Gabrielas Reise nach Trentino. Helena Zauber
zu, aber Ines und Gabriela verdrehen lachend die Augen, weil beide diesen Vortrag schon gefühlte 1000 Mal gehört haben. Sie nutzen die Gelegenheit und unterhalten sich über alles Mögliche, während Gabrielas Vater seiner Simone inzwischen ausführlich die Familiengeschichten erzählt, so weit er sie kennt.
Für Gabriela hat er das schon vor Jahren mal aufgeschrieben. Nun ist sie gespannt auf die Gegend aus der ihre Vorfahren stammen. Es gibt ihrem Urlaub sozusagen den roten Faden. Dann wird es langsam dunkler und alle beschließen ins Bett zu gehen.
Gabriela kann nicht gleich einschlafen. Sie ist doch aufgeregt, wegen der Autofahrt, die sie morgen vor sich hat. Gut, dass eine Beifahrerin dabei ist, die die Strecke schon kennt und am Telefon schon sehr sympathisch klang. Schon bei diesen Gesprächen war ihnen aufgefallen, dass sie ähnliche Biographien haben. Fast im gleichen Alter und im Handel tätig, waren sie nach der Wende in die sogenannten alten Bundesländer gezogen und hatten dort ähnliche Karrieren gemacht.
Gabriela denkt an die letzten Jahre zurück, die für sie sehr aufregend aber auch spannend waren. Alles hatte sich für sie verändert. Aber am Ende für sich selbst positiv, wie sie findet.
Über diese Gedanken schläft sie dann doch ein.
Am nächsten Morgen erwacht sie ausgeruht und nach einem guten gemütlichen Frühstück mit Ines, ihrem Vater und Simone macht sie sich reisefertig.
„Zu welcher Uhrzeit hast du dich denn mit dieser Sylvia verabredet?“, fragt ihre Tochter.
„Wir haben zwischen 10:00 und 11:00 Uhr ausgemacht“, antwortet Gabriela, „und dass ich anrufe, wenn wir losfahren. Der Bahnhof liegt ja auf dem Weg zu unserem Treffpunkt.“
„Super, dann können wir ja alles in Ruhe machen. Bist du sehr aufgeregt, Mama?“, fragt Simone nun ein wenig besorgt,
„immerhin ist das ja deine erste große Ferienreise alleine.“
„Na ja, ich bin schon ein wenig aufgeregt, immerhin will ich in den nächsten Tagen über 2500 km fahren“, gibt Gabriela zu, „aber das war ja klar, dass das mal so kommt. Ihr seid ja schon länger aus dem Haus und dass ich mich nach der Trennung von Marcus nicht zu hause verkrieche, ist doch auch klar, oder?“, dann muss sie lachen und sagt:
„Stell dir mal vor, ich lerne da jetzt einen Italiener kennen, dann kehre ich ja vielleicht an den Ort meiner Vorfahren zurück!“
„Du nun wieder, Mama“, lacht auch Simone, „womöglich noch einen italienischen Prinzen auf dem weißen Pferd!“
Nun ist es ganz aus. Sie spinnen sich ein Szenarium zu recht und albern dabei herum. Ines kommt ganz erstaunt zu ihnen und fragt:
„Na, was habt ihr Beiden denn?“
„Mama lernt in Caldonazzo ihren Prinzen auf einem weißen Pferd kennen!“, platzt Simone lachend heraus.
Ines lacht nun auch und sagt:
„Ach Kinder, so was gibt es doch nicht mehr! Der letzte Prinz ist euer Vater und Opa! “
Darüber müssen sie alle drei lachen und als Gabrielas Vater um die Ecke schaut und fragt:
„Na was haben meine Damen denn jetzt?“, müssen sie noch mehr lachen.
„Ich habe den Mädels nur erklärt, dass du der letzte Prinz auf dem weißen Pferd warst!“ lacht Ines ihren Walter an.
Nun lachen sie alle gemeinsam.
Doch dann heißt es Abschied nehmen. Walter und Ines wünschen Gabriela eine gute Reise mit einem Zwinkern und von Simone kommt der Abschied am Bahnhof.
In Gabriela steigt die Vorfreude und Aufregung wieder höher. Sie ruft Sylvia an, dass sie auf dem Weg ist. Als sie bei dem vereinbarten Treffpunkt ankommt, läuft Sylvia gleich auf sie zu. Sie umarmen sich spontan, die am Telefon empfundene Sympathie bestätigt sich auch im Realen.
