Sky-Navy 01: Die letzte Schlacht. Michael Schenk
Keine zeitraubenden Flüge mehr, auf denen man Quartiere und umfangreiche Vorräte benötigte. Im Prinzip reichten nun ein paar bequeme Sitze und eine Bordtoilette aus, um genügend Komfort für die Reise zwischen den Welten verfügbar zu haben.
Theoretisch konnte man jeden beliebigen Punkt in der Galaxis anfliegen, doch niemand war dumm genug, das zu versuchen. So sicher der Hiromata auch zu sein schien, niemand konnte garantieren, dass er nicht doch einmal ausfiel. Es war keine angenehme Vorstellung, hunderte oder tausende Lichtjahre entfernt zwischen den Sternen zu stranden, und nur einen Überlichtantrieb verfügbar zu haben, mit dem die Rückreise Generationen dauern würde.
Die Grundlage für interstellare Navigation waren exakte Karten. Alles in der Galaxis war in Bewegung. Kein Stern und kein Planet behielt seine Position statisch bei. Planeten kreisten um ihre Sonnen, Sonnensysteme bewegten sich mit anderen Sonnensystemen innerhalb ihrer Galaxie und die Galaxien wiederum bewegten sich innerhalb ihres Universums. Diese „natürlichen“ Bewegungsabläufe hätten dem legendären Albert Einstein vielleicht zu denken gegeben, hätte er damals bereits gewusst, dass sich manche Sonnensysteme, in Relation zueinander, mit relativer Überlichtgeschwindigkeit bewegten. Die Berechnungen der Bewegungen waren kompliziert, jedoch nicht unlösbar, und so gab es einen ganzen Schwarm von Forschungs- und Vermessungsschiffen die jene Karten und Daten ermittelten, die für die interstellare Raumfahrtnavigation unabdingbar waren.
Das „Scientific Research Ship Caroline Herschel“ war für genau jene Aufgabe reaktiviert und umgebaut worden. Aus dem ehemaligen Landungsboot vom Typ „Troop Landing Vehicle“ (TLV) war ein sogenanntes „Fast Landing Vehicle“ (FLV) geworden. Nunmehr als „schnelles Landungsboot“ bezeichnet, war sie in Wirklichkeit ein sehr kompaktes und leistungsstarkes Raumschiff. Seine militärische Herkunft und ursprüngliche Aufgabe, Menschen schnell und sicher auf einem Planeten zu landen oder von diesem abzuholen, würde die Caroline Herschel niemals leugnen können. Sie war keine Schönheit und ihre Eleganz bestand allenfalls in der Zweckmäßigkeit ihres Designs.
Das ursprüngliche Landungsboot vom Typ TLV war rund fünfunddreißig Meter lang, fünfzehn breit und knappe acht Meter hoch gewesen. Jetzt, als FLV, war es fünfzehn Meter länger. Man hatte es in der Mitte praktisch auseinander geschnitten, um dort Raum für den Hiromata-Antrieb und dessen Energieversorgung zu schaffen. Der Rumpf wirkte daher massig und gedrungen, die Bauchseite war sanft gerundet und wirkte als Tragfläche. Sie war mit Hitzekacheln bedeckt, die in dunklem Grau schimmerten. Es gab keine Flügel, nur ein V-förmiges Leitwerk auf dem Heck, welches bei Bedarf abgesenkt oder ausgefahren werden konnte. An den Flanken und der Oberseite waren die ausladenden Schächte der vier Staustrahltriebwerke zu sehen, welche den Flug in nahezu jeder Atmosphäre ermöglichten. Am Heck befand sich eine breite Rampe, an der Backbordseite die kleine Mannschleuse für die Flugbesatzung. Die voll verglaste Kanzel am Bug war ein wenig nach Links versetzt. Neben ihr befand sich die tonnenartige Hülle, welche ursprünglich eine schwere Gatling-Revolverkanone geschützt hatte und nun ein leistungsstarkes Abtastgerät enthielt. Oben auf dem Rumpf war nachträglich die Kuppel eines großen astronomischen Fernrohrs, mitsamt zweier parallaxen Kameras, montiert. Ihre stereoskopischen Aufnahmen ermöglichten exakte Entfernungsbestimmungen. Im Grunde handelte es sich hierbei um zwei extrem hochauflösende Fernrohre mit eingebauten Kameras, die mit einigem seitlichen Abstand zueinander montiert und auf das Ziel ausgerichtet wurden. Brachte man ihre Bilder exakt zur Deckung, so entstand eine Triangulation, die für die genaue Berechnung der Entfernungen genutzt wurde.
Ursprünglich in militärischen Farben lackiert, zeigte der Rumpf nun eine interessante Mischung aus Neongrün und Neonrot, den Farben der Mars-Universität, denn die „Caro“ war im Auftrag ihrer astronomischen Fakultät unterwegs.
