Berkamp - Ein langer schwarzer Schatten. Günter Billy Hollenbach
Platz zu machen, setzt sich auf Corinnas leeren Stuhl. Ihr Gesicht ist ein großes, sprachloses Fragezeichen. Vera nimmt auf dem Stuhl Platz, den Brückner verlassen hat, schaut mich unsicher an, entschließt sich schließlich.
„Robert, was hat Corinna da gesagt? Mit dem Hellsehen? Weil, ehrlich gesagt, deine Erklärungen klingen wirklich reichlich ungewöhnlich.“
„Vergiss es, Vera, hat sie nicht ernst gemeint. Wahrscheinlich denkt sie an das „Remote Viewing“, was ich gelegentlich mache. Erinnerst Du dich; im Frühjahr nach unserem ersten Rendezvous in der Klinik in Königstein ....“
„Hach, damals war ich schneller mit der Waffe,“ fällt sie mir ins Wort, verdreht stolz ihre glänzenden Puppenaugen.
„Stimmt. Aber nur, weil ich von deiner Schönheit geblendet war.“
„Danke, bitte noch einmal zum Mitschreiben.“
Was Frau Aschauer jetzt wohl denkt? Sie verfolgt unseren Austausch sonderbarer Nettigkeiten mit erstaunten Augen und halboffenem Mund.
„Anschließend beim Apfelkuchen im Schlosshotel habe ich dir von meiner Denkmethode „Schamanische Reise“ erzählt.“
„Stimmt, ja, ja,“ erinnert Vera sich angeregt. „Und Du hast ein Pendel benutzt, nach dem Angriff auf Mona. Hat sie mir später erzählt ....“
„Was höre ich da? Ihr wart zusammen im Schlosshotel und habt Apfeltorte ...! Ja, was halte ich denn davon? Womöglich in der Dienstzeit? Und Du hast mir kein Wort davon gesagt, Vera. Und Du auch nicht, Du Geisterbeschwörer. Nennt ihr das kollegiale Zusammenarbeit?“
In ihrer gespielten Verärgerung sieht Corinna richtig süß aus, ein wenig mädchenhaft. Ich stehe auf, drücke ihr ein Küsschen auf die Wange. Es muss sein.
„Herzblatt, komm her, lass uns fertig werden.“
„Nee, nee, nee, mein Lieber,“ widerspricht sie etwas errötet.
„Ich sehe das ähnlich wie Brückner. Du weißt mehr. Also, erklär uns, was Du eben gemeint hast. Vorher lasse ich dich nicht ziehen.“
„Vera, folgst Du deiner Chefin?“
„Was für eine Frage. Du weißt doch, wie gern ich dazulerne.“
„Gut, ihr zwei Hübschen. Bringt etwas Geduld auf. Und Denkarbeit um zwei Ecken. Dazu gehen wir noch einmal in den Keller. Frau Aschauer, ich schicke Sie zwar ungern weg. Aber jetzt müssen Sie draußen bleiben; tut mir leid.“
Natürlich gibt sie die Gekränkte.
„Wieso denn?! Ich will mitkommen. Warum soll ich das nicht hören? Es betrifft mich doch ebenfalls.“
„Genau deshalb. Sie sind parteiisch, kennen das Kellerzimmer und seine Nutzung. Ihre Anwesenheit würde unsere Arbeit beeinträchtigen. Keine Sorge, alles Wesentliche erzähle ich Ihnen später.“
Frau Aschauer schluckt heftig, blickt erst zu Vera, dann zu Corinna, als erwarte sie von beiden Unterstützung.
„Wir machen das ohne Sie, gnädige Frau,“ befindet Corinna bündig.
Vera steht auf, streicht ihr Kleid glatt.
„Dient allein der Sache, hat mit Ihnen nichts zu tun, Frau Aschauer. Erst recht, wenn Sie unschuldig sind.“
Dass die nicht einverstanden ist, zeigt ein harter Zug um ihren Mund.
„Wie Sie meinen. Ich bin eine Weile im Wohnzimmer und lese.“
Sie steht auf und geht, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
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