Wächterin. Ana Marna

Wächterin - Ana Marna


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zurück.

      Ein Ausflug in die Staaten klang spannend. Und sie hatte noch nie für das FBI gearbeitet – und auch nicht für James Bond. Sie lächelte ein weiteres Mal über den Namen. Diese Reise konnte nur interessant werden.

       Kansas, USA

      Bereits drei Tage später stand sie zum ersten Mal in einem amerikanischen gerichtsmedizinischen Institut in Kansas und betrachtete die beiden Leichen, die vor ihr auf den Stahltischen lagen.

      Neben ihr stand Agent James Bond und sie konnte verstehen, dass er ziemlich bleich um die Nase war. Der Geruch, den die Toten ausströmten, war sehr intensiv. Immerhin hielt er sich gerade und ihr erster Eindruck von ihm verstärkte sich. Sie mochte diesen Agenten. Er sah gut aus, wirkte nett und war dazu noch kompetent.

      Doch die beiden Leichen vor ihr fesselten derzeitig ihre gesamte Aufmerksamkeit. Es waren zwei Frauen, vermutlich noch jung und einstmals hübsch. Ihre Körper befanden sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung.

      Sie wusste inzwischen, dass eine Frau bereits vor drei Monaten gefunden worden war, die zweite dagegen erst vor etwa einem Monat. Beide wiesen die gleichen Verletzungen auf, und die Art der Verstümmelungen verursachte in Valea kaltes Grausen. Beiden war nahezu komplett die Haut abgezogen worden, und laut der gerichtsmedizinischen Untersuchungen hatten sie beide während dieses Prozesses gelebt.

      Agent Bond hatte ihr zudem einen dritten Fall vorgelegt, der vor einem Jahr für Aufregung gesorgt hatte. Diese Frau war genauso verstümmelt worden. Dass hier ein Serientäter am Werk war, war nicht schwer zu erkennen.

      Sie seufzte leise und trat näher. Ihre Aufgabe war heute die Überprüfung der Fraßspuren, und sie hoffte sehr, dass sie nicht umsonst hier aufgetaucht war. Wer Frauen so verstümmelte und quälte, musste einfach gefunden und unschädlich gemacht werden.

      Einige Stunden später saß sie mit Agent Bond in einem kleinen Büro und besprach das Ergebnis ihrer Untersuchungen. Es war weiß Gott nicht viel, was sie gefunden hatte. Und mit Sicherheit zu wenig, um diesem Ungeheuer Einhalt zu gebieten.

      „Die Häutungen erfolgten mit einem Messer und mit Zähnen“, konnte sie bestätigen. „Und leider Gottes haben die armen Frauen dabei noch gelebt. Die Zähne ähneln denen eines Hundes oder Wolfes, aber sie sind ungewöhnlich groß und lang, beinahe dolchartig. Von der Größe her würde ich sie eher einem Bären, Löwen oder Tiger zuordnen, doch die Zahnstellung und die Form ist eindeutig hundeartig. Interessant ist, dass zumindest bei den neuen Opfern die Häutung beinahe ritualisiert erfolgte. Die Muster gleichen sich sehr und alles deutet darauf hin, dass der Prozess quälend langsam erfolgte. Wer auch immer das getan hat, ist hochgradig sadistisch und wird sich sein neues Opfer bereits suchen.“

      Agent Bond nickte mit grimmigem Gesicht.

      „Das haben unsere Experten auch prophezeit. Und Sie haben keine Ahnung, was für ein Tier ihn unterstützt hat?“

      Valea schwieg für längere Zeit. Dann schüttelte sie den Kopf. „Leider nein. Die Haarfunde an den Leichen deuten auch auf einen Caniden hin, doch die Struktur der einzelnen Haare ist ungewöhnlich. Eine Mischung aus Wolf und etwas was ich nicht kenne. Vermutlich ist das Fell sehr dicht und lang, extrem witterungsbeständig und ungewöhnlich weich. Allein diese Kombination ist schon seltsam. – Es tut mir leid, Agent Bond, dass ich Ihnen nicht mehr liefern kann. Ich hoffe sehr, dass Sie diesen Bastard schnell finden.“

      Er nickte. „Das hoffen wir alle. Aber ich bin Ihnen trotzdem dankbar, dass Sie hergekommen sind und zumindest unsere Experten bestätigt haben. – Darf ich auf Sie zurückkommen, wenn wir wieder etwas Neues finden?“

      „Jederzeit. Zögern Sie bitte nicht. Das hier ist – wichtig.“

      Und genauso meinte sie es auch. Diesen Fall würde sie im Gedächtnis behalten, bis er gelöst war.