Sie räumen Sylvias Gepäck ins Auto, steigen ein und sagen gemeinsam:
„Na dann: Gute Fahrt!“
Die Fahrt nach Bozen
„Mein Navi sagt, dass wir mindestens sieben Stunden unterwegs sind, also genug Zeit zum Erzählen. Ich bin schon ganz gespannt, was du so in der letzten Zeit erlebt hast. Du hast mir ja schon einiges beim Telefonieren angedeutet“, beginnt Gabriela die Unterhaltung.
„Oh, davon kannst du träumen, dass wir nur sieben Stunden bis Bozen brauchen, das habe ich noch nie geschafft, egal wie ich dort hin gefahren bin, mit Bus oder Mitfahrgelegenheit. Wir werden viel Zeit zum Reden haben!“, antwortet Sylvia lachend und startet, da sie wie vorher am Telefon ausgemacht, für den ersten Streckenabschnitt bis München das Fahren übernimmt.
„Nun erzähl schon, was ist mit dem Typen geworden, von dem Du mir erzählt hast, wie hieß er doch gleich, Marcus?“, bittet sie schmunzelnd Gabriela.
„Willst du nicht lieber warten, bis wir aus der Stadt sind?“, fragt diese zurück.
„Ach, weißt du, ich bin hier so oft gefahren, Richtung München, die Strecke kenne ich in- und auswendig! Nun erzähl schon.“
Tatsächlich war es so. Sylvia war nach der Wende 1989 viele Jahre beruflich in München tätig. Als Bezirkleiterin einer Drogeriekette ist sie zur Vielfahrerin geworden, konnte sich aber nie dazu entschließen, ganz nach München zu ziehen, auch weil in Leipzig ihre zwei Töchter lebten. Die ältere hatte zu diesem Zeitpunkt auch schon zwei Kinder und Sylvia wollte ihre Enkel aufwachsen sehen. So pendelte sie, wie so viele in der Zeit und auch heute noch, zwischen München und Leipzig. Als sich für sie vor zwei Jahren die Gelegenheit bot, in den Ruhestand zu gehen, hatte sie nicht lange überlegt und lebt seitdem wieder ganz in Leipzig, hatte ihr Auto verkauft, da sie dies in Leipzig nicht brauchte. Sie nutze für ihre Fahrten nun die immer günstiger werdenden Reisebusse oder Mitfahrgelegenheiten, wie mit Gabriela. Nebenbei arbeitet sie für ein paar Stunden in der Woche in einem kleinen Buchladen, um u.a. ihre Besuche bei der jüngsten Tochter zu finanzieren, die vor drei Jahren nach Bozen geheiratet hatte. Aber auch, um mit ihren Enkeln hier in Leipzig was unternehmen zu können. Das alles wusste Gabriela von ihren Telefonaten. Auch, dass Sylvia fünf Jahre älter war als sie. Gabriela schaut Sylvia von der Seite an und denkt:
„Na, wie 65 Jahre sieht sie nicht aus“, und wundert sich, dass ihre neue Freundin, keinen Partner findet, der mit ihr gemeinsam ein Stück des Lebens gehen will. Auch darüber hatten sie sich am Telefon schon unterhalten und über Marcus, Gabrielas Geliebten, von dem sich diese im Juni diesen Jahres getrennt hatte.
Die unendliche Geschichte von Gabriela und Marcus
„Nun erzähl schon!“, bittet Sylvia Gabriela. „Wir hatten doch verabredet, dass wir uns auf unserer Fahrt alles genau erzählen und außerdem bin ich auch neugierig! Fang schon an, ich will alles wissen, wie es begann bis zum Ende im Mai. Außerdem haben wir bis München mindestens vier Stunden Zeit!“
„Okay, ich fang ja schon an!“, lacht Gabriela, „aber, wenn es dir zu viel wird, sag bitte Bescheid.“, fügt sie hinzu.
„Ja, ja!“, winkt Sylvia ab, „mache ich!“
Gabriela schaut lächelnd zu ihr und überlegt, wie hat es angefangen?
„Es war im Sommer 2011 und ich hatte im Frühjahr noch einmal versucht, meine Ehe mit Ulf zu retten. Aber nach drei Monaten merkte ich, dass er sich nicht mehr ändern will oder kann und mir weiterhin an allem die alleinige Schuld gab. Allmählich kamen mir der Wille und die Lust auf eine Zweisamkeit mit Ulf abhanden. Sein Desinteresse an mir, dem was ich tat und plante, taten mir weh. Es machten sich Sehnsüchte in mir breit, nach Nähe,
Kommunikation und Zärtlichkeiten. Aber damals war ich noch nicht bereit, mich offiziell von Ulf zu trennen.“
„Ja, das kenne ich“, meldet sich Sylvia dazu: „Das war bei mir ähnlich! Du siehst, wir haben mehr Gemeinsamkeit,