Die Krystallwesen. Liesbeth Listig

Die Krystallwesen - Liesbeth Listig


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      Zellteilung

      Auf dem Planeten Medras, wie er von den Eingeborenen genannt wurde, gab es die Runkarts bereits seit vielen Jahrtausenden. Selbst die Erinnerungen des großen Krystalls reichten nicht so weit zurück, um eindeutige Aussagen darüber zu treffen, wann der erste Runkart sich mit einem Krystall zu einer Einheit zusammentat. Die Runkarts waren geschlechtslose Wesen, klein und gedrungen wegen der hohen Schwerkraft. Sie waren komplett bedeckt mit einem kurzen, grünen, moosartigen Pelz und hatten an jeder Hand drei Finger und einen Daumen. An den Füßen waren die Zehen verkümmert und breite Sohlen versprachen einen festen Stand.

      Was kaum noch vorhanden war und was sich im Laufe der Evolution fast völlig zurückgebildet hatte, war das Gehirn, welches fast ausschließlich aus einem archaischen Klumpen bestand, von dem nur noch die reine Bosheit, ohne jegliche Moral ausging. Ersatzweise hatten sie oben im Kopf eine Spalte entwickelt, die nun zur Aufnahme eines hoch intelligenten Krystalls diente. Alle „Kinder“ des großen Krystalls strebten danach, so einen Symbionten zu bekommen um Mobilität zu erlangen. Sowohl die Krystalle, als auch die Runkarts waren Telepathen. Die breiten Mäuler der kleinen grünen Wesen konnten nur zur Nahrungsaufnahme genutzt werden und zeigten ein ausgeprägtes Allesfresser-Gebiss.

      Die Wesen waren geschlechtslos, was die Schwierigkeiten bei der Kindererzeugung nicht gerade geringer werden ließ. Auf ihrem Rücken, unsichtbar für ihre schwarzen Kulleraugen, wuchs dann ein mit ihnen identisches Wesen heran, welches, sobald die Beine den Boden erreichten, einen schmerzhaften Trennungsprozess einleitete. Es riss sich von der Stelle los, die es mit dem Elternwesen verband.

      Sobald sich das neue Wesen befreit hatte, war seine Bosheit im Resthirn so gewaltig, dass es sofort versuchte, das Elternwesen zu ermorden, um an den Krystall zu gelangen. Sollte dies nicht gelingen, weil das Elternwesen zu klug war und sich schützen konnte, ging der „missratene Spross“ auf andere Krystallträger los. Zu guter Letzt wurde er dann von mehreren kräftigen Krystallträgern überwältigt und in die flache Methansee geworfen. Hier blieb ihm keine andere Möglichkeit, als zum großen Krystall hinab zu tauchen und zu hoffen, dass dieser ihm einen Krystall zuwies. Wenn dieses nicht der Fall sein sollte, weil beispielsweise eine zu große Bosheit von ihm ausging und es deshalb von keinem Krystall akzeptiert wurde, starb er.

      Bosheit und Aggression wurden von den Krystallen verabscheut und nicht geduldet. Dieses war das Einzige, was sie bei ihren Symbionten so gut wie möglich unterdrückten. Ansonsten ließen sie die Runkarts gewähren und halfen ihnen bereits über Generationen hinweg, eine Zivilisation aufzubauen, die für beide Seiten sehr angenehme Seiten aufwies.

      Eine Schrift hatten diese Wesen nicht entwickelt, da in den Krystallen alles Wissen und jegliche Art von Dichtung gespeichert blieb. Dafür entwickelten sie sich zu regelrechten Mathematik-Genies, was ihnen immer sehr half, beispielsweise bei ihren architektonischen Spielereien. Gedrungene, runde Formen waren dabei ihre Lieblingsformen.

      Auch Bekleidung hatten die Runkarts nie entwickelt, da sie als geschlechtslose Wesen so etwas wie Scham nicht kannten. Auch das Verrichten der Notdurft fand in der Öffentlichkeit statt. Da sich so etwas wie ein After unten in der Körpermitte befand und nur dieser Ausgang zur Verfügung stand, wurde das Stoffwechselendprodukt außerhalb der Wohnung überall hinterlassen und löste sich in der, für menschliche Verhältnisse, aggressiven Atmosphäre rasch auf.

      Auch die Tischsitten waren recht rustikal. In Ermangelung von Feuer, welches ohne Sauerstoff schwierig zu entfachen ist, wurden die Speisen roh und teilweise lebend verschlungen. Sie bestanden aus kleinen Lebewesen, welche vorwiegend so etwas wie Pflanzen ernteten und sich von ihnen ernährten. Sie hatten nur einen Nervenknoten und spürten wohl keinen Schmerz, wenn jemand sie zerkaute, im Ganzen verschluckte oder zu einem schmackhaften Saft presste.

      Gern saßen die Runkarts in Gruppen zusammen und dachten. Sie tauschten sich aus über mathematische Probleme oder philosophierten über andere Angelegenheiten ihrer Welt. Solche Gruppenzirkel dienten jedoch auch dazu, sich gegenseitig zu schützen, wenn Nachwuchs in die Freireissphase kam.

