Düstere Märchen. Andrea Appelfelder

Düstere Märchen - Andrea Appelfelder


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bin ich die Hausherrin und ihr seid die Bettler.“, zeterte sie noch während sie verschwand.

      Hensel machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Dann warf sie ihn eben raus, mit so einer Frau wollte er nicht länger unter einem Dach leben. Gretel ermahnte ihn allerdings: „Wir müssen es tun. Auch wenn ich es nicht gerne sage, aber sie hat recht. Sie kann uns vor die Tür setzten und stelle dir ein Leben in der freien Natur nicht zu einfach vor. Außerdem wird sie uns dann vor deinem Vater als die Bösen darstellen. Ich weiß, wie es dir geht, mir geht es genauso, schließlich zeigt sie jetzt ihr wahres Gesicht, aber wir werden das hier noch so lange durchziehen, bis dein Vater wieder da ist und wir müssen versuchen, Beweise für ihr Verhalten zu sammeln. Wir werden uns auch heute Abend mal in ihren geliebten Keller umsehen, wenn sie schläft.“

      Die beiden hatten nun einen Plan, setzten sich in Bewegung und machten sich erst einmal daran, ihre Aufgaben zu erledigen.

      Hensel begab sich zur Küche um sich neues Putzzeug zu holen. Dabei ging er wie immer an dem großen Ofen vorbei, den sein Vater nur für seine neue Frau hatte einbauen lassen, in dem sie ihren Kuchen und die Kekse backte. Er sah hinein, weil die Klappe nicht offen stand und die Stiefmutter nicht zu sehen war. Das kam sonst nie vor. Wenn seine Stiefmutter etwas zubereitete, entfernte sie sich nicht weit vom Ofen.

      Ihm fiel auf, dass der Inhalt keinerlei Ähnlichkeiten mit Backwerk hatte. Er beobachtete wie sich langsam Blasen auf der verbrannten Oberfläche bildeten und er wusste was sich darin befand.

      „Fleisch. Sie macht heute also endlich mal Fleisch.“, freute er sich schon, aber war trotzdem skeptisch. Sie sagte doch immer, sie mochte kein Fleisch. Vielleicht will sie uns ja vergiften. Auch wenn es gut roch, war die Form doch ungewöhnlich.

      Er kümmerte sich aber nicht weiter darum und ging die Dinge holen, weswegen er gekommen war. Nun ging es für ihn erst darum, den Flur und dann die Kellerstufen zu putzen. Er tauchte seinen Putzlappen ins Wasser, rang ihn aus und wickelte ihm um die Borsten seines Besens. Er war sehr schnell mit dem Putzen des Flurs fertig und ging über zum nächsten Abschnitt.

      Hensel wischte einige Male über die erste Stufe und während er mit dem hartnäckigen Schmutz kämpfte ließ er seine Gedanken schweifen. Was tue ich eigentlich hier nur für diese Frau? Verzeih mir Gret, ich kann das nicht und ich kann auch nicht warten.

      Er stellte das Wischzeug zur Seite und ging die Stufen weiter nach unten. Er öffnete die Kellertür und sah sich vorsichtig und leise um.

      Was er dort sah, ließ ihn die Sprache verschlagen, überall getrocknete Kräuter, ein großer Kessel und getrocknetes Fleisch, was von der Zimmerdecke hing und alles war sehr schmuddelig anzusehen.

      Er sah sich weiter um und konnte Augen und weitere diverse Tierteile in Einmachgläsern ausmachen. Als er sich noch weiter umblickte, sprang ihn eine schwarze Katze auf den Kopf, riss ihn um und tapste weiter die Treppe nach oben. „Verdammt, eine schwarze Katze, ist diese Frau etwa eine Hexe? Passen würde es auf jeden Fall.“

      Der junge Mann verstummte in seinen Selbstgesprächen als er ein leises, menschliches Wimmern vernahm. Er blickte sich erneut um und ging in den hinteren Teil des Kellers, der komischerweise zugestellt und verborgen war und plötzlich, da war es wieder. Das Geräusch streifte ihn wie ein kurzer Windhauch. Doch etwas Bedrohliches schien es nicht zu sein, es war nur ein leises und etwas entstelltes: „Hilfe!“

      Der Hörende ergriff nun auch die Stimme: „Ist da jemand?“

      Plötzlich erschallte wieder dieser Laut. Er folgte der zarten Stimme und landete in einem weiteren Hinterzimmer des Kellers. Früher hatte hier das Holz für den Winter gelagert, aber alles hatte für die neue Hausherrin weichen müssen.

      Was er dort angekommen dann erblickte ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er sah drei an Beinen und Händen gefesselte, völlig überfütterte Kinder, die nackt in ihrem eigenen Dreck lagen.