      September 2011

       Frankfurt am Main, Deutschland

      Der Saal war nicht besonders groß, doch es hatten sich auch nur etwa hundert Teilnehmer angemeldet.

      Valea stand vorne am Podium und ließ den Blick unbewusst über die Zuhörer schweifen. Seit zwei Stunden stand sie hier vorne und redete, diskutierte und stritt mit den Anwesenden. Es war hochinteressant, aber überaus anstrengend. Interessant, da es zu einem Thema so viele Meinungen geben konnte, und anstrengend, weil einige ihrer werten Kollegen nicht davor zurückschreckten, sie auch auf persönlicher Ebene zu attackieren, wenn sie ihren Argumenten nichts entgegensetzen konnten. Nie hatte sie die Ruhe verloren und alle Attacken ins Leere laufen lassen. Doch nun spürte sie, wie sich eine gewisse mentale Erschöpfung in ihr ausbreitete. Es wurde Zeit, die Diskussion zu beenden.

      Ein Blick zum Veranstalter zeigte ihr, dass auch er schon ungeduldig wurde. Immerhin war direkt im Anschluss ein großes Buffet vorgesehen. Sie sah wieder mit einem freundlichen Lächeln zu ihren Kollegen.

      „Nun, in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde und da ich glaube, auch den einen oder anderen knurrenden Magen gehört zu haben, schlage ich vor, dass wir unsere Diskussion vorerst unterbrechen und uns am Buffet stärken.“

      Das fand Beifall und kurze Zeit später stand Valea im großen Foyer und staunte über die Massen an Speisen, die sich auf den Tischen türmten. Kurz blitzte die Erinnerung an ihre Arbeit im Kongo in ihr auf. Kein Zweifel, hier, mitten in Deutschland, genauer gesagt in Frankfurt, gab es keine Hungersnöte, sondern schamlosen Überfluss.

      Sie griff nach einem Glas Orangensaft und nippte daran, während sie die Leute beobachtete, die zum Buffet strömten.

      Einige Gesichter kannte sie inzwischen, doch viele waren ihr fremd. Vermutlich würden sie es auch bleiben. Gerichtsmediziner gab es so einige und die meisten verließen ihren Arbeitsplatz selten. Ab und zu ergaben sich Vorträge über spezielle Themen, so wie heute, und selbst dazu kamen noch lange nicht alle.

      „Hat es Ihnen den Appetit verschlagen?“, erklang eine ihr bekannte Stimme hinter ihr. Valea fuhr erschrocken zusammen und drehte sich um.

      „Roman Rothenstein.“ Sie sah überrascht zu ihm hoch. „Was machen Sie denn hier?“

      Er ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf.

      „Ich habe zufällig gelesen, dass sie heute einen Vortrag halten und war einfach nur neugierig“, lächelte er. „Sie haben sich tapfer geschlagen, Frau Doktor. Die meisten der Anwesenden haben wohl einiges dazu gelernt. Und ich persönlich hätte nicht gedacht, dass die Untersuchung von Tierspuren an Leichen so vielschichtig und differenziert sein kann.“

      „Jetzt nehmen Sie mich auf den Arm, Herr Rothenstein.“ Valea entzog ihm ihre Hand. „Und um auf Ihre Frage zurückzukommen. Ich habe durchaus Hunger, doch ich mag es nicht, mich in so einer Menge anzustellen.“

      „Soll ich Ihnen den Weg frei kämpfen?“

      In seinen Augen blitzte es humorvoll auf. Valea musste lachen.

      „Sehr galant, aber nein. Ich habe es nicht eilig. – Und was machen Sie wirklich hier?“

      Er hob die Augenbrauen.

      „Sie glauben mir nicht? Wie schade. Dabei ist es tatsächlich die Wahrheit. Zugegeben, ich bin auch aus anderen Gründen dieser Tage in Frankfurt, doch diesen Abend habe ich mir tatsächlich für Sie frei gehalten. Wohin darf ich Sie also entführen? Ins Restaurant drei Etagen tiefer? Oder sollen wir uns außerhalb des Hauses einen gemütlicheren Platz suchen?“

      Es war der gleiche Tonfall, wie bei ihrer ersten Begegnung: Er ging davon aus, dass sie auf seinen Vorschlag einging und wählen würde.

      Valea schüttelte lächelnd den Kopf.

      „Weder noch, Herr Rothenstein. Es ehrt mich zwar, dass sie Wert auf meine Begleitung legen, doch ich habe hier noch gesellschaftliche Verpflichtungen. Als Rednerin komme ich nicht umhin, in den nächsten Stunden als Gesprächspartnerin zur Verfügung zu stehen.“

      Wieder


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