RedStar. Juryk Barelhaven
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Juryk Barelhaven
RedStar
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel
Linda Goyer ließ Gideon an dem Gartentisch zwischen der Barackenbude und dem Kiosk Platz nehmen und bot ihm eine Tasse Kaffee an.
Er betrachtete die wenigen vorbeiziehenden Leute und nippte an seinem Kaffee. „Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte“, begann Gideon. „Ich kann mir gut vorstellen, dass du hier nicht gerne darüber sprechen willst.“
„Es tut mir leid, dass ich dich damit behelligen muss, Gideon. Ich habe das Gefühl, das ich schon viel zu lange damit gewartet habe. Mein Junge hat sich verändert. Marlon verheimlicht mir etwas. Und du bist der Einzige, der mir helfen kann.“
„Was weißt du?“
„Nur, was in der Times steht“, erwiderte Linda. „Eine neue Droge, die schnell abhängig macht. Man nennt sie synthetische Droge, oder so. Die anderen Stationen werden von ihr überschwemmt. Jetzt ist sie auch bei uns angekommen. Oder kennst du ähnliche Fälle?“
„Wie kommst du darauf, dass Marlon etwas damit zu tun hat?“
„Gestern fehlten in der Kasse zweihundert Credits und ich kann mir absolut nicht erklären, wo das Geld hingekommen sein könnte. Meine Uhr ist weg. Mein Sohn weicht mir aus und schließt sich in seinem Zimmer ein. Den Job bei FargoEX hat er verloren.“
„Ladendiebstahl?“
„Heute Morgen telefonierte ich mit seinem Vorarbeiter, Gideon.“ Sie schwieg kurz und starrte zum Boulevard. „Es geht alles so schnell. Ich habe das Gefühl eine schlechte Mutter zu sein. Wenn sein Vater noch hier wäre…“
„Es liegt nicht an dir, Linda.“
„Entschuldige, dass ich dich damit behellige. Wir kennen uns schon seit Jahren, aber ich weiß immer noch wenig über dich.“ Fast zaghaft ergriff sie seine Hand und drückte erstaunlich fest zu. „Bitte rede mit ihm. Vielleicht bekommt der Sheriff ja mehr heraus.“
Gideon nickte und stellte die Tasse ab. „Wann kommt er zurück?“
„Ich weiß nicht mal, wo er jetzt gerade ist. Gestern hat er den Spiegel im Bad zertrümmert und lief einfach an mir vorbei. Sein Bettzeug ist total verschwitzt, seine Zimmer nicht aufgeräumt. Ich brauche Hilfe.“
„Linda, vielleicht ist es auch nichts. Vielleicht weiß er gerade nicht, wo sein Platz ist. Vielleicht ist es nur eine Phase. Aber ich rede mit ihm. Von Mann zu Mann. Wie alt ist er jetzt?“
„Siebzehn. Er ist das Einzige, was mir von ihm geblieben ist.“
„Hat er Freunde?“
„Früher war er mit Chris unterwegs, aber von seiner Mutter weiß ich, dass Chris kaum Zeit hat. Er ist in Sektor Vierzehn und arbeitet bei seinem Vater in der Lehre. Schlosser, glaube ich. Von der Schule ist kaum noch jemand da. Die meisten haben die Koffer gepackt und sind in andere Systeme gezogen. Ja, vielleicht ist er einsam.“ Ihr Gesicht verzog sich. „Ich bete, dass es nur das ist.“
„Aber du denkst an Drogen. War er das?“
Sie wandte den Blick ab, offensichtlich peinlich berührt. „Das… ist nichts. Ich bin gestürzt.“
„Linda.“
„Wirklich. Ich habe nicht aufgepasst. Die Schranktür stand offen.“ Sie starrte zur Kioskwand und strich sich die Strähne über das Feilchen, das hässlich ihr Gesicht zierte. „Tu meinem Jungen nicht weh.“
„Ich rede mit ihm – noch heute. Ist er das?“
Sofort ging in Linda eine Veränderung vor. Habachtstellung und tiefer Kummer. Gideon prägte sich das Bild gut ein, während der schlaksige junge Mann in den verblichenen Jeans herangetrottet kam. Die Hände in den Jackentaschen und das Gesicht voller Argwohn starrte er hinüber, als würden die Erwachsenen über ihn konspirieren. Früher war Marlon Goyer sicherlich ein gutaussehender junger Mann gewesen, doch Gideon musste kein Ermittler sein um zu spüren, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Die bleichen Wangen waren eingefallen, die krausen Haare standen zur Berge und ein Blick, der töten konnte. Mit einem Schwung wandte sich der junge Mann um und war sofort wieder verschwunden.
Linda starrte ihm nach und konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken.
Mit ruhigen Schritten ging der Sheriff an verlassenen, leergeräumten Läden und überfüllten Mülleimern vorbei, ganz mit seinen Gedanken beschäftigt und mit ernster Miene. Gideon Nikolaeff besaß einen trainierten Körper, der mal schön gewesen war – jetzt fielen ihm andere Adjektive ein. Braune Allwetterstiefel, eine dunkle Jeans, darüber eine stichsichere Weste und eine zerschlissene Jeansjacke mit einem Sheriffstern drauf – ein metallenes Schmuckstück, das zusammen mit der Waffe im eingenähten Holster seine Rolle in der Station unterstrich. Seine Haltung drückte eine stille Duldsamkeit aus, die nicht daher rührte, dass er ein bestimmtes Ziel verfolgte, sondern die das Ergebnis einer allgemeinen Gleichgültigkeit war, so als kümmere er sich wenig darum, was morgen geschah, oder ob es überhaupt ein Morgen gab. Er fand es weitaus interessanter, in sich hineinzuschauen. Seine nur allzu bekannte Umgebung bot ihm nur wenig Anlass zur Freude. Die Luft roch verbraucht; eine Mischung aus Kohl und scharfen Ausdünstungen. Aus einem Lautsprecher dröhnten Retro Jazz und Funk, untermalt von leisem Stimmengewirr und gelegentlichen Schreien.
Es begegneten ihm zerlumpte Gestalten, Frauen wie Männer, alte wie sehr junge Menschen. Wenige nickten ihm zu, die meisten ignorierten ihn. Gideon sprach nur wenig mit ihnen, wenn er nicht gerade mit einem Problem zu ihnen kamen. Über vierhundert Menschen lebten vor sich hin; seit vier Jahren umkreiste die Station einen Gasriesen, der für die Gesellschaft uninteressant geworden war. Ursprünglich gebaut, um den reichen Mineralreichtum von KG-147 auszubeuten und die Handelsrouten zwischen der Erde und dem Outer Rim zu bedienen, fiel die Station aufgrund wirtschaftlicher Schwankungen und der Umleitung der Flugbahn in den Niedergang. Sie war eine massive Station, fast achtzehn Kilometer breit und diente seit vier Jahren als Freihafen und kommerzieller Außenposten im Sektor Zeta Wallskamp. Vor dem Niedergang hatte es eine ständige Wohnbevölkerung von 400 gegeben, obwohl die Station groß genug war, um rund 3000 Einwohner unterzubringen. Nur sporadisch kamen Touristen herbei, um sich auf dem Panoramadeck den Gasriesen anzusehen – das war aber auch schon alles. Falberg drohte eine Geisterstadt zu werden.
Nur das stumme Ertragen des eigenen Schicksals. Es gab zwar Frieden, aber eine schwere Melancholie lastete auf alle wie ein feuchtes Segeltuch, das alles niederdrückte. Nur wenige sprachen sich ab, kümmerten sich um den Müll,