      Er sah sich die Kinder, die alle samt verwahrlost wirkten, an und lief zuerst zu dem einzigen Mädchen der kleinen Gruppe und versuchte sie zu befreien. „Wie seid ihr hierher gekommen?“

      Das Kind antwortete ihm zittrig, sichtlich geschwächt und nicht mehr ans Sprechen gewöhnt: „Sie hat uns gefangen als wir uns im Wald verlaufen haben. Erst war sie nett und gab uns feine Süßigkeiten und ließ uns bei ihr schlafen, aber als wir wieder erwachten, waren wir gefesselt und nackt. Sie zwingt uns seitdem dazu uns fett zu fressen.“

      Der junge Mann hielt kurz inne in seiner Aktion und lauschte dem Mädchen. „Sie ist in Wirklichkeit eine hässliche, vernarbte Hexe und frisst Kinder um ihre Jugend zu erhalten. Bis vor kurzem waren wir noch zu zehnt. Allerdings holt sie sich jede Woche einen von uns und nachdem sie uns gegessen hat, sieht sie wieder kalt und wunderschön aus.“

      Hensel hatte das Mädchen inzwischen schnell von ihren Fesseln befreit und machte bei dem zweiten Jungen weiter. „Wie lange seit ihr schon hier?“

      Wieder antwortete nur das Mädchen: „Wir waren erst woanders, in einem alten, verfallenen Haus im Wald, so an die drei Wochen, aber da waren wir noch weitaus mehr und zu der Zeit hat sich unsere Zahl drastisch dezimiert. Da hat sie fast täglich einen von uns geholt. Nach unserem Umzug sind wir wieder mehr geworden. Ich habe festgestellt, dass sie lieber fette Kinder isst und die, die ihr zu mager sind, behält sie bei sich und füttert sie, bis sie ihr fett genug sind. Sie meinte gestern zu mir, dass ich jetzt soweit bin und morgen an der Reihe bin, geschlachtet zu werden.“

      Hensel riss die Augen vor Schock weit auf. Er musste an den Schrei von vor einigen Tagen denken. War da etwa auch ein Kind gestorben?

      Er schüttelte den Gedanken ab und befreite nun auch den letzten der zwei Jungen. Er fragte noch eines: „Weißt du, wo sie im Moment ist?“

      Das Mädchen antwortete fast schon gefühllos: „Nachschub holen und das kann Stunden dauern.“

      Er führte die Kinder aus dem Haus, nachdem er ihnen Kleidung gegeben hatte und auch schließlich raus aus dem dunklen Wald, der auch zu ihrem Grundstück gehörte.

      Als er sich vergewisserte, dass die Kinder allein nach Hause finden würden, eilte zu seinem Haus zurück um vor Gret da zu sein und um ihn zu warnen.

      All diese Geschehnisse dauerten weniger als eine Stunde. Als er nun sein Haus wieder betrat, hatte sich nichts verändert, keiner war da, nicht mal die Hexe.

      Er eilte in die Küche und öffnete die Luke zum Ofen in dem immer noch das Fleisch köchelte. Er packte das Stück, was die Form eines Torsos hatte, trug es mit Tüchern, welche ihn vor der Wärme schützten, mit sich und warf es in den brennenden Kamin des Wohnzimmers.

      Auf dem Fleisch, was nun im Feuer lag bildeten sich immer mehr Verbrennungen an der Oberfläche, es löste sich immer schneller auf und zerfiel komischerweise binnen von Minuten zu Asche. „Was hast du getan?“, erschallte es hinter ihm.

      Hensel drehte sich um und erblickte seine neue Mutter mit der schwarzen Katze im Arm. Panik stieg nun in dem Jungen auf, wusste er doch durch die Kinder, zu was diese Frau fähig war. Er versuchte aber selbstbewusst zu wirken: „Ich habe die hilflosen Wesen befreit, die du gefangen gehalten hast.“

      Er betrachtete sie genau. Diese Frau, die sich für Anfang zwanzig oder Mitte dreißig ausgab, war schon wieder um Jahre gealtert. „Ich brauche diese Kinder, sonst bin ich nur ein Altersschwaches ..?“

      Hensel beendete wutgeladen ihren Satz „..Monster. Die Kinder haben mir erklärt, dass du sie essen wolltest um ewige Jugend zu erhalten, aber eine Frage musst mir mir beantworten. Wenn du nur hinter der Jugend her bist und dafür Kinder essen musst, wieso hast du meinen Vater um den Finger gewickelt und bist hier?“

      Die Frau, die sich immer weiter in ihre derzeitige Situation hineinsteigerte, schrie: „Ich bin schön und jung und habe ein Leben in Reichtum und Liebe einfach verdient! Aber du willst mich leiden sehen! Du willst nicht das ich bleibe und das werde ich alles deinem Vater sagen!“

      Die schwarze Katze sprang wieder blitzschnell auf


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