Adrian Babelssohn. Paul Baldauf
am Rande erwähnt, um Verständnis zu erlangen. Von einem Kennenlernen des Cousins war doch gar nicht die Rede! Wäre ja auch schwer umzusetzen. Einen Tag später lieferte Beatrice endlich die Übersetzung. Was für eine Erleichterung. Doch als ich die Fußnote las, war ich im ersten Moment bestürzt: Einen Absatz habe sie weggelassen, es habe einfach die Zeit gefehlt. Ich hätte sicher schon gehört, wie man in Sizilien Beerdigungen vorbereitet und bei dem ganzen Besucherandrang der Verwandtschaft habe sie sich am Ende kaum noch konzentrieren können. Sie sei froh, überhaupt so weit gekommen zu sein. Die Argumentation hatte etwas für sich. Ich habe daraufhin den Kunden nochmals angerufen und versucht, ihm einen interkulturellen Einblick zu geben, damit er den Fall auch einmal aus der Sicht von Beatrice sieht. Schließlich will man Frieden. Der brüllte aber schon wieder und unterstrich, daß ihn ihre Verwandtschaft herzlich wenig interessiere. Also, wenn jeder so denken würde! Von dem fehlenden Absatz habe ich nichts gesagt. Sonst brüllt der noch mehr und das ist ungesund. Der Kunde soll mir ja erhalten bleiben. Falls er es doch noch merkt, rufe ich eben wieder an oder sage, daß der Absatz unterwegs verloren gegangen sein muß. Kein Wunder, bei der Entfernung. Das läßt sich sicher nacharbeiten.
Diese Beatrice beschäftigt mich ganz schön...Jetzt wollte ich ihr das Geld überweisen.
Die Angestellte meiner Bank monierte, es fehlten wichtige Angaben: BIC und IBAN.
Erkläre mal derartige Abkürzungen einer Sizilianerin, geschweige denn diesem Antonio.
Im Fachwörterbuch fand ich die Übersetzung gar nicht. Ich griff zum Telefon.
Die Telefonkosten kann ich ja locker von der Steuer absetzen, zumal ich voraussichtlich gar keine zahle.
Kapitel 8, oder: BIC
Beatrice war natürlich nicht da. Stattdessen – wenn ich richtig verstanden habe – die Mutter. Ob ich der Verlobte sei? Und dabei so ein argwöhnischer Unterton in der Stimme. Ich dachte, ich höre nicht recht! Da ruft man als Geschäftsführer wegen BIC und IBAN an und die übersetzt das mit Verlobter. Ich habe also immer wieder BIC, BIC, BIC und IBAN gesagt. Klang schon etwas komisch. Dann legte sie plötzlich auf. Unverständlich. Daraufhin habe ich Beatrice Eine e-mail geschickt und sie gebeten, mir diese BIC und IBAN mitzuteilen. Schon nach 8 Tagen kam die Antwort. Sie sei bei einer kleinen Bank (schon der Vater ihres Onkels Vicenzo habe da gearbeitet) und da habe man andere Bezeichnungen. Nun, denn – Hauptsache, die Überweisung geht raus. Was kümmert mich, ob die das BIC und IBAN oder IWAN oder sonst wie nennen. Die Überweisung an sie habe ich dann gleich ausgefüllt, als das Geld vom Kunden da war. Überrascht war ich nur, dass der Kunde die Rechnung um 10 % gekürzt hat. Ganz schön spontan, der Mann. Ich habe dann nachgerechnet und gesehen, daß das genau der Länge des fehlenden Absatzes entsprach. Da hat der aber auch penibel nachgerechnet. Das mußte ich Beatrice noch erklären.
Drei Tage später rief mich meine Bank an und sagte, die von Beatrice genannten Abkürzungen seien in Mittel- und Westeuropa unbekannt. Was sollte der Hinweis auf Mitteleuropa? Sie habe überall nachgefragt, kein Mensch wisse, was die bedeuten, auf jeden Fall würden sie – dies sehe man schon an der Länge – nicht IBAN und BIC entsprechen.
Die reiten da aber auch ganz schön drauf rum! Also, gut: Was blieb mir anderes übrig: Ich griff wieder zum Telefon. Und wer antwortet mir? Dieser Antonio...Ich riefe ganz schön oft an in letzter Zeit, ob dies etwas zu bedeuten habe? Was für eine Frage! Natürlich, sagte ich ihm, es habe etwas zu bedeuten: Es ginge um BIC und IBAN. ‘Um was? HE???‘
Der hatte also auch noch nie etwas von den beiden gehört, genau wie meine Bank-Sachbearbeiterin von den italienischen Abkürzungen. Antonio verstand dann irgendwann ’big’, bis ich ihm erklärte, dass ich nicht das englische big = groß meine. Aber es war zwecklos. Er fragte immer wieder mit unangenehm schriller Stimme: ’Who is Iwan???’, your name is Iwan?’, was etwa so klang: ’Huuu-e iss-e dis-e Iwan? Juuer Näeme isse Iwane?’
