Die Jungfrau von Orleans. Friedrich Schiller

Die Jungfrau von Orleans - Friedrich Schiller


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      Ich kann nichts tun als warnen, für sie beten!

      Doch warnen muß ich – Fliehe diesen Baum,

      Bleib nicht allein, und grabe keine Wurzeln

      Um Mitternacht, bereite keine Tränke,

      Und schreibe keine Zeichen in den Sand –

      Leicht aufzuritzen ist das Reich der Geister,

      Sie liegen wartend unter dünner Decke,

      Und leise hörend stürmen sie herauf.

      Bleib nicht allein, denn in der Wüste trat

      Der Satansengel selbst zum Herrn des Himmels.

      Dritter Auftritt

      Bertrand tritt auf, einen Helm in der Hand. Thibaut. Raimond. Johanna.

      RAIMOND.

      Still! Da kommt Bertrand aus der Stadt zurück.

      Sieh, was er trägt!

      BERTRAND.

      Ihr staunt mich an, ihr seid

      Verwundert ob des seltsamen Gerätes

      In meiner Hand.

      THIBAUT.

      Das sind wir. Saget an.

      Wie kamt Ihr zu dem Helm, was bringt Ihr uns

      Das böse Zeichen in die Friedensgegend?

      Johanna, welche in beiden vorigen Szenen still und ohne Anteil auf der Seite gestanden, wird aufmerksam und tritt näher.

      BERTRAND.

      Kaum weiß ich selbst zu sagen, wie das Ding

      Mir in die Hand geriet. Ich hatte eisernes

      Gerät mir eingekauft zu Vaucouleurs,

      Ein großes Drängen fand ich auf dem Markt,

      Denn flüchtges Volk war eben angelangt

      Von Orleans mit böser Kriegespost.

      Im Aufruhr lief die ganze Stadt zusammen,

      Und als ich Bahn mir mache durchs Gewühl,

      Da tritt ein braun Bohemerweib mich an

      Mit diesem Helm, faßt mich ins Auge scharf

      Und spricht: »Gesell, Ihr suchet einen Helm,

      Ich weiß, Ihr suchet einen. Da! Nehmt hin!

      Um ein Geringes steht er Euch zu Kaufe.«

      – »Geht zu den Lanzenknechten«, sagt ich ihr,

      »Ich bin ein Landmann, brauche nicht des Helmes.«

      Sie aber ließ nicht ab und sagte ferner:

      »Kein Mensch vermag zu sagen, ob er nicht

      Des Helmes braucht. Ein stählern Dach fürs Haupt

      Ist jetzo mehr wert als ein steinern Haus.«

      So trieb sie mich durch alle Gassen, mir

      Den Helm aufnötigend, den ich nicht wollte.

      Ich sah den Helm, daß er so blank und schön

      Und würdig eines ritterlichen Haupts,

      Und da ich zweifelnd in der Hand ihn wog,

      Des Abenteuers Seltsamkeit bedenkend,

      Da war das Weib mir aus den Augen schnell,

      Hinweggerissen hatte sie der Strom

      Des Volkes, und der Helm blieb mir in Händen.

      JOHANNA rasch und Begierig darnach, greifend.

      Gebt mir den Helm!

      BERTRAND.

      Was frommt Euch dies Geräte?

      Das ist kein Schmuck für ein jungfräulich Haupt.

      JOHANNA entreißt ihm den Helm.

      Mein ist der Helm und mir gehört er zu.

      THIBAUT.

      Was fällt dem Mädchen ein?

      RAIMOND.

      Laßt ihr den Willen!

      Wohl ziemt ihr dieser kriegerische Schmuck,

      Denn ihre Brust verschließt ein männlich Herz.

      Denkt nach, wie sie den Tigerwolf bezwang,

      Das grimmig wilde Tier, das unsre Herden

      Verwüstete, den Schrecken aller Hirten.

      Sie ganz allein, die löwenherzge Jungfrau,

      Stritt mit dem Wolf und rang das Lamm ihm ab,

      Das er im blutgen Rachen schon davontrug.

      Welch tapfres Haupt auch dieser Helm bedeckt,

      Er kann kein würdigeres zieren!

      THIBAUT zu Bertrand.

      Sprecht!

      Welch neues Kriegesunglück ist geschehn?

      Was brachten jene Flüchtigen?

      BERTRAND.

      Gott helfe

      Dem König und erbarme sich des Landes!

      Geschlagen sind wir in zwei großen Schlachten,

      Mitten in Frankreich steht der Feind, verloren

      Sind alle Länder bis an die Loire –

      Jetzt hat er seine ganze Macht zusammen

      Geführt, womit er Orleans belagert.

      THIBAUT.

      Gott schütze den König!

      BERTRAND.

      Unermeßliches

      Geschütz ist aufgebracht von allen Enden,

      Und wie der Bienen dunkelnde Geschwader

      Den Korb umschwärmen in des Sommers Tagen,

      Wie aus geschwärzter Luft die Heuschreckwolke

      Herunterfällt und meilenlang die Felder

      Bedeckt in unabsehbarem Gewimmel,

      So goß sich eine Kriegeswolke aus

      Von Völkern über Orleans' Gefilde,

      Und von der Sprachen unverständlichem

      Gemisch verworren dumpf erbraust das Lager.

      Denn auch der mächtige Burgund, der Länder

      Gewaltige hat seine Mannen alle

      Herbeigeführt, die Lütticher, Luxemburger,

      Die Hennegauer, die vom Lande Namur,

      Und die das glückliche Brabant bewohnen,

      Die üppgen Genter, die in Samt und Seide

      Stolzieren, die von Seeland, deren Städte

      Sich reinlich aus dem Meereswasser heben,

      Die herdenmelkenden Holländer, die

      Von Utrecht, ja vom äußersten Westfriesland,

      Die nach dem Eispol schaun – Sie folgen alle

      Dem Heerbann des gewaltig herrschenden

      Burgund und wollen Orleans bezwingen.

      THIBAUT.


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