Boheme. Markus Szaszka
Inhalt
Impressum
Buchreihe: Großstadtballaden
Titel: Boheme
© 2021 Markus Szaszka
Autor: Markus Szaszka
Herausgeber: Gefahrgut Edition
Lektorat: Selfpublishingo
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Großstadtballaden
Seit ein paar Jahren schon reise ich von Stadt zu Stadt, wo ich jeweils ein paar Monate, manchmal auch ein Jahr bleibe.
In dieser Zeit schreibe ich einen Roman, eine Geschichte, die an dem Ort spielt, an dem ich gerade eben bin.
In meinen Büchern beschäftige ich mich am liebsten mit gesellschaftlich relevanten Themen, aber auch die Liebe und das Alltägliche kommen nicht zu kurz.
Und wenn ich mit einem Manuskript fertig bin, dann ziehe ich weiter und das Abenteuer beginnt von vorne, in einer neuen Großstadt.
Wenn du mehr über mich und mein Schreibkonzept erfahren möchtest, dann schau doch gerne auf grossstadtballaden.com vorbei.
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Lieben Gruß, dein Markus „Nirgendsmann“ Szaszka
Erstes Kapitel
Der Vorhang bewegte sich. Er schaukelte kaum merklich hin und her. Zwischen den Rahmen und Zargen des weiß lackierten hölzernen Kastenfensters waren keine Fugen zu sehen, und doch, ein leichter Luftzug drang ins Innere dieser Krakauer Altbauwohnung in der Ulica Świętego Jana1 Nr. 30. Es war Ende Januar und die Straßen, Autos, Dächer, Fensterbretter und Laternen in eine dreißig Zentimeter dicke Schneedecke gehüllt.
Maksymilian Nowak döste auf seinem Sofa, das er bereits Wochen zuvor nahe an den Heizkörper beim Fenster geschoben hatte, um möglichst viel Wärme abzubekommen, bevor sie im hohen und schlecht zu heizenden Schlafzimmer im zweiten Stockwerk dieses Mietshauses verloren ging. Sein Kopf lag auf einem kleinen Federkissen, auf dem laienhaft ein Häuschen, eine Sonne und ein angedeutetes Meer gestickt waren. Trotz des wenig ansehnlichen Motives hing Maksymilian sehr an diesem Kissen, denn er hatte es von Valeska bekommen, und sie war es auch gewesen, die den Bezug bestickt hatte.
Zu seiner Linken befanden sich die Heizung, der leicht schwingende Vorhang und das Fenster, zu seiner Rechten die Rückenlehne seines Sofas und dahinter das restliche Zimmer: ein großes ungemachtes Bett, ein rundes Holztischlein, auf dem sich eine dem Jugendstil nachempfundene Tischlampe und diverse Bücher befanden, ein Schrank mit wenig Kleidung darin, denn die meiste lag entweder im Wäschekorb oder auf dem Boden verteilt, unter der Schmutzwäsche ein Radio in einer Ecke des Zimmers sowie viele weitere Bücher, die anscheinend immer genau an den Stellen fallengelassen worden waren, an denen Maksymilian sie ausgelesen hatte.
Doch all das interessierte den jungen Mann nicht. Er sah nach vorne, durch den türlosen Rahmen, in dem verwaiste Türangeln den einzigen Blickfang darstellten, ins Wohnzimmer, in dem sich auch eine Kochnische befand. Dort standen ein weiteres Sofa, ein Esstisch, ein Rasierpinselbaum und ein Elefantenfuß – die eine Pflanze auf dem breiten Fensterbrett, die andere auf dem Boden neben dem Sofa. Des Weiteren lagen zahllose geschlossene und aufgeklappte Bücher sowie beschriebene Blätter aus Notizheften zwischen halb aufgegessene Speisen auf schmutzigem Geschirr. An der Wand über dem Herd hing eine Uhr, und nur sie war, bis auf wenige draußen vorbeifahrende Autos, an diesem Abend in dieser Wohnung zu hören.
Maksymilian blickte also nach vorne, aber nicht nur auf die kunstvoll verzierte Porzellantelleruhr, deren antike geschwungene Zeiger träge, Millimeter um Millimeter, im Kreis wanderten, sondern auch in Richtung des morgigen Tages, an dem sein Umzug nach Amerika bevorstand und er seine Heimatstadt endgültig hinter sich lassen würde.
Als Maksio, wie seine Familie und engsten Freunde ihn seit früher Kindheit nannten, den Vorhang pendeln sah, schob er diesen ein kleines Stück zur Seite und blickte hinaus. Das Haus auf der anderen Seite war nur wenige Meter entfernt, der Schneefall dicht, der Himmel schwarz und das spärliche Licht der Laternen schien in einem warmen Orange. Manche der Fenster im Haus Nr. 16 waren erleuchtet, andere wiederum nicht, doch Maksymilians Aufmerksamkeit galt alleine einem Fenster, nämlich dem schräg über ihm, im Dachgeschoss des gegenüberliegenden Hauses. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Valeska noch dort gewohnt und gearbeitet, und seit ihrem Auszug zwei Monate zuvor war das Licht im Atelier nicht mehr eingeschaltet worden.
Er sah hoch und erinnerte sich. Es war, als wäre die kalte verwaiste Mansarde für wenige Momente wieder zu altem Leben erwacht. Junge Wilde öffneten stürmisch das Fenster, um blauen Zigarettenqualm in die eisige Luft zu pusten. Mit Gläsern in ihren Händen prusteten sie vor Lachen und verschüttet so einiges, während rhythmischer Blues unnötig laut an ihnen vorbei ins Freie dröhnte.
Dort oben hatten Valeska, Michał, Mateusz und er einen guten Teil ihrer Jugend und ihres frühen Erwachsenenalters verbracht – die fliehenden Füchse, wie sie sich genannt hatten. Oft dachte Maksymilian nicht mehr an seine einstige Künstlergruppe, doch an diesem Abend tat er es, aus einem ihm unerfindlichen Grund. Die Füchse. Das muss … tatsächlich … es ist schon neun Jahre her, als wir uns so nannten.
Eine Weile noch sinnierte Maksymilian über die alten verrauchten und berauschten Zeiten, als sie zu viert Gedichte bei Wein rezitiert, sich aufgeregt Musikstücke vorgespielt, auf dem Dach balanciert, Nachbarn verärgert und die Kunst zu ihrem Gott erhoben hatten. Wir wollten die Besten sein und wir waren die Besten, für den Bruchteil einer Sekunde huschte ein selbstzufriedenes Lächeln über Maksymilians Lippen, bis er sich weiter erinnerte. Und dann haben Valeska und ich alles zerstört.
Der