Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur. Tomos Forrest

Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur - Tomos Forrest


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Mannes wurde eine Spur dunkler vom Blut, das ihm in die Wangen schoss.

      „Aber nein, Effendi, für alle Passagiere der Ersten Klasse gibt es an Bord der Eastern Star täglich eine Flasche vom guten Selterswasser! Wussten Sie das nicht?“

      „Nein, das war mir nicht klar, aber warten Sie, ich helfe Ihnen!“

      Damit fasste ich an den Schlüssel und drehte ihn leicht, meine Kabinentür schwang auf, der Perser bückte sich nach der Flasche und überreichte sie mir.

      „Bitte um Entschuldigung, Effendi, wenn ich Sie gestört habe. Die Kabinentüren klemmen manchmal, deshalb konnte ich nicht sofort aufschließen.“

      Ich musterte den Mann noch einmal kritisch, zumal er zwar sehr saubere Kleidung trug, nicht aber eine der an Bord üblichen Uniformen.

      Nun, wahrscheinlich waren meine Nerven durch die Ereignisse der letzten Tage ein wenig strapaziert, und ich sah Gefahren, wo es doch um Harmloses ging. Der Perser verbeugte sich noch einmal und verschwand, während ich ihm nachschaute.

      Ich maß diesem Vorfall allerdings keine große Bedeutung zu, und als ich den Hilfssteward später erneut auf den Gängen mit den Flaschen hantieren sah, nickte ich ihm immer freundlich zu.

      Die Überfahrt verlief ansonsten ruhig und ohne weitere Vorfälle. Mit dem deutschen Ehepaar nahm ich die Mahlzeiten ein und tauschte mich mit ihnen über Land und Leute aus. Moritz Schweidner war Ingenieur aus Hamburg und hatte schon viel von der Welt gesehen. Da die nächsten Monate ihm keine Möglichkeit geben würden, für kurze Zeit in die Heimat zu reisen, hatte sich seine Frau entschlossen, mitzukommen und in der kleinen Wohnung im europäischen Viertel von Bagdad zu wohnen, wo auch einige andere deutsche Frauen ihr Quartier bezogen hatten.

      Wir verabschiedeten uns herzlich und versprachen uns, nach Möglichkeit einmal in Bagdad zu treffen. Schweidner übergab mir einen Zettel, auf dem er seine Adresse notierte.

      In Tunis angekommen, war meine erste Sorge, Lastenträger für unser umfangreiches Gepäck anzufordern, denn die Ausrüstung des Engländers war ja bereits an Bord geschafft worden. Wer das wuselige Treiben in der Altstadt von Tunis, der Medina, kennt, wird sich nicht wundern, dass ich Mühe hatte, den beiden Karren zu folgen, die sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge bahnten. Schon am Bab el Bhar, dem alten Hafentor und Überrest der einstigen Stadtmauer, gab es dichtes Gedränge. Zwischen den Menschenmassen, die sich hier nach allen Seiten schoben, gab es auch einfache Karren, die von Eseln gezogen wurden, dazu aber auch vornehme Kutschen mit einem leichten Sonnendach. Europäisch aussehende Damen saßen dort zu ihrem Ausflug, wedelten sich frische Luft mit den Fächern zu und sahen mit sehr arrogant wirkenden Mienen auf das Treiben rund um ihr Fuhrwerk. Lastenträger keuchten unter ihren schweren Kisten und Säcken, die sie sich auf die Schultern geladen hatten oder mit Handkarren hinter sich her zogen.

      Über allem stand gleißend der feurige Sonnenball und sengte mit seinen Strahlen unbarmherzig von einem hellblauen, wolkenlosen Himmel herunter. Gerüche von kleinen Garküchen, aus den Cafés am Bab el Bhar und dazu die Ausdünstungen von Menschen und Tieren lagen über der Medina, und diese seltsame, besonders dem Orient eigene Atmosphäre schlug mich sogleich wieder in ihren Bann. Doch schon nach den ersten Schritten spürte ich, wie mir der Schweiß den Nacken und die Stirn herunterlief, und ich war deshalb froh, als wir nach einem etwa zwanzig minütigen Weg endlich vor einem größeren Haus hielten.

      In roten Buchstaben war auf einer weißen Tafel in arabischer und französischer Sprache vermerkt: Selim Agha Bey – Import & Export, Art & Antique. Erst jetzt fiel mir ein kleines Messingschild neben der Haustür auf, das wie ein Wappen aussah. Ein Mann stand auf einem geflügelten Löwen, und ich erinnerte mich an den Spruch dazu, den ich bereits aus Dresden vom Lagerhaus in der Hafenstraße kannte: Amat Victoria Curam. Seltsam. War das Zufall oder hatte diese Firma überall auf der Welt ihre Zweigstellen? Ich nahm mir vor, mich so unauffällig wie möglich nach den Zusammenhängen zu erkundigen, als die Haustür geöffnet wurde und mich ein Diener in einem einfachen, schlichten Kaftan in das Empfangszimmer führte, wo sich gleich darauf eine Tür zu einem anderen Zimmer öffnete und ein europäisch gekleideter Herr eintrat, der allerdings zu seinem dunklen Anzug einen dunkelroten Fez trug.

