Beethovens unsterbliche Geliebte. Joseph August Lux

Beethovens unsterbliche Geliebte - Joseph August Lux


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unter Glas im Eßzimmer sich noch immer wellen, wie sie es wegen der Feuchtigkeit getan. Ferner was die Öfen machen, ob sie gut brennen, und ob der Hofhund, der in eine Mausefalle getreten war, schon die kranke Pfote wieder heil und gesund habe. Ob sich die neue Rasse englischer Zuchtschweine bewähre und ob die Weinbergsarbeiten schon begonnen hätten. Endlich ob die Kinder der Gemeinde ordentlich die Schule besuchen und wie die neu angestellte Dorfschullehrerin ihr Amt versehe. Ob das alte Spinett im Gartenhaus zum Unterricht für die Söhne und Töchter der Gutsbeamten fleißig benützt und der strikte Auftrag befolgt werde, das Klavier und die sonstigen Instrumente des großen Musikzimmers zu schonen und in Ordnung zu halten für den Fall, daß man doch mit Sommers Beginn ungeachtet der Reisestrapazen draußen erscheinen und mit guten Freunden Musikfeste feiern wolle ...

      Die Töchter hatten auf alle Fragen abwechselnd nur mit einem einsilbigen: »Ja, Mama!« geantwortet oder mit einem ausweichenden Hinweis auf den Bruder Franz, der näheren Bescheid wisse; die Fragen hatten eine sehr einschläfernde Wirkung, nur die letzte Bemerkung über die Musikfeste machte alle lebendig und gesprächig.

      »Aber Mama, das wäre herrlich! Wie kommst du nur plötzlich auf diesen Gedanken?!« rief Josephine fröhlich aus. »Und weißt du, Theresa, wen wir dann einladen?!«

      Theresa beugte sich tiefer auf ihre Handarbeit und erwiderte nichts.

      »Ach, wenn's nur mit meinem Klavierspiel besser ginge«, seufzte Josephine. Und dann rasch, wie von einer Erleuchtung betroffen: »Mama, mir fällt etwas ein! Du hast gesagt, ich darf mir zu meinem kommenden Namenstag in vierzehn Tagen etwas wünschen – ich weiß jetzt was! Wirst du ja sagen, Mama?«

      »Wenn es nichts Unmögliches ist.«

      »Es ist gar nichts Unmögliches! Es ist vielmehr etwas höchst Einfaches.«

      »Nun, dann ist es schon gewährt.«

      »Dank, Dank, liebe Mama!«

      »Dürfen wir nicht wissen, was es ist«, fragte die Kusine Giulietta.

      »Ja freilich, Kind, wie soll ich dir denn sonst deinen Wunsch erfüllen«, fügte Mama hinzu.

      »Ach, den erfülle ich selber, nachdem ich nun einmal deine Erlaubnis habe,« lachte der Schelm, »aber ich will kein Geheimnis daraus machen: ich möchte bei Beethoven Klavierunterricht nehmen!«

      Die Eröffnung war verblüffend.

      Theresa ließ ihre Handarbeit fallen und sah die unternehmende Josephine fragend an: »Pepi, du bist aber eine!«

      Josephine warf den Kopf auf: »Warum denn nicht? Du kannst ja mitkommen und auch Stunden nehmen, wenn du willst.«

      Das war einleuchtend.

      »Ich fürchte, er wird uns nicht nehmen«, meinte Theresa plötzlich zaghaft.

      »Wir laden ihn einfach zu uns ein«, entschied die resolute Pepi. Darauf Theresa eifrig:

      »Nein, das ist ganz vergebens; und wenn er nicht kommt? Dann haben wir das Spiel verloren. Er nimmt keine Einladungen an, wie ich gehört habe. Drum ist es am besten, wir gehen selbst zu ihm!«

      »Du hast Courage, Theresa! Mehr wie ich!«

      Mama geriet ganz außer sich.

