Adrian Babelssohn. Paul Baldauf

Adrian Babelssohn - Paul Baldauf


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erst mal in eine andere Sprache übersetzen. Eigentlich ein verwandtes Berufsbild... Die hast Du gleich richtig taxiert. Außerdem: Sie wohnt schon lange in Deutschland...Sehr gut! Da kennt die die deutsche Mentalität bald aus dem eff-eff. Das alleine sollte ausreichen, um ihr eine Chance zu geben...’Kurse gemacht hat sie auch schon’. Da sieht man doch gleich die richtige Einstellung: Fortbildung – die weiß, wo es langgeht. Gleich in die Kartei freiberuflicher Mitarbeiter aufnehmen und Vermerk ’Gastronomie’ nicht vergessen. Wenn da mal was kommt, rufst Du die an und sie kellnert gerade. Die Übersetzung wird sie nebenher mit links ausführen. So flexibel wie die als Kellnerin ist...Da muß sie ja auch Bestellungen aufnehmen und gleichzeitig abräumen. Ich glaube, das passt!

      Kapitel 5: Und wenn sie gerade kellnert?

      Oder hat sie Übersetzer mit Dolmetscher verwechselt? Da sollte man nicht zu pingelig sein. Klar, das ist die Erklärung. Wenn die gerade kellnert, hat sie ja im Fall des Falles kein Wörterbuch zur Hand. Da rufe ich den Kunden an und erkläre ihm, dass die Übersetzung heute fernmündlich kommt. Da muß der eben auch beweglich sein. Das kann man verlangen.

      Heute rief eine charmante Dame an. Erstaunlich, wie viele Leute gleich auf mein Büro aufmerksam werden. Dieser Bummel-Student aus dem Badischen muß meine provisorische Schmalspur-Website gut angemeldet haben. Sie sei von einer Schule, bei der ’baulicherseits einiges im Argen liege’ – das habe ich ja vermutlich auch den Medien entnommen, daß es um den baulichen Zustand unserer Schulen nicht zum Besten stehe – und nun suche man Sponsoren, die sich an den Renovierungskosten beteiligen, vielleicht auch an Sportgeräte-Ausstattung (Fußbälle). Da wolle sie einfach einmal anfragen, ob ich mich beteiligen wolle und auf diese Art meinen guten Namen...

      Da war ich aber beeindruckt! Woher die mich kennt? Da ist man im ersten Moment schon überrascht. Und dann noch der Hinweis auf meinen guten Namen. Muß sich ganz schön rumgesprochen haben, meine Existenz-Gründung. Ich habe natürlich so getan, als würde ich ein grösseres, termingebundenes Übersetzungsprojekt unterbrechen, einmal kurz bedeutungsschwer und gut hörbar aufgeseufzt (Um was geht es denn? Passt gerade nicht wirklich, aber den Anruf kann ich gerade noch einschieben). Die Erfahrung des Gespräches mit ihr muß ich gleich weitergeben.

      Aufgemerkt:

      Falls Vertreter von Schulen oder ähnlichen Institutionen anrufen und dich als Sponsorin oder Sponsor werben wollen: Gehe darauf ein! Die damit verbundene Imagesteigerung kann man kaum hoch genug schätzen. Wenn du Glück hast, erscheint dein Name in der Schülerzeitung in einer Fußnote:

      ’Wir danken Büro X für die Spende von 10 Fußbällen oder Büro Y für die Beteiligung an

      der Erhaltung der Bausubstanz.’ Bedenke die hohe Auflage solcher Zeitungen. Vielleicht ist es auch einem kleinen Lokal-Redakteur eine noch kleinere Meldung wert, wenn er einen guten Tag hat.Hier das Geld zusammenzuhalten, wäre ganz verkehrt. Du bist schließlich in der Anfangs- und Aufbauphase. Zum Aufbau gehört auch das Image. Wenn du zuviel springen lässt, stellt sich zwar mit Sicherheit ein finanzieller Engpaß ein. Aber an dem kommst Du sowieso nicht vorbei.Spende grossherzig, zumal solche Instandhaltungsarbeiten ja eigentlich zu den kommunalen Aufgaben gehören oder die Landespolitik sich darum kümmern sollte. Da kannst du als Dienstleister ruhig mal einspringen, wenn die gerade andere Prioritäten haben. Eine Hand wäscht die andere!

      Nun – aus Erfahrung – noch eine Erklärung zu dem Hinweis auf den ’guten Namen’.

      Zweifele nicht daran, daß sie es ernst meint. Wenn du dir in so kurzer Zeit einen guten Namen gemacht hast, dann verdienst du das auch. Wieso sollte sie dir auch Honig um den Bart schmieren wollen? Zeige durch deine übertriebene Spende gleich, daß der gute Name mehr als berechtigt ist. Setze noch einen drauf und frage sie, ob sie nicht auch noch jemand in der eigenen Verwandtschaft kennt, der sich in einer Notlage befindet.Wenn man mit deinem Unternehmen’soziales Engagement’ verbindet, kann dir das nur recht sein. So zeigst du nebenbei deine Vielseitigkeit: Du hättest auch das Zeug zum Sozialarbeiter. Davon abgesehen: Wer da spendet, der kann es sich leisten. Dessen Firma muss folglich florieren, folglich gute Arbeit leisten ...Ganz schön scharfsinnig, wie?!