      „As-salāmu ʿalaikum“, begrüßte er mich, „der Frieden auf Euch!“

      Ich verneigte mich leicht und antwortete:

      „Wa-ʿalaikumu s-salām – Und auf Euch der Frieden!“

      Damit war ein hohes Maß der Höflichkeit zwischen einem Muslim und einem Christen gewahrt, denn es wurde allgemein empfohlen, einen Nicht-Muslim mit der Formel „as-salāmu ʿalā man ittabaʿa l-hudā“ zu begrüßen, was übersetzt bedeutet „Friede sei mit dem, der der wahren Religion folgt.“

      „Sie müssen Kara Ben Nemsi Effendi sein, ganz so, wie man Sie mir beschrieben hat. Ich bin Selim Agha Bey und habe die Ehre, für Sir David Lindsay alles für die bevorstehende Weiterreise zu veranlassen.“

      „Wunderbar, aber zunächst gilt meine Sorge unserem gemeinsamen Bekannten, und ich muss Ihnen erklären, dass Sir David den Dampfer verpasst hat …“

      Selim Agha Bey lächelte verbindlich, und als uns der Diener jetzt Kaffee und Tabak auf einem kleinen Tischchen servierte, erklärte er dazu:

      „Sir David wurde mit einer vollkommen unsinnigen und ärgerlichen Geschichte aufgehalten. Er hat uns telegrafiert und wird in zwei Tagen in Tunis mit einem englischen Dampfer eintreffen.“

      „Ah, das höre ich natürlich gern. Was ist denn in Marseille geschehen?“

      Während wir den heißen Kaffee genossen, berichtete der Kaufmann.

      „Jemand machte ein großes Geschrei, als Sir David aus dem Hotel ging und zum Hafen gehen wollte. Er wurde des Diebstahls beschuldigt, und da er kein Wort von den vorgebrachten Vorwürfen verstand, der laut um Hilfe schreiende Mann ihn zudem versuchte, am Rock festzuhalten und dafür einen Boxhieb erhielt, sperrte man ihn kurzerhand ein, bis sich ein Dolmetscher für ihn fand.“

      Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, denn diese Geschichte konnte ich mir lebhaft gut vorstellen. Lindsay, der sich nie in seinem Leben auch nur bemüht hatte, eine andere Sprache zu erlernen, war da in eine unangenehme Situation geraten, in der ein klärendes Wort alles rasch geändert hätte – nicht aber ein wütender, um sich schlagender Englishman. Es war ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern, und ich hatte so eine Zeitspanne, die leicht zu überbrücken war.

      „Wenn es Ihnen recht ist, Effendi, so lasse ich Sie durch meinen Diener in das Hotel geleiten, das ich auf Wunsch Sir Davids ausgesucht habe. Die großen Teile seines Reisegepäcks verbleiben in meinem Lagerhaus, und nach seiner Ankunft regeln wir alles Weitere für Ihre Reise.“

      „Das soll mir sehr recht sein!“, erwiderte ich und erhob mich. „Sie haben ja ein sehr schönes Haus und handeln, wie ich gesehen habe, mit Antiquitäten und Kunst.“

      „Sehr richtig!“, antwortete der Kaufmann und verbeugte sich leicht. „Die Spezialität meines Hauses sind babylonische Gegenstände, die von den Ausgrabungen im Zweistromland stammen. Ich darf sie mit der Genehmigung unserer Regierung an Museen in der ganzen Welt verkaufen, natürlich erhält der Staat dafür hohe Summen.“

      Er lächelte verbindlich und geleitete mich zur Tür, wo mich schon der Diener erwartete.

      „Sagen Sie“, bemerkte ich etwas zögerlich, „handeln Sie auch mit diesen Dingen in Deutschland?“

      Der Kaufmann riss die Augen erstaunt auf und schüttelte dann seinen Kopf.

      „Nein, bedauerlicherweise noch nicht – warum fragen Sie, Effendi? Haben Sie Interesse?“

      „Ich glaube nicht, dass ich mir so alte Stücke erlauben könnte. Nein, aber ich sah an Ihrer Eingangstür ein interessantes Messingschild und glaubte, so etwas einmal in meiner Heimat gesehen zu haben.“

      Ein blitzschnelles Zusammenziehen seiner Stirnfalten, dann lächelte mein Gegenüber erneut verbindlich.

      „Das ist nicht ein Emblem meines Geschäftes,


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