Kurzgeschichtchen. Thomas Häring

Kurzgeschichtchen - Thomas Häring


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der Betrunkenen trugen ihr Übriges zur Heiterkeit der Beobachter bei. Als die Apostel mit dem Vorlesen fertig waren, forderte ein Spaßvogel aus der Menge eine Zugabe und so legten sie gleich noch mal los. Dieses Mal waren sie schon textsicherer und man verstand sogar Manches von dem was sie sagten. Nach der zweiten Runde tauschten sie untereinander die Blätter aus und versuchten sich allesamt jeweils in einer anderen Sprache. Das kam gut an bei den Leuten und der Marktplatz füllte sich immer mehr. Irgendwann traten die zwölf Tippelbrüder nicht mehr neben- und miteinander, sondern nacheinander auf und es entwickelte sich ein richtiger Wettbewerb, wer seinen Text am besten vortrug. Für die Leute war es sehr unterhaltsam, denn dadurch, daß derselbe Text, immer in einer anderen Sprache vorgetragen wurde, wurde es nie langweilig. Andreas rappte seinen Text, Johannes stotterte seinen, Petrus rülpste den seinigen und Jakobus machte aus dem seinigen ein Megaevent. Die Leute waren begeistert ob jener originellen Darbietungen und manche von ihnen fanden es sogar schade, daß man den Anführer dieser lustigen Spaßvogeltruppe gekreuzigt hatte, denn der hätte sicherlich dem Ganzen die Dornenkrone aufgesetzt. Völlig erledigt und durchgeschwitzt kehrten die volltrunkenen Apostel später in ihr Haus zurück. „Jungs, das war ganz große Klasse! Damit haben wir unseren Platz in der Weltgeschichte sicher“, behauptete Petrus. „Aber das ist doch absurd, das glaubst Du doch wohl selber nicht“, erwiderte der ungläubige Thomas. Die Anderen ignorierten ihn und seine Kritik und widmeten sich dem nächsten Kasten Bier. Sie feierten noch bis tief in die Nacht und verabschiedeten sich voneinander in fremden Sprachen, bevor sie umkippten und einschliefen. Der Grundstein für eine Weltreligion war gelegt, sie hatten es sich verdient.

      The Blasphemic Symphony Orchestra

      Zugegeben, ich war fürchterlich erschrocken, als ich eines Morgens aufwachte und an meinem Unterhemd riesige Schweißflecken abgebildet sah, denn bisher hatten sich die Flecken nicht so weit hochgetraut. Allerdings wurde es noch schlimmer, denn meine christliche Jesus-Freak-Mitbewohnerin geriet sogleich in religiöse Verzückung, als sie mich sah, was weniger an meinem ungepflegten Äußeren, als vielmehr an meinem Schweiß lag. „Thomas, Du alter Heide, Du hast tatsächlich die Jungfrau Maria ausgeschwitzt!“ platzte es aus ihr heraus. Sofort riß ich mein Unterhemd herunter, denn jene Anschuldigung traf mich als Atheisten doppelt schwer. Sie stürzte sich auf das übelriechende Wäschestück und liebkoste es minutenlang. „Ohne Schweiß kein Preis“, meinte ich grinsend, bevor ich mich in mein Zimmer zurückzog. Doch meine Ruhe war nur von kurzer Dauer, denn plötzlich kamen sieben Christen in mein Zimmer und machten sich über meine Dreckwäsche her. „Jawohl, so ist es recht. War doch gut, daß ich zu faul zum Waschen war“, stellte ich zufrieden fest, aber ihre enttäuschten Mienen verrieten mir, daß sie nicht gefunden hatten, wonach sie auf der Suche waren. „Behalte ihn im Auge! Es ist sehr gut möglich, daß er bald wieder eine heilige Persönlichkeit ausschwitzt“, schärften die Freaks meiner Mitbewohnerin ein. Jene behandelte mich an jenem Tag ausgesprochen freundlich und verzichtete sogar auf ihre Missionierungsversuche, die ich immer so elegant abgewehrt hatte. Am nächsten Morgen stellte ich erleichtert fest, daß mein Unterhemd trocken war und der Spuk damit ein Ende hatte. Meine Mitbewohnerin betrachtete mich enttäuscht, doch plötzlich leuchteten ihre Augen. „Wow! Das ist ja großartig! Du hattest heute Nacht einen Samenerguß in der Form des Gekreuzigten!“ Blitzschnell zog sie mir die Unterhose herunter und lief mit ihr davon, wobei sie sie wie eine Trophäe triumphierend hin- und herwedelte. „Hey, bring sie sofort zurück! Das ist meine letzte frische Unterhose gewesen!“ rief ich ihr nach. Schlecht gelaunt begab ich mich aufs Klo sowie auf die dortige Klobrille und kackte was das Zeug hielt. Beim Abwischen der verbliebenen Scheiße warf ich einen kurzen Blick auf mein Kunstwerk und erstarrte. Ich hatte einen Haufen in der Form eines Hakenkreuzes geschissen. Wenn das die Nazis rausbekamen, dann würde ich deren neuer Held werden und das hätte mir gerade noch gefehlt. Am Nachmittag hatte ich dann einen Termin beim örtlichen Bischof, welcher mich bewundernd anschaute. „Sie brauchen sich erst gar nicht bei mir einschleimen, denn ich glaube nicht an Gott“, stellte ich gleich zu Beginn klar. „Das freut mich sehr. Ich nämlich auch nicht“, gab er freimütig zu und es wurde daraufhin ein wirklich tolles Gespräch. Wir lästerten über die Gläubigen und Gläubiger, die Ungläubigen, die Falschgläubigen und über den Rest der Welt. Am Ende einigten wir uns darauf, meine Ausdünstungen zu einem Markenartikel zu machen und uns daran dumm und dämlich zu verdienen. Wir beschlossen außerdem, ein Orchester zu gründen, das lauter in der Kirche ungern gehörte Lieder spielen sollte. Und so verlor ich meine Vorurteile und wir schossen die Regensburger Domspatzen aus den Charts. Wir wurden weltberühmt und unsere gotteslästerlichen Lieder wurden auf der ganzen Welt nachgesungen, besonders im Iran.

