Dillinger macht Wind. Rudi Kost

Dillinger macht Wind - Rudi Kost


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Ertragsausfallversicherung, Bauherren- und Betriebshaftpflichtversicherung, Umwelthaftpflichtversicherung, Umweltschadenversicherung – soll ich weitermachen? Ein ganz neuer Geschäftszweig für mich, musste mich auch erst mal einarbeiten.«

      »Weshalb du ein glühender Verfechter der Windenergie bist.«

      »Aus geschäftlicher Sicht unbedingt.«

      »Und sonst?«

      »Zwiegespalten. Ich sehe die Notwendigkeit ein und akzeptiere sie zähneknirschend. Was bleibt mir anderes übrig. Aber sie machen ein ansonsten schönes Landschaftsbild kaputt. Und mir gefällt nicht, dass sie mit aller Gewalt durchgedrückt werden.«

      Ich zockelte in aller Gelassenheit durch Ruppertshofen. Hoffentlich stand irgendwo ein Blitzer. Wenn ich schon mal garantiert keine Gefahr lief, erwischt zu werden.

      »Und jetzt links ab!«, kommandierte Isabel. »Und dann haben Sie Ihr Ziel auch fast schon erreicht.«

      »Leofels? Was willst du hier? Mit mir die Burg besichtigen?«

      ***

      Leofels war ein überschaubares Dörfchen mit einigen Bauernhöfen außen herum. Die Häuschen, klein zumeist, schmiegten sich an einen Bergsporn. Von hier aus ging es tief hinab ins Jagsttal.

      Die Burg oder was von ihr übrig geblieben war, saß auf ebenjenem Bergsporn, eine staufische Reichsburg, die auf etwa 1230 datiert wurde. Sie lag hinter hohen Bäumen verborgen, sehen konnte sie nur, wer vom Tal heraufkam.

      Der Zahn der Zeit hatte wenig mehr als ein paar Mauern aus Buckelquadern gelassen. Was noch verwertbar war, hatte man in früheren Zeiten abgetragen und anderswo weiterverwendet. Eine pragmatische Einstellung. Solche aufgelassenen Burgen gab es schließlich haufenweise in unserer Gegend, da kam es auf ein paar Steine mehr oder weniger nicht an. In Rom hatte man es mit den alten Bauten genauso gehalten.

      Heimatkunde für Anfänger. Damit hatte man uns in der Schule traktiert. Mein alter Lehrer wäre stolz auf sich gewesen, was bei mir hängen geblieben war.

      In Wahrheit war ich in meinen Jünglingsjahren mit vielen anderen zum legendären Folkfestival in der Burgruine gepilgert und hatte Liederjan und dem alten Barden Colin Wilkie gelauscht. In den Pausen hatte man genügend Zeit, die Anschlagtafel mit ihrem kargen Text zu studieren. Wenn man nicht gerade auf der Suche nach einem willigen Burgfräulein war.

      Das Burgfräulein neben mir riss mich aus meinen Gedanken.

      »Ich habe eine Überraschung für dich. Aber erst muss ich noch geschwind etwas Geschäftliches erledigen«, sagte Isabel.

      ***

      Der Hof des Bauern Buchauer lag etwas außerhalb auf der Hochfläche. Das Ensemble bestand aus Stall, Scheune und Wohnhaus. Alles nicht aus einem Guss, sondern im Laufe der Zeit angebaut, umgebaut, erweitert. Unspektakuläre Zweckbauten. Wie üblich eben. Es schien sich um einen für unsere Gegend typischen mittelgroßen Betrieb zu handeln, der die Familie nicht reich machte, ihr aber ein erträgliches Auskommen bescherte. Dank reichlicher EU-Subventionen.

      Auf dem Hof war es still. Das war ungewöhnlich. Normalerweise herrschte in dieser Jahreszeit auf einem Bauernhof Hochbetrieb.

      »Was willst du hier?«, fragte ich. »Frühstückseier?«

      »Der Bauer will verkaufen. Und ich will den Hof haben.«

      Isabel stellte sich in Positur. Die rote Mähne geschüttelt, das Kreuz durchgedrückt, das linke Bein leicht angewinkelt, die Brüste zurechtgerückt.

      Ich musste grinsen. Ich kannte das. Hohenlohes gerissenste Immobilienmaklerin ging zum Angriff über. Es war eine kühl inszenierte Mischung aus strahlender Freundlichkeit, Kompetenz und überwältigender körperlicher Präsenz.

