Ich bin Schwerhörig, na und? Teil 2. Renee Iseli - Smits
Selbstbeherrschung etwas, was gelernt werden muss und nicht selbstverständlich auf uns zukommt.
Von mich selbst weiss ich, dass ich schneller meine Selbstbeherrschung verliere wenn ich sehr müde oder gestresst bin, obwohl ich normalerweise eine gute Selbstbeherrschung habe.
Aber ab wann sagt man sich „genug ist genug“? Persönlich habe ich lernen müssen meine Grenzen zu stellen und bin immer noch im Lernprozess. Ich erkenne mittlerweile sämtlichen körperlichen Symptomen die mir meine Grenzen signalisieren, damit ich selbst entscheiden kann ob ich nicht über meine Grenzen gehen soll, oder dass ich darüber gehe und das es dann echt Schluss ist. Nur wenn man seine eigenen Grenzen erkennt, kann man bewusst wählen, wie damit um zu gehen. Oder seine Grenzen präventiv einsetzen.
Zugegeben, manchmal bin ich ein bisschen neidisch auf Menschen die ihre Grenzen auf scheinbar natürliche Weise zeigen. Ich finde es manchmal noch immer schwierig Nein zu sagen! Jedoch bin ich davon überzeugt, dass die Aussage im obenstehenden Bild stimmt: Grenzen schaffen Identität. Wer es schafft für sich und anderen klare Grenzen zu stellen, wird respektiert und die Grenzen werden akzeptiert. Und manchmal zu meiner Überraschung werden auch meine Grenzen akzeptiert und respektiert. Warum ist es dennoch so schwierig?
Wahlen
In ein paar Wochen ist es in der Schweiz so weit: Abstimmungswahlen. Die Politiker sind sehr mit Ihrer Kampagne beschäftigt und man sieht überall Poster und man bekommt regelmässig Wahlwerbung im Briefkasten. Trotzdem habe ich immer noch keine Ahnung auf wem und vor allem auf welche Partei ich wählen soll.
In den Wahlkampagnen kommen sehr viele Themen vorbei. Nur eins habe ich vermisst, oder vielleicht wegen der Mangel der Aufmerksamkeit übersehen: Wo bleibt der Aufmerksamkeit für Beeinträchtigte, Behinderte oder chronisch Kranke?
Oh ja, letzte Woche diese Nachricht: http://www.blick.ch/news/Politik/kaffee-mit-hindernissen-hier-bestellen-politiker-mit-gebaerden-id4199758.html Sehr gute Initiative! Schade das es nur einmalig war, man könnte mehr davon gebrauchen! Der Gehörlosenbund hatte letzte Woche einen Diskussionsanlass mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga http://www.sgb-fss.ch/aktionswoche-des-gehoerlosenbundes/ Natürlich super Initiative, die ich sehr unterstütze! In den Medien habe ich leider nichts über diese Diskussion gelesen und das ist natürlich wieder schade. Wieso sind die Medien nicht an so eine wertvolle Diskussion interessiert? Wieso könnten Guthörende Mitmenschen nicht davon erfahren? Das wäre doch sicherlich gut für mehr Aufklärung und Verständnis, oder?! Ebenfalls letzte Woche die Nachricht: die Krankenkassenprämien werden erhöht, was für Beeinträchtigte und chronisch Kranken natürlich ungünstig ist, weil wir immer teurer aus sind. Ist aber immer noch kein Grund für die Parteien nicht über die Gruppe von Beeinträchtigte, Behinderte oder chronisch Kranke nachzudenken, oder? Ich glaube nicht dass ich in die Parteikampagnen je ein Wort, positiv oder negativ, über diese Zielgruppen gesehen habe. Und ich habe daher auch keine Ahnung, auf welche Partei, als Hörbeeinträchtigte, ich meine Stimme abgeben sollte.
Natürlich gibt es mehrere wichtige Themen, die wahrscheinlich die Wähler auch mehr ansprechen, zum Beispiel das Flüchtlingen Thematik. Sehr wichtig, das gebe ich sofort zu.