Irgendwann wußte ich mir nicht mehr zu helfen und legte auf.
Was tun? Ich habe dann gar nicht mehr lange gefackelt, einen Hesse-Band (Titel: Dank an Goethe) aus dem Regal geholt und die Geldscheine für Beatrice zwischen Seite 80 und 81 gelegt. Eine schöne Karte mit einem schönen Sinnspruch dazu und ab die Post.
Eine Woche später bekam ich eine E-mail von Beatrice. Sie danke sehr für das Buch von Hesse, das sie sehr überrascht habe. Sie habe es gleich gelesen. Sie wolle wirklich nicht unhöflich sein, nur wäre sie dankbar, wenn ich jetzt bald auch das Geld überweisen könnte.
Zum Glück gibt es E-mail. Ich habe ihr umgehend geschrieben und sie gebeten, auf Seite 80 nochmals nachzusehen. Ich bekam postwendend Antwort von einem Herrn Mailer-Daemon, die E-mail-Adresse sei unbekannt.
Was nun? Zum Glück gibt es Telefon! Ich rief abends an und wurde auch gleich mit Antonio verbunden. Wie schön. Es kam mir schon fast so vor, als gehöre er zur Familie. Er schrie etwas von ’partita’, er könne jetzt nicht, ich solle morgen anrufen. Dann legte er auf. Dabei wollte ich doch gar nicht mit ihm sprechen...Geduld! Ich schlug also im Wörterbuch nach und fand ’partita iva = Mehrwertsteuer’. Was meinte er damit? Überweisungen ins ’Ausland’ sind doch von der Mehrwertsteuer befreit! So viel wusste ich schon. Außerdem hatte ich doch gar nicht überwiesen, sondern das Geld im Buch geschickt. Sicherheitshalber schlug ich nochmals in einem anderen Wörterbuch nach, bis ich den Hinweis auf ’partita = Fussballspiel’ fand...
Na, also. Das war doch unmittelbar nachzuvollziehen. Der gute Antonio hatte sich gerade ein Fußballspiel angesehen, als ich anrief. Verständlich, daß er da seine Ruhe haben wollte. Ich wünschte ihm rückwirkend einen schönen Abend und eine herbe Niederlage der von ihm favorisierten Mannschaft. Die Verhandlungen zogen sich dann noch eine Weile hin. Später kam heraus, daß Beatrice das Buch gar nicht gelesen hatte und das Geld doch angekommen war. Das müssen die vielzitierten Anfangsschwierigkeiten sein. Nur Mut!
Kapitel 9: Das kommt mir aber spanisch vor
Heute bekam ich einen spanischen Text. Der kam mir aber auch spanisch vor!
Ich habe gleich einen Fachübersetzer kontaktiert, der auch vor Gericht dolmetscht.
Auf meine Frage, ob er den Auftrag übernehmen könne, ob er mit dem Gebiet vertraut sei, meinte er (und es klang, als ob er müde lächle): Solche Dokumente seien ’sein tägliches Brot’.
Donnerwetter, der muss aber Aufträge haben...Täglich ein solches Brot...Dann doch lieber ’tapas.’
Schon wieder Freitag. Noch halte ich mich auf dem Markt. Respekt! Ich könnte glatt den Hut vor mir ziehen, wenn ich einen aufhätte. Vorhin rief eine Dame an und fragte: ‘Spreche ich mit Herrn Babelssohn persönlich?‘ Was für eine Frage. Vielleicht unpersönlich oder wie?
Ich blieb höflich, tat so, als stelle ich durch, meldete mich mit verstellter Stimme und bestätigte ihre Frage. ‘Also spreche ich mit dem Geschäftsführer?‘ Dann ließ sie die Katze aus dem Sack: Ob ich mir schon mal Gedanken über die Höhe meiner Krankenkassen-Beiträge gemacht habe? Sie könne mir da ein interessantes Angebot..., man wäre auch gerne bereit, einmal vor Ort, in Ihrer Firma, zu einer Ihnen genehmen Geschäftszeit....Ich sagte ihr, ich käme gar nicht dazu, mir darüber Gedanken zu machen: Zu viel zu tun! Da habe ich aber geblufft. Die war bestimmt beeindruckt. Man weiß ja nie, ob die nicht mal als Kundin in Frage kommt.
Aufgemerkt:
Bei Anfragen dieser Art Entgegenkommen zeigen. Gleich einen Termin vereinbaren und die Vertreter in die Firma kommen lassen. Da sehen die vor Ort, dass der Firmensitz im 2. Stock und das Büro im Wohn- oder Schlafzimmer untergebracht ist. Das wirkt ehrlich. Und darauf kommt es ja an, daß wieder Ehrlichkeit und Seriosität Einzug hält.Die Tatsache, daß der Kleiderschrank neben dem Computer steht, kann nur von Vorteil sein. So etwas spricht sich herum und