Dillinger macht Wind. Rudi Kost

Dillinger macht Wind - Rudi Kost


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Wanderer, sondern einem Wartungstechniker. Der schaut wohl, warum das Rad nicht läuft.«

      »Dann mal hoch!«

      »Ich glaube nicht, dass das gern gesehen wird.«

      »Sei kein Frosch! Du willst bloß nicht zugeben, dass du die paar Treppen nicht schaffst. Diese Typen erzählen doch gern von ihrer Arbeit.«

      Ich gab nach. Mehr als einen Anschiss konnten wir uns nicht einhandeln. Als wahrer Gentleman ließ ich ihr den Vortritt. Abschirmung gegen Gefahren von hinten. Und das Röckchen im Blick.

      Es war heiß in der Betonröhre, und mir lief schon der Schweiß in Strömen, als Isabel so plötzlich stehen blieb, dass ich gegen sie prallte.

      »Ups!«, sagte sie. »Ich glaube, viel erzählt der uns nicht mehr.«

      Ich drängte mich an ihr vorbei.

      Wenigstens gehörte Isabel nicht zu den Frauen, die hysterisch aufschrien, wenn sie einen Toten sahen. Auch dann nicht, wenn der Tote nicht sehr appetitlich aussah.

      Trotzdem sagte ich zu ihr: »Dreh dich um. Das ist kein Anblick für kleine Mädchen.«

      »Ich bin hart im Nehmen. Ich war mal mit dir zusammen.«

      Es war ein Mann, und man hatte ihn übel zugerichtet. Er schien schon einige Zeit hier zu liegen, etliche Kleinlebewesen erfreuten sich an ihm. In der Sommerhitze ging das schnell. Weiß der Himmel, woher die Viecher immer so plötzlich kamen.

      Wir traten schleunigst den Rückzug an und atmeten draußen tief durch.

      »Und jetzt?«, fragte Isabel.

      »Das Übliche. Das Theaterstück musst du dir alleine anschauen. Ich warte hier auf Keller und seine Leute von der Kripo. Und überlege mir passende Antworten auf einige unangenehme Fragen.«

      »Ich leiste dir Gesellschaft. Das Theater können wir auch sausen lassen.«

      »Kommt nicht in Frage! Wir müssen ja nicht beide deine schwer erkämpften Plätze verfallen lassen. Und du willst dich doch umhören. Wegen Buchauer.«

      »Und wie komme ich nach Leofels? Und nach Hause?«

      Ich gab ihr meine Autoschlüssel. »Wenn du fertig bist, ruf mich an. Ich sage dir dann, wo du mich auflesen kannst.«

      In ihren Augen sah ich ein begehrliches Glitzern.

      »Und fahr bitte nicht so, wie du immer fährst. Mein Auto ist empfindsam.«

      Ich holte mein Handy hervor und rief Keller an. Wenigstens hat man unter einem Windrad immer gutes Netz. Wegen der Fernwartung.

      ***

      Das Übliche. Erst mal dauerte es. Dann kam ein Streifenwagen mit zwei Beamten, die mich böse anguckten, sich meinen Ausweis zeigen ließen, im Turm verschwanden und schnell wieder zurück waren. Sie guckten nun nicht mehr böse, sondern etwas glasig und postierten sich vor der Tür mit entschlossener Miene. Damit ich nicht auf Idee kam, ihnen die Leiche zu klauen.

      Dann dauerte es wieder. Der Herr Hauptkommissar Keller mit Dienstsitz Schwäbisch Hall trudelte ein. Er würdigte mich keines Blickes, sprach mit den beiden Beamten und betrat den Turm. Er blieb länger, und als er wieder aus der Tür trat, guckte er genau wie immer. Mürrisch. Er telefonierte und ignorierte mich weiterhin.

      Irgendwann traf schließlich auch der Rest der Mannschaft ein. Die hatten ja auch einen weiten Weg. Im Zuge der Polizeireform war die Polizeidirektion Schwäbisch Hall aufgelöst worden, die Beamten kamen jetzt aus Waiblingen oder Aalen angereist. In Schwäbisch Hall war nur ein schlichtes Kriminalkommissariat geblieben. Und Keller. Dafür war er jetzt für den gesamten Landkreis zuständig.

