Die Jungfrau von Orleans. Friedrich Schiller

Die Jungfrau von Orleans - Friedrich Schiller


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      Jeanette, deine Schwestern machen Hochzeit,

      Ich seh sie glücklich, sie erfreun mein Alter,

      Du, meine Jüngste, machst mir Gram und Schmerz.

      RAIMOND.

      Was fällt Euch ein! Was scheltet Ihr die Tochter?

      THIBAUT.

      Hier dieser wackre Jüngling, dem sich keiner

      Vergleicht im ganzen Dorf, der Treffliche,

      Er hat dir seine Neigung zugewendet,

      Und wirbt um dich, schon ists der dritte Herbst,

      Mit stillem Wunsch, mit herzlichem Bemühn,

      Du stößest ihn verschlossen, kalt, zurück,

      Noch sonst ein andrer von den Hirten allen

      Mag dir ein gütig Lächeln abgewinnen.

      – Ich sehe dich in Jugendfülle prangen,

      Dein Lenz ist da, es ist die Zeit der Hoffnung,

      Entfaltet ist die Blume deines Leibes,

      Doch stets vergebens harr ich, daß die Blume

      Der zarten Lieb aus ihrer Knospe breche,

      Und freudig reife zu der goldnen Frucht!

      O das gefällt mir nimmermehr und deutet

      Auf eine schwere Irrung der Natur!

      Das Herz gefällt mir nicht, das streng und kalt

      Sich zuschließt in den Jahren des Gefühls.

      RAIMOND.

      Laßts gut sein, Vater Arc! Laßt sie gewähren!

      Die Liebe meiner trefflichen Johanna

      Ist eine edle zarte Himmelsfrucht,

      Und still allmählich reift das Köstliche!

      Jetzt liebt sie noch, zu wohnen auf den Bergen,

      Und von der freien Heide fürchtet sie

      Herabzusteigen in das niedre Dach

      Der Menschen, wo die engen Sorgen wohnen.

      Oft seh ich ihr aus tiefem Tal mit stillem

      Erstaunen zu, wenn sie auf hoher Trift

      In Mitte ihrer Herde ragend steht,

      Mit edelm Leibe, und den ernsten Blick

      Herabsenkt auf der Erde kleine Länder.

      Da scheint sie mir was Höhres zu bedeuten,

      Und dünkt mirs oft, sie stamm aus andern Zeiten.

      THIBAUT.

      Das ist es, was mir nicht gefallen will!

      Sie flieht der Schwestern fröhliche Gemeinschaft,

      Die öden Berge sucht sie auf, verlässet

      Ihr nächtlich Lager vor dem Hahnenruf,

      Und in der Schreckensstunde, wo der Mensch

      Sich gern vertraulich an den Menschen schließt,

      Schleicht sie, gleich dem einsiedlerischen Vogel,

      Heraus ins graulich düstre Geisterreich

      Der Nacht, tritt auf den Kreuzweg hin und pflegt

      Geheime Zweisprach mit der Luft des Berges.

      Warum erwählt sie immer diesen Ort

      Und treibt gerade hieher ihre Herde?

      Ich sehe sie zu ganzen Stunden sinnend

      Dort unter dem Druidenbaume sitzen,

      Den alle glückliche Geschöpfe fliehn.

      Denn nicht geheur ists hier, ein böses Wesen

      Hat seinen Wohnsitz unter diesem Baum

      Schon seit der alten grauen Heidenzeit.

      Die Ältesten im Dorf erzählen sich

      Von diesem Baume schauerhafte Mären,

      Seltsamer Stimmen wundersamen Klang

      Vernimmt man oft aus seinen düstern Zweigen.

      Ich selbst, als mich in später Dämmrung einst

      Der Weg an diesem Baum vorüberführte,

      Hab ein gespenstisch Weib hier sitzen sehn.

      Das streckte mir aus weitgefaltetem

      Gewande langsam eine dürre Hand

      Entgegen, gleich als winkt' es, doch ich eilte

      Fürbaß und Gott befahl ich meine Seele.

      RAIMOND auf das Heiligenbild in der Kapelle zeigend.

      Des Gnadenbildes segenreiche Näh,

      Das hier des Himmels Frieden um sich streut,

      Nicht Satans Werk führt Eure Tochter her.

      THIBAUT.

      O nein! nein! Nicht vergebens zeigt sichs mir

      In Träumen an und ängstlichen Gesichten.

      Zu dreien Malen hab ich sie gesehn

      Zu Reims auf unsrer Könige Stuhle sitzen,

      Ein funkelnd Diadem von sieben Sternen

      Auf ihrem Haupt, das Szepter in der Hand,

      Aus dem drei weiße Lilien entsprangen,

      Und ich, ihr Vater, ihre beiden Schwestern

      Und alle Fürsten, Grafen, Erzbischöfe,

      Der König selber, neigten sich vor ihr.

      Wie kommt mir solcher Glanz in meine Hütte?

      O das bedeutet einen tiefen Fall!

      Sinnbildlich stellt mir dieser Warnungstraum

      Das eitle Trachten ihres Herzens dar.

      Sie schämt sich ihrer Niedrigkeit – weil Gott

      Mit reicher Schönheit ihren Leib geschmückt,

      Mit hohen Wundergaben sie gesegnet,

      Vor allen Hirtenmädchen dieses Tals,

      So nährt sie sündgen Hochmut in dem Herzen,

      Und Hochmut ists, wodurch die Engel fielen,

      Woran der Höllengeist den Menschen faßt.

      RAIMOND.

      Wer hegt bescheidnern tugendlichern Sinn

      Als Eure fromme Tochter? Ist sies nicht,

      Die ihren ältern Schwestern freudig dient?

      Sie ist die hochbegabteste von allen,

      Doch seht Ihr sie wie eine niedre Magd

      Die schwersten Pflichten still gehorsam üben,

      Und unter ihren Händen wunderbar

      Gedeihen Euch die Herden und die Saaten;

      Um alles was sie schafft, ergießet sich

      Ein unbegreiflich überschwenglich Glück.

      THIBAUT.

      Jawohl! Ein unbegreiflich Glück. – Mir kommt

      Ein eigen Grauen an bei diesem Segen!

      – Nichts mehr davon. Ich schweige. Ich will schweigen;


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