Jeder stirbt für sich allein. Ханс Фаллада

Jeder stirbt für sich allein - Ханс Фаллада


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      »Junge, Junge, die haben wohl ihren ganzen Wäscheladen mitgenommen!« hat Enno ganz überwältigt gesagt.

      »Red nicht, hilf lieber!« ist des Borkhausens Antwort gewesen. »Bestimmt ist hier noch Schmuck versteckt und Geld – das waren doch früher reiche Leute, die Rosenthals, Millionäre – und du hast von faulen Fischen geredet, Ochse, der du bist!«

      Eine Weile haben die beiden schweigend gearbeitet, das heißt, sie haben immer mehr auf die Erde gerissen, und die hat mit Kleidern und Wäsche und Gerät schon so voll gelegen, daß sie mit ihren Schuhen drauf rumgetreten sind. Dann hat Enno, der vom Schnaps ganz benommen war, gesagt: »Ich seh nichts mehr. Ich muß mir erst ’nen klaren Kopf trinken. Hol mal ein bißchen Kognak aus der Speisekammer, Emil!«

      Der Borkhausen ist ohne Widerrede gegangen und mit zwei Flaschen Schnaps zurückgekommen, und da haben sie sich denn einträchtig zusammen auf die Wäsche gesetzt, haben einen Schluck um den andern getrunken und den Fall ernsthaft und gründlich diskutiert.

      »Das ist klar, Borkhausen, den ganzen Kram kriegen wir so schnell nicht weg, und zu lange wollen wir hier auch nicht sitzen. Ich denke, jeder von uns nimmt sich zwei Koffer, und damit hauen wir erst mal ab. Ich denke, morgen abend kommt wieder ’ne andere Nacht!«

      »Recht haste, Enno, zu lange will ich hier nicht sitzen, schon wegen der Persickes.«

      »Wer ist denn das?«

      »Ach, so Leute … Aber wenn ich denke, ich haue mit zwei Koffern voll Wäsche ab und lasse hier einen Koffer mit Geld und Schmuck stehen, dann möchte ich mir selbst den Kopf abbeißen. Ein bißchen mußte mich noch suchen lassen. Prost, Enno!«

      »Prost, Emil! Warum sollste nich noch ein bißchen suchen? Die Nacht ist lang, und wir bezahlen die Lichtrechnung doch nicht. Aber was ich dich fragen wollte: Wo willst du denn mit deinen Koffern hin?«

      »Wieso? Was meinste denn damit, Enno?«

      »Na, wo du die hinbringen willst? Wohl in deine Wohnung?«

      »Na, denkste, ich schaff sie aufs Fundamt? Klar schaff ich die in meine Wohnung, bei meine Otti. Und morgen früh nischt wie ab damit in die Münzstraße und die ganze Sore verscheuert, damit der Vogel wieder zwitschert!«

      Enno rieb den Korken am Flaschenhals. »Hör mal lieber, wie der Vogel zwitschert! Prost, Emil! Ich, wenn ich du wäre, ich machte das nicht wie du, in die Wohnung und überhaupt bei die Frau – was braucht die Frau von deinen Nebeneinnahmen zu wissen? Nein, ich, wenn ich du wäre, ich machte es wie ich, nämlich, ich gäbe die Koffer auf dem Stettiner in die Gepäckaufbewahrung, und den Hinterlegungsschein, den schickte ich mir selbst, aber postlagernd. Dann könnte nie was bei mir gefunden werden, und keiner könnte mir was beweisen.«

      »Das hast du dir nicht unflott ausgedacht, Enno«, sagte Borkhausen beifällig. »Und wann holste dir den Kram wieder?«

      »Na, wenn die Luft rein ist, Emil, denn doch!«

      »Und wovon lebste solange?«

      »Na, ich hab dir doch gesagt, ich gehe bei die Tutti. Wenn ich der erzähle, was ich für ’n Ding gedreht habe, nimmt sie mich liebend mit beiden Backen auf!«

      »Gut, sehr gut!« stimmte Borkhausen zu. »Und wenn du auf den Stettiner gehst, mach ich auf den Anhalter. Weißte, das fällt weniger auf!«

      »Auch nicht schlecht ausgedacht, Emil, hast auch ein helles Köpfchen!«

      »Man kommt unter Leute«, sagte Borkhausen bescheiden. »Man hört dies und das. Der Mensch ist wie ’ne Kuh, er lernt immer noch zu.«

