Sky-Navy 01: Die letzte Schlacht. Michael Schenk
stand es vor neuen Herausforderungen.
„Ein zweiter kolonialer Krieg?“ Sung-Li lachte. „So ein Unsinn. Im Gegenteil, die Gefahr eines erneuten Krieges wird durch den Hiromata-Antrieb immer weiter sinken. Wer es will, der kann sich jetzt ein Raumschiff besorgen und sich seine eigene Welt suchen. Es geschieht doch schon. Immer mehr Gruppen machen sich auf den Weg, ihr eigenes Paradies zu finden.“
„Ich rede nicht unbedingt von einem zweiten kolonialen Krieg“, knurrte Grantner. Er deutete auf die große Panoramascheibe und Arantes II. „Verdammt, Sung-Li, wir sind nicht alleine da draußen. Wir sind auf das intelligente Volk der Hanari gestoßen. Glücklicherweise friedliebende Leute. Aber es wäre vermessen zu glauben, dass es nicht auch ein anderes Alien-Volk gibt, welches uns möglicherweise nicht so wohlgesonnen ist.“
Der Hoch-Koordinator stieß ein geringschätzendes Schnauben aus, doch Sub-Admiral Tareschkova pflichtete dem Major bei. Im Gegensatz zu ihren Gesprächspartnern war sie, da sie eine der drei Außenbasen des Direktorats befehligte, vom Oberbefehlshaber der Sky-Navy in einem persönlichen Gespräch über eine Tatsache informiert worden, die man geheim hielt: Die Sky-Navy unterhielt Kontakt zum Volk der Shanyar, auf deren Welt man durch Zufall gestoßen war. Die Aliens verfügten über reiche Vorkommen des kostbaren Hiromata-Kristalls. So hatte der Hohe Senat zugestimmt, die Existenz der Shanyar geheim zu halten, denn man wollte vermeiden, dass dieses Volk der Habgier der Menschen zum Opfer fiel.
Major Jochen Grantner schätzte die Geringschätzung nicht, mit der Sung-Li das Thema abtat. „Je schneller und unkontrollierter sich die Menschheit in den Raum ausbreitet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, auf andere intelligente Aliens zu stoßen. Früher oder später sind wohl welche dabei, die uns nicht mit einem Lächeln begegnen. Es ist keine Frage des „Ob“, sondern eine Frage des „Wann“. Es wäre gut, wenn wir dann darauf vorbereitet sind.“
Sung-Li lächelte. „Dann wird Arantes wohl nur schlecht vorbereitet sind. Sicher, die Basis ist großzügig angelegt, doch, seien wir ehrlich, ihre personelle und materielle Ausstattung ist, äh, bescheiden. Keine Tausend Leute in einer Station, welche die zehnfache Zahl unterbringen und versorgen könnte. Und die Schiffe, die Ihnen unterstellt werden, Sub-Admiral,…“
„Fühlen Sie sich unterfordert, Hoch-Koordinator?“, fragte Helena scheinbar besorgt.
Sung-Li sah sie irritiert an. „Arantes ist eine Aufgabe, aber sicherlich keine Herausforderung für mich“, stellte er mit einem Blick fest, der seine Arroganz widerspiegelte.
Helena nickte bedächtig. „Ich bin der gleichen Meinung, verehrter Sung-Li. Als Hoch-Koordinator sind Sie auf Arantes sicherlich unterfordert. Es wäre wohl angemessen, Ihnen eine Aufgabe an einem anderen Ort zuzuweisen, der eher Ihrer hohen Qualifikation entspricht. Ich denke, ich werde das veranlassen und als Ersatz einen Sub-Koordinator anfordern, der Ihre Aufgaben hier sicherlich problemlos übernehmen kann.“
Während Sung-Li´s Gesicht rot anlief, konnte sich Grantner ein Grinsen nicht verkneifen und versuchte dies hinter vorgehaltener Hand zu verbergen. Er gönnte dem arroganten Kerl die Abfuhr und dachte bei sich „Treffer und versenkt“.
„Das… wird nicht erforderlich sein“, erwiderte der Hoch-Koordinator, der nun begriff, dass er zu weit gegangen war. „Möglicherweise habe ich mich ein wenig missverständlich ausgedrückt. Äh, alleine die Errichtung von Arantes beweist, dass man uns eine beachtenswerte Bedeutung beimisst.“
„Bislang gab es nur drei Navy-Basen inklusive der des Mars“, führte Helena an. „Alle drei bilden ein ungleichmäßiges Dreieck. Mit Arantes liegt Sol nun im relativen Mittelpunkt der außersolaren Haupt-Stützpunkte. Wir decken dabei einen Sektor ab, der bisher vernachlässigt wurde, der aber mit der sich ausweitenden Raumfahrt an Bedeutung gewinnt. Natürlich ist in unserem Zuständigkeitsbereich noch nicht viel los. Es sind erst ein paar Vermessungsschiffe und Prospektorenteams bei der Arbeit, aber ich bin mir sicher, dass es hier bald Schürfer und Abbaumissionen geben wird. Vielleicht sogar die ersten Kolonien. Sobald das der Fall ist, wird man uns auch mehr Schiffe zuteilen.“ Sie lächelte Grantner an. „Und mehr Truppen.“
Der Major erwiderte ihr Lächeln. „Darf ich fragen was uns das Sky-Command der Navy an Schiffen zubilligt?“
„Ich habe vorhin die vorläufige Liste von Hoch-Admiral Redfeather bekommen. Wir bekommen vier der neuen Kreuzer der APS-Klasse. Assault-Patrol-Ships, die sich bereits im Kampf gegen die schwarze Bruderschaft der Piraten bestens bewährt haben. Dazu acht der älteren Kreuzer und zwei Dutzend FLV-Landungsboote mit Hiromata-Antrieb.“
„Keinen Träger?“, hakte Grantner nach.