      Derzeit war viel Aufregung in den Gedanken der Runkarts zu finden. Angst schwang in den leisen Gesprächen mit, die sich nun vorrangig um ein Attentat drehten, was ihre alten Widersacher verübt hatten. Diese bezeichneten sich als Bunkarts und hatten sich bereits in grauer Vorzeit von den Runkarts abgespalten. Wieder einmal hatte sich einer dieser feigen Verbrecher, mit einer Krystallattrappe als Runkart verkleidet, in einen Zirkel begeben und dann in die Luft gesprengt. Alle anwesenden Runkarts waren auf der Stelle gestorben.

      Zweimal in der Geschichte hatten die Bunkarts eine offene Schlacht gewagt und zweimal wurden sie zurückgeschlagen. Jedes Mal siegte die Intelligenz der Krystalle, obwohl diese so viel Hass, Bosheit und Aggression kaum ertragen konnten.

      Die Bunkarts hatten zwar noch etwas größere Hirne, als die Runkarts ohne ihre Symbionten aufweisen konnten, aber sie waren auch von Bosheit getrieben. Dazu kam ihr ausgeprägter Hang zum Okkulten. Bunkarts waren allesamt Glaubensfanatiker. Das höhere Wesen, das sie verehrten, hatte ihnen in der Frühzeit ihrer Unkultur einer der ihren nahe gebracht. Ohne Aufzeichnungen der wissenschaftlich gebildeten Krystalle war es über die Jahrhunderte zu einer Mythenbildung gekommen, die einen intensiven Hass auf die Kultur der Runkarts und deren erfolgreiche Symbiose hervorrief.

      Auch glaubten die Bunkarts, dass die Krystalle die Runkarts versklaven würden und diese, wären sie erst von den Krystallen befreit, ihre Glaubensbrüder würden. Diese Ansicht wurde gestärkt, als sich mehrere, krystalllose, junge Runkarts zusammenrotteten und zu den Bunkarts überliefen. Sie waren zwar wesentlich dümmer als die Bunkarts, konnten jedoch wegen ihrer Bosheit leicht in die gewünschte, richtige Richtung gedrängt und manipuliert werden. Alle Krystalle und vorrangig dieser verfluchte, große Krystall mussten vernichtet werden. So war die einhellige Meinung der Bunkarts und ihrer Anhänger. Die große Schlacht wurde vorbereitet.

      Große Steinmesser, die sonst zur Zubereitung der Speisen dienten, wurden gewetzt. Metall war auf dem Planeten unbekannt, aber diese Messer schnitten tief und mancher Feind war bereits komplett in der Mitte zerteilt worden. Auch die Runkarts hatten solche Messer, scheuten aber davor zurück, sie so rigoros einzusetzen.

      Bunkarts waren bei weitem nicht so telepathisch begabt, wie die Symbiose von Runkarts und Krystallen es hergab. Das war einerseits ein Vorteil für die Krystallträger, aber es führte auch dazu, dass sie die Gedanken der Bunkarts nicht genau lesen konnten. Sie mussten schon nahe genug heran an die Feinde, um etwas über deren Pläne heraus zu bekommen. Auch empfanden sie fast körperliche Schmerzen bei einem solchen Schwall von unbändigem Hass, der dann auf sie hernieder prasselte.

      Gleichwohl hatten beherzte Spione herausgefunden, dass es bald eine Großoffensive geben sollte. Beide Seiten bereiteten sich auf den Kampf vor.

      Der Auftrag

      Die Reise verlief unspektakulär und dauerte auch nicht sehr lang, da der Planet in derselben Galaxie lag, in dem das Treffen der Seelenspiegler stattfand. Manfred blieb jedoch ausreichend Zeit, seinen Mitreisenden zu erklären, welche Fähigkeiten er von den Alten dazubekommen hatte.

      Diese hatten ihn für würdig empfunden, nicht nur mit Steinen zu kommunizieren, sondern sie hatten auch seinen Machtbereich ausgedehnt. Räumlich konnte er nun weit über die früher geltenden fünfzig Meter hinaus tätig werden. Fünfzig Kilometer waren ihm nun zugestanden und in der Atmosphäre des Gasplaneten implantiert worden. Auch wurde es ihm möglich gemacht, Seelen, die er aufgenommen hatte, bedingt an Aktionen zu beteiligen und ihnen sogar einige Handlungsmöglichkeiten zu übertragen.

      Der gekrümmte Raum glättete sich und Manfred schwenkte in den Orbit über Medras ein. Die Situation auf dem Planeten war unübersichtlich und ein Spiegeln aus dieser Entfernung nahezu unmöglich. Wir müssen tiefer hinab, dachte Manfred und baute einen Gedankenschutzschild um sich und seine Mitreisenden auf, der sie nicht nur für Telepathen, sondern auch im sichtbaren Spektrum verschwinden ließ.

      So schwebten sie vorerst unerkannt über die Oberfläche. Mit seinen nicht nur räumlich erweiterten Sinnen


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