ passen. Doch beim Versuch, Hinweise auf seine innere Befindlichkeit zu bekommen, ziehen sich meine Schultern spürbar zusammen. Missmut steht dem Mann ins Gesicht geschrieben.

      Er gibt sich große Mühe, von unserer Ankunft keine Kenntnis zu nehmen. Sich vorzustellen oder gar auszuweisen fällt ihm nicht ein; ich schätze, es ist Teil einer Angewohnheit, die zeigen soll, dass er hier das Sagen hat. Wenn du dich da mal nicht irrst, Brückner.

      Als er uns weiter unbeachtet lässt, schiebe ich Frau Aschauer mit leichtem Druck gegen den Unterarm rückwärts durch den Türrahmen, trete ebenfalls weit genug zurück, um den Beamten gerade noch im Blick zu haben. Wenn er etwas will, soll er sich melden. Doch wie Brückner dasteht und ab und zu flüchtig aufschaut, sind nur die Zeitschriften sowie Vera Conrad seiner Aufmerksamkeit würdig.

      Nach einem gutkollegialen Einvernehmen zwischen den beiden riecht das nicht. Vera lehnt seitlich neben dem Schreibtisch gegen eine flache, schwarze Kommode. Deren Türen sind geöffnet. Auf dem Zwischenboden liegen weitere Stapel von Hochglanzmagazinen mit fettgedruckten Titeln wie „Die Welt des S und M“ und „S and M Today“.

      Mal schnell, mal stockend durchblättert Brückner die Magazine in seiner Hand, murmelt „das gibt es doch nicht“ und „unglaublich“.

      Vera macht eine ratlose Geste in meine Richtung; die Unzufriedenheit mit dem Gang der Dinge ist ihr anzusehen.

      Als habe er in Abfall gewühlt, lässt Brückner die letzte Zeitschrift fallen. Wie aufgedeckte Spielkarten breiten sich die Hochglanzhefte auf dem Schreibtisch vor ihm aus. Die Titelbilder zeigen junge Frauen mit strahlenden Kussmundgesichtern; unter anderem als Krankenschwester, Hauslehrerin oder Domina, mit berufsbezogenen Uniformen bekleidet. Deren besonderer Schnitt hebt ihre nackten Brüste hervor. In halber Höhe davor strecken die Offenherzchen dem Betrachter entsprechende Hilfsmittel wie Fieberthermometer, Zuchtgerte oder Fesselgurte entgegen. Auf einem Titelbild lockt eine


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