„Nein, kein Trägerschlachtschiff.“
Sung-Li verzog sein Gesicht zu einem spöttischen Lächeln, verzichtete jedoch auf einen Kommentar.
Helena warf ihm einen bösen Blick zu. „Es ist nicht erforderlich, einen Träger bei uns zu stationieren. Dank des Hiromata kann ein Trägerschlachtschiff jeden beliebigen Ort in acht Stunden erreichen. Es spielt also keine Rolle, von welcher Basis es startet.“
Der Oberkommandierende der Sky-Navy, Hoch-Admiral Redfeather, hatte dieses Argument genutzt und Helena musste es als Faktum anerkennen. Dennoch hätte sie selber gerne eines oder zwei der neun gewaltigen Schiffe auf Arantes stationiert gesehen.
Die einstigen Archen hatten eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Nach der Evakuierung der Erde dienten sie als stationäre Wohnanlagen im Marsorbit oder wurden zu Verhüttungsfabriken umgebaut, die man im Asteroidengürtel einsetzte. Während des Krieges baute man sie zu Trägerschlachtschiffen um. Nach Friedensschluss wurden sie wieder stillgelegt, bis sie für die Rettungsaktion des Hanari-Volkes benötigt wurden. Jetzt, mit dem Nullzeit-Sturzantrieb, fanden die neun noch existierenden Riesen einen neuen Verwendungszweck: Innerhalb von acht Stunden konnte man jedes in Not geratene Raumschiff oder jede von einer Katastrophe betroffene Welt erreichen. Nun transportierten die Träger nicht nur militärisches Personal und Equipment, sondern Einsatzmittel zur Bekämpfung von nahezu jeder Art von Notsituation. Die Truppen an Bord verfügten über eine entsprechende zusätzliche Ausbildung und hatten sich schon bei manchem Rettungseinsatz bewährt.
Major Jochen Grantner räusperte sich. „Wie sieht es mit der Cav aus?“
„Es bleibt bei Ihren drei Kompanien, Major. Ich weiß, auf Arcturus und Riegel sind jeweils mehrere Regimenter der Raumkavallerie stationiert, aber Sie müssen mit einem Bataillon Vorlieb nehmen.“ Sie legte die Hände flach auf die Schreibunterlage. „Die Aufgabe von Arantes wird es sein, diesen Sektor zu patrouillieren. Dafür reichen unsere Kräfte allemal aus. Sollten wir tatsächlich einmal Unterstützung benötigen, ist sie ja innerhalb weniger Stunden bei uns.“
Der Major lächelte schwach. „Ich war bei der Evakuierung der Hanari und bei zwei Katastropheneinsätzen dabei. Glauben Sie mir, Ma´am… Wenn es darauf ankommt, dann können acht Stunden verdammt lange sein.“
Kapitel 3 Die Beobachter
Nicht-kommerzielles Forschungsschiff S.R.S. Caroline Herschel, im freien Raum, 37,6 Lichtjahre von Sol entfernt
Die im Jahr 1848 verstorbene Astronomin Caroline Herschel hatte sich zu ihren Lebzeiten sicherlich nie träumen lassen, dass es einmal ein Raumschiff geben könnte, welches ihren Namen trug und dessen Besatzung der gleichen Leidenschaft frönte, nämlich der Beobachtung und Vermessung der Sterne. Die „Caro“, wie sie von ihrer Mannschaft genannt wurde, war ursprünglich ein Landungsboot der Sky-Cavalry gewesen, doch nach dem Ende des kolonialen Krieges und der erfolgreichen Rettungsmission für das außerirdische Volk der Hanari, hatte die Raumkavallerie das „Troop Landing Vehicle“ ausgemustert. Viele der TLV waren verschrottet worden, doch die TLV 12-56, so ihre ursprüngliche militärische Bezeichnung, war lediglich stillgelegt und im hohen Marsorbit belassen worden.
Mit der Einführung des Hiromata-Nullzeit-Sturzantriebs war der Bedarf an Raumfahrzeugen sprunghaft angestiegen. Der kommerzielle Handel wuchs und es gab sogar die ersten Touristik-Unternehmen, die Flüge zu fernen Sternen