Geliebter Prinz. Billy Remie

Geliebter Prinz - Billy Remie


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konnte er seinen Fantasien über den jungen Prinzen nachhängen, ohne die Versuchung direkt vor Augen zu haben. Was auch immer Desiderius in Gedanken mit dem Prinzen anstellte, und ganz gleich, wie sehr er sich nach dem anderen sehnte, sie beide waren weit voneinander entfernt und würden zusammen keine Dummheiten mehr begehen.

      Ob er zur Vermählung seiner Schwester kommen würde, wusste Desiderius auch nicht mehr mit Sicherheit. Vermutlich nicht. Er würde mit Bellzazar den Auftrag erledigen, dem König Bericht erstatten und dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Vielleicht würde er einen anderen Namen verwenden, wenn er als Vagabund herumreiste, damit ihn niemand fand.

      Es war endgültig vorbei, beschloss Desiderius, er hatte das Band zu seiner Familie durchtrennt und würde nie wieder zurückkehren. Er wollte die Enttäuschung seines Vaters nicht in dessen Augen sehen. Und er wollte nicht die Burgfestung betrachten, wissend, dass er sie aufgab, weil er sich von seinem Bruder hatte erpressen lassen.

      Desiderius starrte mit leeren Augen vor sich hin und beobachtete, wie auf dem weichen Waldboden zu seinen Füßen langsam eine Pfütze entstand. Es wurde kühl und der Regen ließ seine Kleidung klamm werden.

      »Habt Ihr Hunger?«, fragte Bellzazar mit einer Führsorge in der Stimme, die nicht zu dem sonst gefühlskalten Halbgott passte.

      Desiderius schüttelte stumm seinen Kopf.

      »Seid Ihr sicher?«, hakte Bellzazar nach und schmunzelte. »Ich könnte uns Kaninchen jagen.«

      »Ich mag kein Kaninchenfleisch«, erwiderte Desiderius abweisend, ohne seinen Weggefährten anzusehen.

      »Ehrlich nicht?« Bellzazar schien schockiert. »Ich liebe Kaninchen.«

      Eigentlich lag Desiderius’ Abneigung gegen Kaninchen auch nicht am Geschmack des Fleisches. Er hatte nur eine geheime Schwäche für die niedlichen, flauschigen Tierchen.

      Als er noch im Kloster gelebt hatte, damals als kleiner Junge, hatte es einen Kaninchenbau im Klostergarten gegeben. Desiderius hatte sich derart einsam gefühlt, dass er anfing, die scheuen Tierchen anzulocken. Die Mutter blieb stets auf Abstand, aber ihre Jungen wurden zutraulich. Sie waren seine einzigen Haustiere gewesen. Bis einer der Priester die Kaninchen entdeckte und beschlossen hatte, Eintopf aus ihnen zu machen. Es war Desiderius’ Schuld, dass die Kaninchen leicht einzufangen gewesen waren, wegen ihm waren sie zutraulich gewesen.

      Als hätte er seine Gedanken gelesen und die Erinnerung mitverfolgt, fragte Bellzazar: »Was ist mit Eichhörnchen? Lust auf Eichhörnchen?«

      Bei den Stämmen der Waldmenschen waren Eichhörnchen das Leibgericht, da es die Tiere im Übermaß im Wald gab. Desiderius war ihr Fleisch nicht fremd, es schmeckte gut.

      Seufzend antwortete er: »Ich habe eigentlich keinen großen Hunger, aber wenn Ihr unbedingt in den Regen hinauswollt, dann ja, Eichhörnchen sind annehmbar.«

      Bellzazar schnaubte erheitert, stellte jedoch fest: »Ihr seid ein sehr grimmiger Mann.«

      »Ich habe nur ein sehr unerfreuliches Leben, das ist alles.«

      »Leben kann man ändern«, gab Bellzazar zu bedenken. Er stand jedoch auf, bevor Desiderius diese Worte hinterfragen konnte. Ohne zu zögern trat der Halbgott mit einem Bogen und wenigen Pfeilen in den Regen hinaus.

      Nachdenklich blickte Desiderius ihm nach, bis er zwischen den Bäumen verschwand und für eine ganze Weile nicht mehr zu sehen war.

      Leben kann man ändern, wiederholte Desiderius grübelnd die Worte in seinem Kopf. Es steckte Wahrheit in ihnen. Er hatte schon immer sein Leben selbst in die Hand genommen, wie damals, als er beschlossen hatte, das Kloster zu verlassen um sich als Gesetzloser durchzuschlagen. Warum sollte es plötzlich anders sein?

      Es war sein Leben und er würde sich keine Sorgen mehr darum machen, wen er enttäuscht hatte und wem er angeblich Treue schuldig war. Desiderius war schon immer besser darin gewesen, nach seinem eigenen Maßstab zu leben.

