Deadforce 2. Norbert Langenau

Deadforce 2 - Norbert Langenau


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sie gut überlegen, was sie sich wünschte. Ihre rosa schimmernden Augen blickten auf den Weiher, der in ein paar Metern Tiefe, am tiefsten Punkt von ganz Allurien, ruhig schlummerte. Keine Erschütterung ließ die Oberfläche erzittern und so sah das Wasser aus wie fester Boden. Der gesamte Raum war winzig, insgesamt waren es wohl nicht mehr als drei Quadratmeter Fläche. Von der Klippe führte der einzige Weg hinaus durch eine verfallene Gittertür in den Kerker des Giftwurms Mondosko. Diesen vergifteten Ort wollte man um jeden Preis vermeiden, doch Eldin kümmerte das nicht. Denn sie bestand vollständig aus Flammen und besaß dennoch die Gestalt eines kleinen Menschenmädchens. Obgleich sie eines der ältesten und mächtigsten Wesen überhaupt war, wurde ihr doch diese Gestalt aufgezwungen, die sie kaum verändern konnte. Zwar hatte sie schließlich bei einem großen Ereignis im Jahre 777 die Fähigkeit erhalten, sich selbst umzuformen, doch wenn sie ihre Wünsche äußerte, musste sie ihre ursprüngliche Gestalt benutzen, da sonst diejenigen, die ihre Wünsche erfüllen konnten, ihr nicht helfen würden. Eldin besaß ein sehr ausgefallenes Aussehen. Abgesehen von ihren Haaren, die sich als rosa Flammen manifestierten und entsprechend der Natur von Flammen auf ihrem Kopf loderten und sich stetig verformten, trug sie eine so willkürlich zusammengewürfelte Sammlung an Kleidungsstücken, dass es beinahe schon lächerlich war. An ihrem rechten Arm besaß sie einen dicken, dunkelbraunen, mit weißen Linien und Schriftzeichen versehenen Ärmel einer Robe, der bis zu ihrer Schulter verlief. Auf der anderen Schulter prangte eine schwarze Schulterplatte. Über ihre Brust trug sie nur zwei dicke, schwarze Lederbänder, die in X-Form angeordnet waren. Darunter, um ihre Hüfte befand sich ein ebenfalls schwarzer Gürtel mit goldener Schnalle sowie der daran anschließende dunkelblaue Rock, der starke Falten warf. Ihre Garderobe wurde abgerundet von zwei Sandalen, die sich lediglich mit zwei überkreuzten Riemen auf ihren Füßen hielten. Die Sandale an ihrem rechten Fuß strahlte in hellstem Weiß, während die an ihrem linken das Licht mit einem tiefen Schwarz verschluckte. Außerdem trug Eldin immer den Diamantschädel bei sich, der aus reinem Diamant bestand und die Fähigkeit besaß, Edelgase ausströmen zu lassen. Im Moment benötigte sie allerdings weder den Schädel noch ihre Flammenkräfte. Sie musste nur wissen, was sie wollte. Dann ließ sie das erste Goldstück in die Tiefe fallen und es landete mit einem Platschen im Weiher.

      "Ich wünsche mir...", begann Eldin, während sie noch immer überlegte, "..., dass Sabia vom Südpol gerettet wird und endlich ihrer Bestimmung folgen kann."

      Sie ließ das zweite Goldstück hinabfallen und fuhr fort:"Ich wünsche mir, dass das Gottkind seinen Weg findet. Es soll Hilfe erhalten und das tun, wozu es auserwählt ist."

      Vor dem letzten Goldstück zögerte Eldin. Was wollte sie sich noch wünschen? Nun war nur noch ein Wunsch übrig. Wer weiß, wann sie das nächste Mal wieder belohnt wurde? Diese drei Münzen hatte sie nur erhalten, weil die Schlacht von Erudicor zugunsten der Verteidiger ausgegangen war. Jedoch hatte sie dazu praktisch nichts beigetragen. Das einzige, was sie getan hatte, war Julian den Auftrag zu geben, den düsteren Magier zu töten. Was er aber nicht getan hatte. Jetzt schien es plötzlich sonnenklar, wie der letzte Wunsch lauten sollte. Das letzte Goldstück bahnte sich seinen Weg hinab ins Wasser. Platsch.

      "Und ich wünsche mir, dass der düstere Magier stirbt. Ja, ganz Recht, ich wünsche mir den Tod eines Äthergeborenen."

