Fontanka. Markus Szaszka
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Inhalt
Das Fauchen einer besorgten Mutter
Ein Freundschaftsband für Anna
und boshaften Bienen
Ein schlechter Vater und viel Literatur
Antipatriotismus im Plattenbau
ein Prinz im Peugeot 205
Polarlichter über St. Petersburg
Eine Gallionsfigur und Stadtspaziergänge
Impressum
Buchreihe: Großstadtballaden
Titel: Fontanka
Untertitel: Ein vergehendes Leben
© 2021 Markus Szaszka
Autor: Markus Szaszka
Herausgeber: Gefahrgut Edition
Lektorat: Selfpublishingo
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Großstadtballaden
Seit ein paar Jahren schon reise ich von Stadt zu Stadt, wo ich jeweils ein paar Monate, manchmal auch ein Jahr bleibe.
In dieser Zeit schreibe ich einen Roman, eine Geschichte, die an dem Ort spielt, an dem ich gerade eben bin.
In meinen Büchern beschäftige ich mich am liebsten mit gesellschaftlich relevanten Themen, aber auch die Liebe und das Alltägliche kommen nicht zu kurz.
Und wenn ich mit einem Manuskript fertig bin, dann ziehe ich weiter und das Abenteuer beginnt von vorne, in einer neuen Großstadt.
Wenn du mehr über mich und mein Schreibkonzept erfahren möchtest, dann schau doch gerne auf grossstadtballaden.com vorbei.
Dort gibt es alle Informationen zu meinen bisherigen Bänden und du kannst dich für einen Newsletter anmelden, in dem ich exklusive Kurzgeschichten, Essays uvm. teile.
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Lieben Gruß, dein Markus „Nirgendsmann“ Szaszka
Anna und die Eisenlok
Auf einem kleinen Fähnchen aus Pappe, das mit Bindfaden und einem Zahnstocher bewundernswert filigran auf dem Rauchfang einer dunkelgrün lackierten, metallenen Spielzeuglok befestigt war, stand: Das Leben ist schön, weil es vergeht. Die elektrisch betriebene Zugmaschine zog drei baugleiche Güterwaggons im Kreis hinter sich her, gesäumt von einer Landschaft aus Stofftieren verschiedenster Gattungen, Farben und Größen, hübschen Geschenkpäckchen, die als Dekoration dienten, beräderten Holzenten, kunterbunten Spiraltreppenläufern, einer mechanischen Vorrichtung, die Seifenblasen durch das Schaufenster blies, und einer Menge weiterem Spielzeug.
Das Spielwarengeschäft myagkaya igrushka1 konnte mit gutem Recht als der wahrgewordene Traum eines jeden Kindes bezeichnet werden, vielleicht sogar als das schönste Spielwarengeschäft der Welt, sicher aber als das älteste und bekannteste St. Petersburgs.
Kinder wurden von dem Schaufenster angezogen wie Motten vom Licht, was nicht selten zu innerfamiliären Disputen führte, wenn die Kleinen scheinbar paralysiert und mit offenen Mündern mitten auf dem schmalen Gehsteig der Gorokhovaya Straße stehen blieben, während die Großen ihren Terminen hinterherhetzten.
Den meisten Erwachsenen fiel es schwer, den Zauber, der dem Spielzeug innewohnte, zu bemerken.
Und so, wie es schon unzählig viele andere Kinder vor der fünfjährigen Anna Iljinitschna Smirnowa getan hatten, blieb auch sie regungslos auf den locker im Mineralbeton steckenden Pflastersteinen stehen, um sich von der monoton im Kreis fahrenden Lok hypnotisieren zu lassen.
Rund um das brünette Mädchen mit dem spitzen Näschen, das in ihrem gelben Regenmantel und ihren wasserdichten Galoschen mit ihren beiden schulterlangen Zöpfen spielte, war ganz schön was los. Immerhin war es der 28. Dezember, das neue Jahr stand vor der Tür und viele Stadtbewohner hatten ihre Geschenke noch nicht zusammen.
Die Schneeflocken waren dick, die Luft nicht zu eisig und der tiefblaue Stadthimmel mit weihnachtlichen Lichterketten behangen. Es war ein prachtvoller Nachmittag und der baldigen Ankunft von Väterchen Frost, seiner Enkelin Snegurotschka und dem Jungen mit dem bezeichnenden Namen Neujahr stand nichts mehr im Wege.
Auf Annas Schultern und ihrem Kopf hatten sich kleine Häufchen Schnee angesammelt, die jetzt, unter dem beleuchteten Vordach des Spielwarenladens, dahinschmolzen. Hiervon merkte das Kind aber nichts, denn es war in einen Tagtraum hineingetaucht. Es war zu einem Teil des Spielzeugparadieses geworden, zu einem Mädchen in Miniaturformat, in der Größe einer Murmel, die inmitten riesenhafter Stofftiere, bunter Bälle und einer Spielzeuglock herumtollte. Über der kraftvoll an ihr vorbeisausenden