      »Aber, Kinder, Kinder, das geht ja nicht! So hab ich es nicht gemeint! Ich kann meine Erlaubnis unmöglich dazu geben. Wenn ihr de Olivera als Klavierlehrer haben wollt, meinetwegen, er gibt in aristokratischen Häusern Unterricht und ist ein Mann von guten Manieren.«

      »Ach, Olivera ist nichts. Du hast übrigens dein Wort gegeben, Mama; und ich bleibe dabei: Beethoven und kein anderer!«

      »Überdies, Mama, ist Erzherzog Rudolf Schüler Beethovens geworden«, warf Theresa ein. »Wo bleibt da Olivera in diesem Vergleich?«

      Giulietta verfolgte mit wachsendem Interesse die Debatte. »Beethoven, sagt mir, wer ist denn das? Habe den Namen nie gehört.«

      Gallenberg neigte sich zur schönen Kusine: »Komtesse, er verdient ihr Interesse gar nicht. Ein neuerer sehr häßlicher Musiker, der augenblicks in Wien von sich reden macht.«

      »Oh, häßlich also ist er?« wandte sich Giulietta fragend an ihre Kusinen, »das interessiert mich aber. Wo kann man den Mann sehen?«

      »Häßlich?!« riefen Theresa und Josephine jetzt wie aus einem Munde. »Nein – interessant ist er!«

      »Die Häßlichkeit würde ich ihm gerne verzeihen,« sagte die alte Gräfin, »aber er ist anmaßend, arrogant, fast brutal und gewöhnlich. Ich finde ihn abstoßend. Er nennt sich ›van‹, ist er denn von Adel?«

      »Er ist von Adel,« erklärte aufs entschiedenste Theresa, »ganz gewiß durch sein Genie.«

      »Die Frau Gräfin hat recht,« zeterte jetzt Gallenberg, der etwas nervös geworden war, »er ist anmaßend, brutal, gewöhnlich. Das ›van‹ ist kein Adel.«

      »Gallenberg!« sagte Giulietta leise und etwas irritiert, »unterdrücken Sie Ihre Beredsamkeit!« Eine verächtliche Handbewegung der ungnädigen Schönen, und er sank sofort seufzend auf seinem Stuhl zusammen.

      »Wo habt ihr diesen – – Beethoven kennengelernt?« wollte Giulietta wissen.

      Und nun ging es an ein lebhaftes Erzählen der Eindrücke vom letzten Freitagskonzert bei Lichnowsky, wobei Theresa und Josephine einander an begeisterten Schilderungen überboten.

      »Ach schade, Giulietta, daß du nicht dabei warst! Wenn du ihn gesehen hättest, wenn er am Klavier spielt und phantasiert – das vergißt man nicht mehr!« Josephine begann zu schwärmen: »Was dann auf seinem Gesicht vorgeht, ist gar nicht zu beschreiben. Es ist wie ein prachtvolles Gewitter, ganz wie seine Musik; aber auch zum Fürchten. Ich habe förmlich Angst vor ihm! Ich glaube, er kann recht zornig und böse sein.«

      »Nein,« entgegnete Theresa, »er ist herzensgut, ich weiß es. Das sagt schon sein idealer Blick!«

      »Er hat dich auch lange genug angeschaut«, bemerkte Josephine, der Racker, und lachte dazu.

      »Oh, im Gegenteil,« protestierte Theresa errötend, »ich habe immer nur bemerkt, daß er dich angeschaut hat, Josephine!«

      »Nun, dann hat er halt uns alle zwei angeschaut«, gab Josephine zu.

      »Shocking«, sagte die alte Gräfin und erhob sich. Die Jugend blieb allein im Zimmer.

      »Ich möchte aber wissen, warum er euch nicht hätt' anschauen sollen,« wunderte sich Giulietta, »das ist doch ganz natürlich; ich wenigstens täte mich furchtbar ärgern, wenn er mich nicht anschauen würde!«

      Gallenberg räusperte sich. »Hm!«

      »Aber die Theresa hat er länger angeschaut als mich«, eiferte Josephine.

      »Du beobachtest viel zu viel, Pepi!«

      »Ihr habt ja auch geredet miteinander; darf man wissen, was?«

      »Oh, das weiß ich selber nimmer!«

      »Und was hat denn er gesagt?«

      »Er? Ich glaube, er hat überhaupt nichts geredet. Er ist sehr wortkarg. Er war nur sehr ärgerlich über Haydn. Die Gräfin Thun hat's ihm ausreden wollen und hat's erst recht verdorben. Es war auch zu dumm!«

      »So, was hat sie denn gesagt?« forschte Giulietta.

      »Nun ungefähr, daß man seine Musik nicht versteht.«

      »Da hat sie recht gehabt«, ließ sich Gallenberg wieder hören. Aber die energische Giulietta schnitt ihm ungeduldig das Wort ab:

      »Gallenberg, schweigen Sie, wenn Sie reden wollen!«

      »Gut, dann rede ich, wenn ich schweigen will!«

      Die Hochblonde würdigte ihn überhaupt keiner Antwort mehr. »Aber sagt mir: ist er wirklich so häßlich? Wie sieht er denn eigentlich


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