Im heiligen Lande. Selma Lagerlöf

Im heiligen Lande - Selma Lagerlöf


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       Im heiligen Lande

       Selma Lagerlöf

      Inhaltsverzeichnis

       Der heilige Fels und das heilige Grab.

       Bo Ingmar Maansson.

       Der Kreuzträger

       »Mauern aus lautrem Gold und Tore von reinem Kristall.«

       Gottes heilige Stadt Jerusalem.

       Auf den Flügeln der Morgenröte

       Baram Pascha

       Blumen aus Palästina

       In Gehenna.

       Der Paradiesesbrunnen.

       Ingmar Ingmarsson

       Barbro Svenstochter

       Der Derwisch

       In Tagen der Armut

       Ingmars Kämpfe

       Auf dem Ölberge

       »Wir werden uns wiedersehen!«

       Heimkehr von der Wallfahrt

       Impressum

      Der heilige Fels und das heilige Grab.

      Es war ein brennend heißer Augustmonat in Palästina. Jeden Tag stand die Sonne gerade über dem Kopf der Menschen. Da war nicht eine Wolke am Himmel, und seit dem April hatte es nicht geregnet. Es war gar nicht schlimmer, als es um diese Zeit des Jahres zu sein pflegte, aber es war trotzdem fast unerträglich. Man wußte nicht recht, was man tun sollte, um die Hitze fernzuhalten, oder wohin man fliehen sollte, um ihr zu entgehen.

      Unten in Jaffa war es vielleicht noch am besten. Gerade nicht in der Stadt selbst, die mit ihren dicht zusammengedrängten Häusern auf ihrem steilen Felsen aufragte wie eine einzige große Festung, wo ein unleidlicher Geruch aus den engen Straßen und den großen Seifensiedereien aufstieg. Aber die Stadt lag dicht am Meer, und von dort kam doch etwas Kühlung. In der Umgegend konnte es sicher einigermaßen erträglich sein, denn Jaffa lag inmitten von wenigstens fünfhundert Orangenhainen, in denen die unreifen Apfelsinen unter harten, dunkelgrünen Blättern hingen, die sich ganz und gar nicht von dem Sonnenschein beeinflussen ließen.

      Aber wie heiß war es nicht auch in Jaffa! Die hohen Rizinusbüsche standen mit ihren riesengroßen, verwelkten und eingeschrumpften Blättern da, nicht einmal die widerstandsfähigen Pelargonien besaßen Kräfte genug, um länger zu blühen, sondern lagen auf Steinhaufen und Sandgruben hinwelkend da, fast begraben unter Haufen von Staub. Wenn man die roten Blüten der Kaktushecken sah, kam es einem vor, als müsse das all die Wärme sein, die die dicken Stämme im Laufe des Sommers eingesogen hatten, und die nun in großen roten Flammen herausschlug. Man verstand erst so recht, wie heiß es war, wenn man sah, daß die Kinder, die über den Strand dahinliefen, um an das Meer hinauszugelangen und zu baden, die Füße hoch aufhoben und jammerten – der schöne, weiße Sand war so warm wie glühende Kohlen.

      Und wenn man es nun in Jaffa nicht aushalten konnte, wohin sollte man dann fliehen? Da war es wenigstens noch besser als auf der meilenweiten Ebene von Saron, die jenseits der Stadt zwischen dem Meer und den Bergen lag. Es waren ja noch Menschen in den Dörfern und Städten, die über die Ebene zerstreut lagen, aber es war sehr schwer zu begreifen, wie sie es fertig brachten, nicht vor Hitze und Dürre zu vergehen. Sie wagten sich auch nur selten aus ihren Häusern heraus, die ohne Fenster waren, und verließen nie die Stadt, wo doch die Mauern der Häuser und einige vereinzelte Bäume ein wenig Schutz gegen die Sonne boten.

      Draußen auf der offenen Ebene konnte man ebensowenig einen grünen Grashalm wie einen Menschen finden. Alle die prachtvollen roten Anemonen und Mohnblüten, all die kleinen Gänseblümchen und Nelken, die die Erde mit einem dichten rosa Teppich bedeckt hatten, waren verschwunden. Ebenso die Weizen-, Roggen- und Durraernte, die auf den bestellten Feldern in der Nähe der Stadt gewachsen war, sie war schon längst gemäht und eingefahren, und die Erntearbeiter mit ihren Ochsen und Eseln, mit ihrem Singen und Tanzen waren heimgezogen in ihre Dörfer. Die einzige Spur, die noch von der Herrlichkeit des Frühlings zurückgeblieben, waren die hohen, welken Stengel, die über dem versengten Felde aufragten, und die einstmals schöne, duftende Lilien getragen hatten.

      Es gab wirklich eine ganze Menge Menschen, die behaupteten, daß sie den Sommer am allerbesten in Jerusalem ertragen könnten. Sie sagten, daß die Stadt ja freilich eng und von Menschen überfüllt sei, da sie aber auf dem Kamm des langen Bergrückens liege, der durch ganz Palästina lief, könne nicht ein Windhauch über das Land hingehen, aus welcher Himmelsrichtung er auch komme, ohne daß seine Kühle nicht die heilige Stadt erreiche.

      Aber wie es sich auch mit den gepriesenen Winden und der leichten Bergluft verhalten mochte, so war doch auch in Jerusalem ausreichend Sommerhitze. Die Leute schliefen des Nachts auf den Dächern und schlossen sich des Tages ein. Sie mußten sich damit begnügen, übelriechendes Wasser zu trinken, das sich in der Winterzeit in unterirdischen Zisternen angesammelt hatte, und obendrein befürchten, daß es versiegen könne. Der geringste Windhauch wirbelte dichte Wolken von Kalkstaub auf, und ging man auf den weißen Wegen außerhalb der Stadt dahin, so versank der Fuß in dicken, seidenweichen Staub.

      Aber das schlimmste war, daß die Sommerhitze die Menschen am Schlafen verhinderte. Alle schliefen schlecht, aber viele lagen Nacht für Nacht wach da. Und diese Schlaflosigkeit hatte zur Folge, daß die Einwohner von Jerusalem am Tage niedergeschlagen und reizbar waren und des Nachts beängstigende Gesichte sahen und von Angst und Verzweiflung geplagt wurden.

      In einer solchen Nacht lag eine Amerikanerin in den mittleren Jahren, die schon längere Zeit in Jerusalem ansässig war, und wand und warf sich auf ihrem Lager umher, ohne einschlafen zu können. Sie trug ihr Bett aus dem Zimmer auf die offene Galerie hinaus, die rings um das Haus herumlief, sie legte kalte Umschläge auf ihren heißen Kopf, aber es half alles nichts.

      Sie wohnte ungefähr fünf Minuten vor dem Damaskustor, in einem großen, palastähnlichen Hause, das ganz für sich lag. Man hätte also glauben sollen, daß die Luft dort frisch sei, aber in dieser Nacht war es ihr, als habe sich die Schwüle der großen Stadt auf ihr Haus herabgesenkt.

      Es wehte ja freilich ein wenig Wind, aber der kam aus der Wüste und war heiß und scharf, als sei er voll von unsichtbarem Staub. Obendrein hatte eine Schar Straßenhunde sich auf einen Streifzug vor die Stadt begeben und erfüllte die Luft mit einem jämmerlichen, anhaltenden Gebell. Als die Amerikanerin einige Stunden wach gelegen hatte, überkam sie eine unendliche Niedergeschlagenheit. Sie versuchte, bei dem Gedanken zu verweilen,


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