      Ich fand diese Reform großartig. Sollte ich jemals in die Verlegenheit kommen, in … sagen wir mal Crailsheim über eine Leiche zu stolpern, konnte ich damit auch Keller ärgern und musste mich nicht mit einem unbekannten Kripobeamten herumschlagen. Im fortgeschrittenen Alter schätzt man eben Beständigkeit.

      Die Leute mit ihren Ganzkörperkondomen gingen in den Turm hinein, gefolgt von Keller. Wahrscheinlich mussten sie dort drinnen Platzkarten verlosen.

      Ich saß auf einem Stapel Langholz und gab mich philosophischen Gedanken hin. Das mache ich seit Neuestem immer, wenn mir langweilig ist. Und wie immer führten sie zu keinem greifbaren Ergebnis.

      Irgendwann – ich war gerade bei der Vergänglichkeit des Daseins angelangt und wollte zum Sinn desselben weitergehen – kam Keller auf mich zugestapft.

      Es kam, was kommen musste. Das Übliche eben.

      »Wieder mal«, knurrte er mich an.

      Ich zuckte mit den Schultern. »Genau besehen habe nicht ich die Leiche gefunden, sondern Isabel. Sie war zwei Stufen vor mir.«

      »Dieses rote Gift? Diese Immobilientante, die immer hinter dir her ist?«

      »Ist sie nicht.«

      »Ist sie doch.«

      »War sie vielleicht mal.«

      »Immer noch. Manchmal bist du mit Blindheit geschlagen, Dillinger. Wie bei deiner Anwältin. Die hättest du nicht gehen lassen dürfen. Die hat dir gut getan.«

      »Aber ich ihr wohl nicht.«

      »Weil du ein Idiot bist.«

      »Sagt der Experte in Herzensangelegenheiten.«

      »Lenk nicht ab. Nele war sympathisch, intelligent und außerdem verdammt attraktiv.«

      »Na und? Es hat eben nicht sollen sein. Sie ist in Berlin, ich bin hier.«

      »Eine Fernbeziehung ist doch heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr.«

      »Hat halt nicht funktioniert bei uns.«

      »Weil du zu unflexibel bist, Dillinger. Du denkst immer, dass sich alles um dich drehen muss.«

      »Schön, dass du mit mir mein verkorkstes Liebesleben diskutieren willst, aber hast du nicht was zu arbeiten?«

      »Das machen die Jungs schon.«

      »Sexist! Da war mindestens eine Frau dabei.«

      »Die Adelheid, ja. Niedliches Ding. Und ledig. Soll ich euch bekannt machen?«

      »Weißt du, was du mich kannst? Aber kreuzweise!«

      Keller grinste. »Also, was hattet ihr in diesem Turm zu suchen?«

      Ich erzählte. Von unserem Picknick. Dem Spaziergang. Der Tür, die offen stand. Vom Bauer Buchauer sagte ich nichts, das hatte mit dieser Sache ja nichts zu tun.

      »Kennst du ihn?« Aus seiner Kopfbewegung war eindeutig zu entnehmen, wen er meinte.

      »Er kommt mir vage bekannt vor. Soweit man das noch erkennen kann. Kann sein, dass ich ihn irgendwo mal gesehen habe. Name weiß ich nicht.«

      »Aber ich. Dr. Gustav Rautenberg. Ist das der, den du meinst?«

      »Keine Ahnung.«

      »Wie kommt es dann, dass er deine Visitenkarte bei sich trug?«

      »Ich verteile die Dinger großzügig.«

      »Warum?«

      »Mensch, Keller! Du wirst zu deinen Kunden gerufen, und die warten auch ganz geduldig, bis du kommst. Ich muss Werbung machen für mich.«

      »Bringt’s was?«

      »Danke der Nachfrage, ich ertrinke in Arbeit.«

      »Diese Windräder sind ein gutes Konjunkturprogramm, was? Hast du die drei hier auch versichert?«

      »Möglich. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es sind so viele, ich verliere allmählich den Überblick. Was wisst ihr sonst noch über diesen Herrn Rautenberg?«

      »Sechsundfünfzig Jahre alt, wohnt drüben in Ilshofen. Liegt seit einigen Tagen hier, vielleicht seit drei. Genaueres nach der Obduktion,


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