      Auch der Bauer konnte sich dem nicht entziehen, nachdem er auf Isabels Klingeln geöffnet hatte. Er musterte sie von Kopf und Fuß. Gab ja auch genug zu sehen. Lange, schlanke Beine. Ein Rock, der knapp unterm Po endete. Eine figurbetonte Bluse. Als Busenwunder ging Isabel nicht durch, aber was sie hatte, verbarg sie nicht.

      Isabel ließ dem Bauern Zeit.

      Dann streckte sie ihm die Hand hin und strahlte ihn an. »Grüß Gott, Herr Buchauer. Da bin ich wieder. Haben Sie sich’s überlegt?«

      Sie hielt Buchauers Hand länger, als es die Höflichkeit gebot. Dieses Luder! Wenn sie es darauf anlegte, fing ein Mann bei ihrem Händedruck an zu träumen. Und sie legte es darauf an. Ich merkte das an ihrer Körperhaltung und ihrem Lächeln.

      Endlich ließ sie los. Buchauers Miene war nicht zu deuten. Enttäuscht? Oder froh, einer Gefahr entronnen zu sein? Dann schaute er mich an.

      »Ist das der Interessent?«, fragte er.

      Bevor ich etwas antworten konnte, spürte ich Isabels Ellbogen schmerzhaft an meinen Rippen.

      »Ja, das ist er«, sagte sie schnell. »Genauer gesagt einer der Interessenten.«

      »Na, dann schauen Sie sich halt mal um.«

      »Warum geben Sie uns nicht eine Hofführung?«, sagte Isabel und hakte sich bei Buchauer unter. Dem schien das keineswegs unangenehm zu sein. Über die Schulter warf sie mir einen scharfen Blick zu.

      Ich schätzte Buchauer auf Anfang fünfzig, ein nicht sehr großer, untersetzter Mann, der auf eine eigenartige Weise wortkarg blieb. Ich verstand genug von Landwirtschaft, um ein paar sachkundige Fragen stellen zu können, aber er ließ sich auf keine Diskussionen ein. Wenn ich meinen Hof verkaufen wollte, hätte ich ihn angepriesen wie Sauerbier. Er begnügte sich mit einigen knurrigen Bemerkungen. Buchauer erschien mir erschöpft, verbittert.

      »Ein schöner Hof«, sagte ich schließlich meiner Rolle gemäß. »Und so ein Schmuckstück wollen Sie verkaufen?«

      »Hab lang genug gebuckelt. Sechzig Hektar Land gehören auch dazu.«

      »Und die wollen Sie auch verkaufen? Als Pacht wäre das doch eine schöne Rente.«

      »Meine Rente steht dort drüben.«

      Er deutete auf den nahen Wald, wo sich drei Windräder gen Himmel streckten. Eines schnurrte vor sich hin, die anderen beiden machten gerade Siesta. Ist ja auch anstrengend für so ein Windrad, dauernd im Kreis herum und keine Abwechslung.

      »Ich verstehe. Sie haben in die Windräder investiert.«

      »Ich bin doch nicht blöd. Zwei von denen stehen auf meinem Grund.«

      Jetzt verstand ich wirklich. Das musste ihm eine schöne Pacht einbringen.

      Er sah mich argwöhnisch von der Seite an. »Und das soll Ihr Alterssitz werden? So alt sind sie doch gar nicht.«

      »Man kann nicht rechtzeitig genug vorsorgen. Später mal der Alterssitz, und bis dahin ein Rückzugsort vom hektischen Leben in der Stadt. Die Natur genießen. Die Ruhe.«

      »Er will sich ein paar Schafe halten«, sagte Isabel. »Und Hühner.«

      »Vielleicht auch Pferde«, ergänzte ich.

      Buchauer zuckte mit den Achseln. »Mir egal, was Sie damit machen. Ich wandere aus. Nach Mallorca.«

      »Soll schön sein dort«, sagte ich mechanisch.

      »Hab ich auch gehört. Und, wie sieht’s aus? Haben Sie Interesse? Über den Preis kann man ja reden.«

      »Der Hof gefällt mir schon ganz gut. Aber so eine Entscheidung will natürlich reiflich überlegt sein.«

      »Wir müssen ja auch nichts überstürzen«, fiel Isabel ein. »Jetzt müssen wir erst einmal unsere Vereinbarung unterschreiben, dass ich als Einzige Ihre Interessen vertrete.«

      Sie hakte sich wieder bei ihm unter und zog ihn in Richtung Wohnhaus. Allzu viel Widerstand hatte sie nicht zu überwinden.

      Ich blieb draußen, sah mich noch ein bisschen um.

      Wenig später kam eine breit grinsende Isabel beschwingten Schrittes


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