      Arc I

      Die große Reise

      Kapitel I: Blut und Asche

      Noch immer am selben Tag wie die Schlacht von Erudicor, wenn auch schon in den späten Abendstunden, erreichte Julian das nicht weit östlich der goldenen Stadt gelegene Herbstweih, sein früheres Heimatdorf. Jetzt allerdings befanden sich dort nur noch verfallene, zerstörte Überreste von Häusern sowie unzählige Leichen, die kreuz und quer über das gesamte Dorf verstreut lagen. Der Gestank von verwesenden Körpern und Asche lag in der Luft. Es war schwer für Julian, sein Dorf in diesem Zustand sehen zu müssen. Die Zerstörungskraft der Trolle war wirklich überwältigend. Aber an welchem Ort sollte er denn sonst anfangen, nach seinen Freunden zu suchen? Die letzte Information, die er von seinem Gegner Fröthljif erhalten hatte, jenem Troll, der den Angriff auf Julians Dorf angeführt hatte, war, dass Otto und Lisa noch am Leben waren. Zumindest hatten die Trolle ihnen kein Haar gekrümmt und da Julian wusste, wie hart seine Freunde im Nehmen waren, vermutete er, dass auch sonst niemand bisher die beiden getötet hatte. Nun musste er also im zerstörten Dorf nach Hinweisen suchen. Allerdings schien es fast unausweichlich, eine Nacht zwischen den Überresten von Herbstweih zu verbringen. Die Sonne hatte sich schon beinahe komplett verabschiedet und nur noch die letzten Strahlen leuchteten von Westen her über den Horizont. Im Norden des Dorfes ragte der düstere und bedrohliche Schattenberg als einzelnes Monument empor, in einer Landschaft, die sonst nur eine endlose Ebene darstellte. Sie durften nicht auf dem Schattenberg sein. Das durften sie einfach nicht. Zumindest redete sich Julian das ein. Denn wie jeder aus Herbstweih kannte auch er die Legenden und Geschichten. Schon den kleinen Kindern wurde immer erzählt, dass sie einen weiten Bogen um den Schattenberg machen und ihm ja nie zu nahe kommen sollten. Wer aber nicht hören wollte und sich zu nahe an den Berg heranwagte, der verschwand spurlos, so erzählte es zumindest die Legende. Julian hatte immer daran geglaubt und er wusste genau, dass ganz oben am Gipfel des Berges irgendein seltsames Wesen hauste. Doch ob es sich nun um einen Hexenmeister, eine Hexe, einen Troll oder doch nur eine Fledermaus handelte, das wusste niemand. Ein Schauer jagte Julian über den Rücken, als er darüber nachdachte und auf den Berg in der Ferne starrte. Der würde ihm zumindest weniger Sorgen bereiten als das Gefühl, zwischen den verbrannten und zertrümmerten Überresten seines einstigen Dorfes sowie deren Bewohnern die Nacht verbringen zu müssen. Aber Julian blieb keine andere Wahl. Er konnte sich zwar auch ein paar Meter außerhalb von Herbstweih in die Wiese legen, doch dort wäre er leichter zu entdecken gewesen, als zwischen den Trümmern eines zerstörten Dorfes. Und wer wusste schon, was für Unholde sich nachts im großen Kaiserreich Anthem Gows herumtrieben. Um etwaigen Begegnungen mit ihnen vorzubeugen, blieb Julian nun nichts Anderes übrig, als sich ein paar verkohlte Stücke früherer Holzhütten zu schnappen und sie am Boden so aufzulegen, dass sie die Zerstörung des restlichen Dorfes nachempfanden und nicht gestellt wirkten. Denn dann hätten sie nur unnötige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Obgleich Julian in der Schlacht, die erst vor wenigen Stunden ihr Ende gefunden hatte, zahllose Feinde bezwungen und getötet hatte und nun zweifellos ein besserer Kämpfer war als noch vor der Schlacht, so zweifelte er doch an seinen Fähigkeiten, jemandem überlegen zu sein, während er schlief. Die letzten Sonnenstrahlen erstarben am Horizont und es wurde dunkel ringsum. Julian löste seinen Schal und knüllte ihn zusammen. Dann legte er ihn auf eines der verkohlten Holzteile und anschließend ließ er seinen Kopf darauf sinken. Der Schal war kein idealer Polster, doch behelfsmäßig zu ertragen. Immerhin schien die Nacht warm zu werden, sodass sich Julian keine Gedanken um eine Decke oder ein mögliches Erfrieren durch Fehlen ebenjener machen musste. Nun lag er da und blickte in den Nachthimmel. So viel war an diesem bedeutsamen Tag geschehen. Der 27. Mai 981. Ein Tag, der für alle Zeiten in die Geschichte eingehen würde. Denn der Versuch eines Äthergeborenen, des düsteren Magiers, die goldene Stadt zu erobern, war gescheitert. Auch wenn Julian dieser Umstand nicht klar war, nie zuvor hatte es in der Geschichte der Existenz eine Situation gegeben, in der ein Unterfangen eines Äthergeborenen gescheitert war. Da Julian maßgeblich am Sieg über den düsteren Magier beteiligt gewesen war, hatte er etwas bewiesen. Er hatte gezeigt, dass auch die als überlegen angesehenen Äthergeborenen verwundbar waren. Der Plan des düsteren Magiers war vollständig gescheitert und seine gesamte Armee ausgelöscht worden. Sicher war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er selbst auch sein Ende fand. Allerdings wollte Julian es sich nicht entgehen lassen, dieses Ende selbst herbeizuführen. Noch immer wollte er Rache für sein Dorf. Rache für Herbstweih und all die Menschen, die darin gelebt hatten. Doch im Moment wollte er am allermeisten seine beiden besten Freunde Otto und Lisa finden. Sobald er sie in Sicherheit wusste, würde er den düsteren Magier aufspüren und seiner gerechten Strafe zuführen. Als er so am Boden lag und bald einschlafen würde, dachte er noch mal an seine triumphalen Siege auf dem Schlachtfeld. Es war ihm tatsächlich gelungen, alle sechs Generäle eigenhändig zu bezwingen. Mit Ausnahme von Katokuin, dem Dunkelelfen,


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