      Kapitel 6: Ganz schön clever

      Die Wochen vergehen wie im Flug. Nun habe ich also auch schon Aufträge außer Haus vergeben. Ich kann es kaum glauben. Da darf man nicht zu zimperlich sein. Schon clever, wie ich gleich erkannt habe, daß ich auf diese Art mein Angebotsspektrum erweitern kann. War etwas aufgeregt, als ich ’Beatrice aus Catania’ den Auftrag gab. Ich kannte sie ja gar nicht, aber so lernt man sich kennen und das ist unbedingt sinnvoll. Ich sage nur eins: Völkerverständigung!

      Ein gutes Gefühl, als ich ihre Bewerbung las: ’An die Geschäftsleitung.’

      Wer sagt es denn! Das habe ich mir gleich zweimal laut vorgelesen: An die ’Geschäftsleitung’...Die meinte mich! Wen auch sonst? Ist ja sonst niemand da. Ein rasanter Aufstieg. Vor kurzem noch arbeitssuchend und jetzt schon Geschäftsführer, mein eigener Chef! Ich warte auf den Tag, an dem ich meinen eigenen Urlaubsantrag abzeichne: (Kritsch musternder Blick, wobei ich mich gleich danach wieder in den Wirtschaftsteil der FAZ vertiefe): ‘Und Sie meinen, Sie haben U r l a u b verdient?‘ Ich habe keine Vorgesetzen mehr. Natürlich habe ich Beatrice gleich ausführlich geantwortet, den Eingang bestätigt und ihr zugesichert, daß ihre Kontaktdaten in meine Datenbank aufgenommen werden. Das wird ihr imponiert haben. Als dann die Anfrage kam, rief ich bei ihr zu Hause in Italien an. Vorher habe ich noch nachgeprüft, was ’Geschäftsführer’ auf Italienisch heißt:

      ’Gerente’, ’Amministratore.’ Solche Worte hat man einfach parat. Nach einigem Nachdenken habe ich mich für den zweiten Ausdruck entschieden.

      Am Telefon war aber nicht Beatrice, sondern ’Antonio’, ihr Bruder. Er sprach mit starkem Akzent und war nur bedingt zu verstehen. Der hat bestimmt einen eher praktischen Beruf. Sprachliche Verständigung schien nicht seine Stärke. Nach kurzer Zeit schrie er regelrecht und ich mußte den Hörer ein Stück weit weghalten. Irgendwann kam sie dann und man hörte im Hintergrund lebhafte häusliche Szenen. (So erweitert man ganz nebenbei seine interkulturelle Kompetenz.) Ob ich ein falsches Wort erwischt habe? Ein Missverständnis? Nun denn. Auf jeden Fall erkannte sie mich nach einiger Zeit und konnte sich nach 10 Minuten sogar an ihre Bewerbung erinnern: Den Auftrag könne sie natürlich übernehmen. Wir wurden uns schnell einig,

      Einige Tage später rückte der Abgabetermin immer näher. Von Beatrice bzw. ihrer Übersetzung war keine Spur zu sehen...Sollte da etwas verloren gegangen sein? Sizilien ist schließlich eine Insel. Wer weiß, wie die da die Internetkabel verlegen. Ich rief also wieder an. Erfreulich war, daß Antonio mich gleich an der Stimme erkannte. Er zeigte dies durch Schreien. Irgendwann hatte ich den Eindruck, daß er mich verdächtigte. Er ließ sich dann aber doch bewegen, Beatrice zu rufen. Sie kam, etwas atemlos und ließ einen Wortschwall los: Es sei etwas S c h r e c k l i c h e s geschehen, ein Cousin von ihr sei plötzlich verstorben. Und da habe sie auf die Beerdigung gemusst. Deshalb sei sie noch nicht fertig, dafür habe ich doch bestimmt Verständnis, oder? Ich habe sie natürlich sofort beruhigt. Als Unternehmer hat man nicht zuletzt eine soziale Verantwortung. Der Cousin geht vor (auch, wenn er jetzt nicht mehr gehen kann). Der Kunde wird das auch so sehen. Es geht doch nichts über einen verständnisvollen Geschäftsführer. Mir schien regelrecht, wie sie um einige Kilo leichter wurde, vor lauter Erleichterung. Ich gab ihr also einen Aufschub von 1 Tag.

      Wie schwer von Begriff manche Leute sind: Ich rief meinen Kunden gleich an und informierte ihn detailliert über den Unglücksfall und was macht er? Statt mir für meine gewissenhafte Erklärung zu danken (ich hätte ihn ja auch schmoren lassen können), brüllt er (!), er kenne diesen Herrn Cousin nicht, hege auch keine Absicht die Familie kennenlernen, er wolle einzig und allein die zugesagte Übersetzung!!! Wie soll Europa da zusammenwachsen?! Was für ein Egozentriker!


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