Die Vermessung des zugewiesenen Sektors nahm Zeit in Anspruch und man ging davon aus, dass sich die Caroline Herschel mindestens drei Monate in dem betreffenden Gebiet aufhalten würde, bis sie zum Mars zurückkehren konnte. Eine sehr lange Zeit, wenn zehn Menschen auf engem Raum zusammenleben mussten, den sie zudem noch mit den zahlreichen Instrumenten und Hochleistungs-Tetroniken teilen mussten, die für ihre Arbeit unerlässlich waren.
Die Besatzung bestand aus Pilot, Co-Pilot und Bordtechniker sowie Professor Bill Henridge und sechs Doktoranden der Universität. Obwohl die „Caro“ relativ groß und ursprünglich für den Transport von Hundert voll ausgerüsteten Sky-Troopern vorgesehen war, bot sie ihren derzeitigen zehn Benutzern nur das absolute Minimum an Komfort.
Das Forschungsschiff war erst seit fünf Wochen unterwegs und für Professor Henridge zeichnete sich ab, dass man die Mission wohl vorzeitig abbrechen oder zumindest unterbrechen musste, denn die Spannungen an Bord nahmen zu. Es gab keine Intimsphäre, von der kleinen Bordtoilette einmal abgesehen, und kaum Möglichkeiten zur Entspannung. Die Männer und Frauen arbeiteten in zwei Schichten und teilten sich nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die Kojen, die in dem kleinen Schlafraum eingebaut worden waren. Die gute Verpflegung konnte dafür nicht entschädigen, zumal sie in dem kleinen Raum eingenommen werden musste, der als Küche diente, und in dem man auch die Freizeit verbringen musste.
Bill Henridge hatte gerade einen kurzen Blick ins Cockpit des Schiffes geworfen. Die dreiköpfige Crew gab sich den Anschein konzentrierter Arbeit, aber Henridge wusste, dass sich die beiden Pilotinnen und ihr Techniker entsetzlich langweilten. Seit Wochen flogen sie mit gleichbleibender Geschwindigkeit, damit die Scanner und astronomischen Geräte störungsfrei arbeiten konnten. Dabei folgte die Caroline Herschel einem Raster, welches nur selten eine Kurskorrektur erforderte. Wie sehr sich die Besatzung langweilte war schon an der Sorgfalt zu erkennen, mit der sie sich der Pflege der Maschinen widmete. Henridge war sich sicher dass die Sauberkeit und Pflege an Bord sogar die auf einem Navy-Schiff übertraf.
„Irgendetwas Neues?“, fragte er, eher aus Höflichkeit, denn aus Erwartung.
Saunders, die schlanke Pilotin, die ursprünglich bei der Sky-Navy gedient hatte, stieß ein leises Schnauben aus. Obwohl sie längst pensioniert war, ließ der Weltraum sie nicht los und so war sie dankbar gewesen, den Pilotenjob für die Universität annehmen zu können. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich dann an ihre Co-Pilotin, deren Kopf unter dem Virtual-Reality-Helm verschwand. „Jill?“
„Negativ“, kam die knappe Erwiderung. „Keine potenziell gefährlichen Objekte in Sensor-Reichweite.“
„Technik ist okay“, kam die unaufgeforderte Bemerkung des Bordtechnikers. „Allerdings haben wir eine leichte Fluktuation in der Leistung der Klimaanlage. Ihre Geräte erzeugen auf Dauer mehr Wärme als hundert Trooper.“
„Ja, es riecht ein bisschen an Bord“, warf Saunders ein.
Henridge zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich daran.“
„Wie laufen die Vermessungen?“
Der Professor wusste, was sich hinter der Frage der Pilotin verbarg. „Wir werden noch bleiben, Captain. Wir kommen gut voran. Dieser Sektor wurde zwar schon vor uns vermessen und gescannt, aber das geschah eher oberflächlich. Hierher hat sich früher kein Raumschiff verirrt.“
„Wozu auch?“, fragte Saunders rein rhetorisch. „Rohstoffvorkommen und Wasser findet man im Weltraum ja reichlich. Planeten, Asteroiden… Eine lohnende Sache für die Abbaukonzerne. Es gibt mehr Rohstoffe als wir verbrauchen.“
„Mit Ausnahme von einer Sache“, warf die Co-Pilotin ein.
„Ja, mit einer Ausnahme.“ Saunders grinste den Professor an. „Hiromata-Kristalle. Hinter denen ist jetzt jeder her. Ich sage Ihnen, Professor, diese Kristalle sind inzwischen das, was früher einmal Gold oder Diamanten waren. Bald wird es auch hier von Prospektoren wimmeln die nach dem Zeug suchen.“
Henridge blinzelte. „Nun, mag sein. Dafür interessiere ich mich nicht sonderlich.“
„Sollten Sie aber, denn ohne unseren Hiromata-Antrieb wären wir überhaupt nicht hier. Oder erst in etlichen Jahren.“
„Mag sein.“ Der Astronom interessierte sich für die Sterne und dafür, dass er sie überhaupt erreichen konnte, aber kaum für die Mittel, welche ihm das ermöglichten. „Nun, schön, ich gehe dann wieder nach hinten.“
„Wir