      »Recht haste! Na, dann prost, Emil!«

      »Prost, Enno!«

      Eine Weile lang betrachteten sie sich schweigend, mit wohlgefälligem Auge, und nahmen ab und zu einen. Dann sagte Borkhausen: »Wenn du dich umdrehst, Enno, es braucht aber nicht gleich zu sein, hinter dir steht ein Radio, der hat mindestens seine zehn Röhren. Den möchte ich mir gerne einpacken.«

      »Das mach, das tu, Emil! Radio ist immer gut, zum Behalten und zum Verkaufen! Immer ist Radio gut!«

      »Na, denn wollen wir mal sehen, ob wir das Ding in einen Koffer verstauen können, und dann stopfen wir Wäsche rundherum.«

      »Soll das gleich sein, oder trinken wir noch einen vorher?«

      »Einen können wir vorher noch genehmigen, Enno. Aber nur einen!«

      Also genehmigten sie einen und einen zweiten und einen dritten, und dann kamen sie langsam auf die Beine und mühten sich damit ab, einen großen Zehn-Röhren-Radioapparat in einen Handkoffer zu packen, der einen Volksempfänger gefaßt hätte. Nach einer Weile angestrengten Arbeitens sagte Enno: »Es geht nich und es geht nich! Laß den ollen Scheißradio doch sein, Emil, nimm lieber ’nen Koffer mit Anzügen!«

      »Meine Otti hört aber gerne Radio!«

      »Ich denke, du willst deiner Ollen von dem ganzen Geschäft nichts erzählen? Du bist ja blau, Emil!«

      »Und du und deine Tutti? Ihr seid ja alle beide blau! Wo haste denn deine Tutti?«

      »Die zwitschert! Ich sage dir, und wie die zwitschert!« Und er reibt wieder den feuchten Korken am Flaschenhals. »Nehmen wir noch einen!«

      »Prost, Enno!«

      Sie trinken, und Borkhausen fährt dann fort: »Aber den Radio, den möchte ich doch mitnehmen. Wenn das olle Dings durchaus nicht in den Koffer rein will, häng ich mir den Kasten mit einem Strick vor die Brust. Dann habe ich die Hände immer noch frei.«

      »Das mach, Mensch. Na, denn wollen wir mal zusammenpacken!«

      »Ja, das wollen wir. Wird Zeit!«

      Aber sie bleiben beide stehen und starren einander blöde grinsend an.

      »Wenn man denkt«, fängt Borkhausen dann wieder an, »es ist doch ein schönes Leben. All diese guten Sachen hier«, er nickt, »und wir können uns nehmen, was wir wollen, und tun noch direkt ein gutes Werk, wenn wir’s so ’ner Jüdschen fortnehmen, die doch alles gestohlen hat …«

      »Da haste recht, Emil – ein gutes Werk tun wir, am deutschen Volk und unserm Führer. Das sind die guten Zeiten, wo er uns versprochen hat.«

      »Und unser Führer hält Wort, der hält Wort, Enno!«

      Sie betrachten sich gerührt, Tränen in den Augen.

      »Was macht ihr denn hier, ihr beide?« klingt eine scharfe Stimme von der Tür her.

      Sie fahren zusammen und erblicken einen kleinen Burschen in brauner Uniform.

      Dann nickt Borkhausen dem Enno langsam und traurig zu: »Das ist der Herr Baldur Persicke, von dem ich dir gesagt habe, Enno! Jetzt kommen die Schwierigkeiten!«

      8

       Kleine Überraschungen

      Während die beiden Betrunkenen so miteinander sprechen, hat sich der ganze männliche Teil der Familie Persicke in der Stube versammelt. Zunächst dem Enno und Emil steht der kleine, drahtige Baldur, die Augen funkelnd hinter der scharf geschliffenen Brille, kurz hinter ihm die beiden Brüder in ihren schwarzen SS-Uniformen, aber ohne Mützen, und nahe der Tür, als traue er dem Frieden nicht ganz, der alte Exkneipier Persicke. Auch die Familie Persicke ist alkoholisiert, aber bei ihr hat der Schnaps eine wesentlich andere Wirkung gehabt als bei den beiden Einbrechern. Sie sind nicht rührselig, dumm und vergeßlich geworden, sondern die Persickes sind noch schärfer, noch gieriger, noch brutaler als in ihrem Normalzustand.

      Baldur Persicke fragt scharf: »Nun, wird’s bald? Was macht ihr beide hier? Oder ist das etwa eure Wohnung?«

      »Aber Herr Persicke!« sagt Borkhausen mit klagender Stimme.

      Baldur tut, als erkenne er den Mann erst jetzt. »Aber das ist ja der Borkhausen aus der Kellerwohnung im Hinterhaus!« ruft er ganz erstaunt seinen Brüdern


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