Aber Beeinträchtigten und chronisch Kranken sind doch auch Teil der Gesellschaft und sind auch Wählern. Mit natürlich ein Paar gute Ausnahmen, finden wir uns doch nicht in unseren Vertretern zurück. Seien wir mal ehrlich: wie viel beeinträchtigte Politiker und Politikerinnen gibt es eigentlich? Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Ich glaube man kann sie auf den Finger zweier Hände zählen. Da ich nicht an Zufälle glaube, glaube ich nicht, dass das ein Zufall ist.
Auch wenn eine PolitikerIn zum Beispiel ein Hörgerät tragen würde, könnte das ihr Image als gesunden, aktiven Volksvertreter eher schaden. Aber, auch Politiker sind halt Menschen, auch wenn uns die Kampagnen oder die Medien oft einen Supermenschen oder Brillante Köpfe vorzeigen wollen. Ich würde es zujubeln, wenn sie offen über ein Hörgerät oder so reden würden. Eine Brille ist doch auch allgemein akzeptiert? Wieso sollte man ein Hörgerät verstecken? Ist man als PolitikerIn mit Hörgerät weniger fähig? Durchaus nicht!
Als bewusste Bürgerin, nehme ich meine Bürgerpflichten sehr ernst und ich möchte unbedingt meine Wahlstimme abgeben. Seit ich ihm Wahlberechtigten Alter bin, habe ich das immer gemacht. Bleibt mir nur noch die richtige Wahl … Ich habe ja noch ein paar Wochen!
Lebensqualität
Als HörgeräteträgerIn, kommt man einmal in der 5/6/7 Jahren zum unabwendbaren Ankauf eines neuen Hörgerätes. Nebst der neuen Anpassung, Hörtesten, Besuche an der Akustiker, bedeutet dies auch ein volles Portemonnaie. Hier muss ich leider ein Thema ansprechen, das unbeliebt ist und worüber nur ungern gesprochen wird. Aber, ich verspreche Sie, lieber Leser und liebe Leserinnen, dass ich dieses Thema sehr umsichtig angehen werde, also bitte, lesen Sie ruhig weiter.
Seit 2011 gibt es in der Schweiz eine Pauschal Regelung für Hörgeräte. Kurz und einfach gesagt: man kann sich das Hörgerät kaufen, dass man will und auch wo man will, aber man bekommt nur einen Pauschalbetrag dafür (siehe http://www.bsv.admin.ch/aktuell/medien/00120/index.html?lang=de&msg-id=39314). Diese Regelung ist erstanden, weil man eine gewisse Konkurrenz zwischen Akustiker und Hörgerätehersteller kreieren wollte, damit die Preise der Hörgeräte etwas runter gehen würden. Jetzt, vier Jahre später, wissen wir immer noch nicht ob das gelungen ist oder nicht. Ausgiebige Untersuchungen in diesem Bereich liegen nicht vor. Wenn ich mich irre, dann möchte ich Sie doch herzlichst bitten sich mir zu melden.
Die Behauptungen der Akustiker, die Krankenkasse und so weiter, dass es kostendeckende Hörgeräte gibt für alle, mögen ja vielleicht stimmen, leider nur, dass es in der Praxis bei nur den wenigsten Hörgeräteträgern zutrifft! Klar, ich könnte mich ein Kostendeckendes Hörgerät kaufen. Bringt mir das aber auch ein Stück Lebensqualität? Nein. Auch wenn ich mir nicht die brandaktuellen technischen Neuigkeiten wünsche, dann reicht mir doch nicht das billigste, kostendeckende Hörgerät aus. Aus dem einfachen Grund, dass einen Hörverlust rein Individuell ist, und auch vor allem weil Hochgradige Schwerhörigkeit sich nicht mit einem billigen Hörgerät ausgleichen lässt. Punkt.
Ich gebe zu, in Sache Lebensqualität bin ich sehr anspruchsvoll. Auch was meine Hörgeräte betrifft. Eben weil es hier gerade um Lebensqualität geht! Leider nur, kann sich nicht jeder leisten den zusätzlichen Mehrpreis zu bezahlen. In dem Fall, hat man also der Wahl, sich mit weniger Qualität zu begnügen, oder sich in den Schulden zu stecken.
Nun kennt die Schweizer IV (Invalide Versicherung) zwar eine Härtefallregelung, die in den schlimmeren Fällen aushelfen sollte, aber in viele Fälle funktioniert diese Regelung nicht (siehe ein Bericht aus der Tagesanzeiger in 2014 http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/