      Die Bewerbung

      Sehr geehrte Damen und Herren,

      ich möchte mich hiermit bei Ihnen um die Stelle als Chef bewerben. Ich kann überhaupt nichts, rede immer nur Blödsinn und baue andauernd Mist. Letztens habe ich meine vorherige Firma in den Ruin getrieben und 500 Arbeitsplätze vernichtet. Ich habe ein gefälschtes Diplom, habe meine Doktorarbeit aus dem Internet gezogen und bin immun gegen Kritik, Vernunft und Intelligenz. Ich habe vor, Ihr Unternehmen zu ruinieren und mir jahrelang einen faulen Lenz zu machen. Ich bin ein inkompetenter Dilettant, ein Charakterschwein und ein Macho. Ich bin nachtragend, launisch und kann ein richtiges Arschloch sein. Meine Eltern habe ich so zur Verzweiflung getrieben, daß sie mich zur Adoption freigegeben haben und meine Geschwister habe ich per Ellenbogen bekämpft. Ich bin ein arroganter Fatzke, der wahnsinnig gut im Ignorieren, Verheimlichen und Vertuschen ist. Ich werde den ganzen faulen Säcken Beine machen, notfalls aus Holz, denn ich bin selbst eine stinkfaule Socke und kann es überhaupt nicht abhaben, wenn außer mir jemand nicht arbeitet. Außerdem kann ich keine Fremdsprache, bevorzuge einen diktatorischen Führungsstil und belästige meine Mitarbeiterinnen. Da ich so ein widerwärtiges Ekel bin, finde ich, daß ich mich für den Chefposten außerordentlich gut eigne.

      Verachtungsvoll

      The Boß

      Sehr geehrter Bewerber,

      mit großer Freude haben wir Ihre Bewerbung zur Kenntnis genommen und sind zu der Ansicht gekommen, daß Sie der perfekte Mann für uns sind. Wir brauchen knallharte, dynamische Rationalisierer und Modernisierer, Weicheier und Menschlichkeitsfuzzis sind bei uns fehl am Platz. Die Angestellten müssen spuren und sollen bluten. Wir sind eine großartige Firma, die weltweit einen exzellenten Ruf genießt und unser Image ist uns sehr wichtig. Wir suchen knallharte Typen wie Sie, die Köpfe rollen lassen. Ziehen Sie Ihr Ding knallhart durch und lassen Sie sich nicht von Betriebsräten und Gewerkschaften beeinflussen! Gewinn war gestern, Profitmaximierung lautet das Gebot der Stunde. Wir finden, daß Sie sehr gut zu uns passen würden. Zeigen Sie keinerlei Beißhemmungen, Mitleid ist fehl am Platz. Nicht umsonst leben wir im Raubtierkapitalismus und haben uns darin außerordentlich gut behauptet. Wir wünschen uns von Ihnen eine starke Führung, hartes Durchgreifen und jede Menge Skrupel- und Rücksichtslosigkeit. Zeigen Sie Ihren Untergebenen ruhig, wie gemein Sie sein können und viel Sie mehr verdienen! Provozieren Sie diese Luschen und machen Sie ihnen Feuer unterm Arsch! Kämpfen Sie für weniger Arbeitnehmerrechte! Verprügeln Sie unzuverlässige Mitarbeiter und zeigen Sie Ihre Zähne! Wir stehen immer hinter Ihnen und unterstützen Sie. Keine Gnade mit dem Pöbel, diesem Abschaum! „Feuern statt feiern“, lautet die Devise.

      Wir freuen uns auf Sie

      Ihre Deutsche Keletom

      Der Preis ist heiß, Saupreiß!

      „Und hier unser Sonderangebot: Wenn Sie unseren Popel Torso zum Sonderpreis von 6000 Euro kaufen, dann bekommen Sie einen Castortransport gratis dazu!“ rief der Autoverkäufer voll Überschwang. „Also, das Auto finde ich ja beschissen, aber so einen Castortransport wollte ich schon immer mal haben“, flüsterte Detlef seiner Freundin Bärbel zu. „Du spinnst doch! Was sollen wir mit diesem radioaktiven Scheißdreck?“ zischte sie wütend. „Also so heftig brauchst Du den Popel Torso nicht beschimpfen. Natürlich ist er kein AUW Phantom und auch kein AUW Battle, aber wenigstens fährt er.“ „Ich meinte ja auch die Zugabe. Das ist


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