      Sollte sein Vater doch enttäuscht sein! Sollte Arerius doch die Burg bekommen! Desiderius konnte sich trotzdem in den Dienst des Königs stellen. Als freier Mann, nicht als Lord, der an eine Festung gebunden war.

      Und er würde es tun, weil er es wollte, weil er Nohva liebte und es vor der Habgier einiger Menschen schützen wollte. Er würde es für Nohva und für sich selbst tun. Niemandem sonst war er Treue schuldig! Nur seinem Land und sich selbst.

      ***

      Einige Zeit später hatte der Regen aufgehört und sie hatten ein Feuer entfachen können. Nun saßen sie in der Dämmerung am Feuer, während über den Flammen zwei Eichhörnchen aufgespießt waren, mit denen Bellzazar stolz aus dem Wald zurückgekommen war.

      Desiderius entfernte gerade den Verband um seinen Oberschenkel, um nach seiner Wunde zu sehen, als er zu Bellzazar blickte, der in der Nähe mit dem Rücken zum Lager an einem Baum stand und laut seufzend seine Blase leerte.

      Als der Halbgott zurück zum Lager kam, und dabei seine Hose zuschnürte, schielte Desiderius zu ihm auf und gab zu bedenken: »Euch ist doch bewusst, dass man die Tiere für gewöhnlich häutet, bevor man sie über das Feuer hängt?«

      Der Halbgott ließ sich ihm gegenüber auf der anderen Seite des Feuers auf sein Lager fallen und erklärte: »Dann wird das Fleisch aber zu trocken.«

      Desiderius sah irritiert von seiner Wunde auf. »Ehrlich?«

      Bellzazar nickte. »Glaubt mir, das Fleisch wird sehr saftig sein, wenn es fertig ist.«

      Sein ganzes Leben hatte er sich selbst um sein Essen kümmern müssen und in den Wäldern gelebt, wenn er nicht gerade an der Küste war, aber Desiderius hatte noch nie gehört, dass man die Haut am Fleisch ließ, damit es saftiger blieb. Nun, aber er ließ sich gern eines Besseren belehren, zumal der Halbgott schon seit Anbeginn der Zeit in Nohva verweilte.

      Desiderius widmete sich wieder seiner Verletzung, die zugeheilt und nur ein schwacher Striemen auf seiner blassen Haut war. Er nahm einen seiner Dolche zur Hand und entfernte die Fäden, mit denen der Heiler die Wunde zusammengenäht hatte, damit sie schneller heilen konnte. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn man Desiderius bereits am Abend der Verletzung Blut gegeben hätte, aber unter Adeligen sah man das nicht gerne. Blut zu trinken war zu intim und barbarisch, als dass man es oft guthieß. Die hohe Gesellschaft der Luzianer musste sich damit begnügen, einige Male in einem Jahr statt einem Becher Wein, einen Becher warmes Tierblut zu sich zu nehmen. Eine Schande, denn das Volk der Luzianer wäre sehr viel mächtiger, wenn sie sich nicht so zieren und öfters Blut trinken würden.

      Desiderius hatte diese Zurückhaltung nie verstanden, er liebte es, Blut zu trinken. Direkt aus der Vene, egal ob vom Tier oder Mensch. Doch Desiderius konnte auch nachvollziehen, dass es auf viele Menschen abschreckend und barbarisch wirken musste. Trotzdem gehörte es zu seinem Volk und sie benötigten es zum Überleben, also wollte er auch die Freiheit besitzen, es tun zu dürfen.

      Vielleicht war auch das der Grund, weshalb der junge Prinz ihn nicht in Ruhe gelassen hatte. Er hatte zum ersten Mal die Freiheit gehabt, von einem anderen zu trinken, das musste aufregend für ihn gewesen sein.

      Bellzazar riss ihn aus seinen Grübeleien, als er fragte: »Wie sieht die Wunde aus?«

      »Verheilt«, antwortete Desiderius, als er durch die Flammen hindurch zu ihm schielte.

      Der Halbgott nickte zufrieden. »Ist eine feine Sache, dieses Bluttrinken.«

      »Das könnt Ihr laut sagen«, gab Desiderius zurück.

      »Wusstet Ihr, dass Euer Volk anfangs, als ihr nichts weiter wart als wilde Barbarenstämme, die in Strohhütten lebten, zu jedem Frühlingsanfang, das sogenannte Blutfest gefeiert hat?«

      Desiderius blickte ihn mit offenstehenden Lippen fragend an. »Was war das für ein Fest?«

      Nur zu bereitwillig erklärte Bellzazar: »Es war ein Fest für all jene, die vom Kind über den Winter zum Erwachsenen geworden sind. Sie wurden in den Stamm eingeführt.«

      »Wie feierte mein Volk dieses


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