Grashalme. Walt Whitman

Grashalme - Walt Whitman


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– und wieder hinunter, toll vor Aufregung.

       Ich springe in das niedergelassene Boot; wir rudern auf unsere stilliegende Beute zu;

       Vorsichtig, still pirschen wir uns an sie heran; ich gewahre die bergähnliche Masse, die schläfrig sich sonnt;

       Ich sehe, wie der Harpunier aufrecht steht – sehe, wie die Waffe seinem kräftigen Arm entsaust;

       Oh eilig weit hinaus der verwundete Wal in den Ozean; er taucht unter, flieht windwärts, schleppt mich hinter sich her;

       Und dann seh' ich ihn auftauchen, um Luft zu holen; wir rudern näher heran;

       Ich sehe, wie eine Lanze ihm in die Seite getrieben, tief eingebohrt und in der Wunde herumgedreht wird;

       Wir wieder rückwärts von ihm ab; ich sehe ihn nochmals untertauchen; schnell schwindet ihm das Leben;

       Wie er auftaucht, stößt er Blut aus; mit engeren und immer engeren Kreisen seh' ich ihn rund herum schwimmen und das Wasser scharf durchschneiden – ich sehe ihn sterben;

       Er macht einen krampfhaften Sprung im Zentrum des Kreises und fällt dann flach auf die Seite, regungslos im blutigen Schaum.

       Oh mein Greisenalter! Die edelste aller meiner Freuden!

       Meine Kinder und Enkel, mein weißes Haar und mein weißer Bart;

       Meine Reife, meine Ruhe und Würde, der Abschluß meiner langen Lebensstrecke!

       Oh Freude gereifter Weiblichkeit! Oh Endglück!

       Ich bin über 80 Jahre alt; ich bin die ehrwürdigste Mutter.

       Wie klar ist mein Geist. – Wie alle sich zu mir hingezogen fühlen!

       Was für Anziehungskräfte sind denn das, die stärker sind als alle früheren? Was doch für ein Blühen, mehr als das Blühen der Jugend?

       Was für eine Schönheit senkt sich auf mich herab und steigt aus mir empor?

       Oh die Freuden des Redners!

       Die Brust zu dehnen; aus Hals und Brustkasten den vollen Donner der Stimme hervorrollen zu lassen!

       Die Menge mit mir rasen, weinen, hassen, begehren zu machen!

       Amerika zu leiten! – Amerika mit gewaltiger Zunge zu bezwingen!

       Oh die Freude meiner Seele, die mit sich selbst im Gleichgewicht ruht; das wahre Sein aus der Materie hervorholt und es liebt; Charakter wahrnimmt und in sich

       aufnimmt!

       Meine Seele, die zu mir zurückgestrahlt wird aus allem, aus Gesicht, Gehör, Gefühl, Verstand, Lautbildung, Gedächtnis und dergleichen!

       Das wirkliche Leben meiner Sinne und meines Fleisches, das über mein Fleisch und meine Sinne hinausgeht;

       Mein materieller Leib und meine leiblichen Augen;

       Jetzt steht es mir über jeden Zweifel fest, daß es nicht meine leiblichen Augen sind, die in letzter Hinsicht sehen,

       Noch mein materieller Leib, der in letzter Hinsicht liebt, geht, lacht, ruft, umarmt und zeugt.

       Oh des Farmers Freuden!

       Des Mannes von Ohio, Illinois, Wisconsin, Kanada, Jowa, Kansas, Missouri, Oregon!

       Bei Tagesanbruch sich zu erheben und sogleich zur Arbeit zu eilen!

       Im Herbst das Land für die Wintersaat zu pflügen;

       Obstgärten zu pflegen, Bäume zu pfropfen und im Herbst die Äpfel zu ernten.

       Oh, im Schwimmbad zu baden oder an einer schönen Stelle am Ufer;

       Im Wasser zu platschen! Bis über die Knöchel drin zu waten! Oder nackt am Gestade entlang zu rennen!

       Oh die Raumvorstellung!

       Die Vorstellung vom Überfluß aller Dinge, und daß es keine Grenzen gibt!

       Aufzutauchen und eins zu sein mit Firmament, Sonne, Mond und eilenden Wolken!

       Oh die Wonne des männlichen Selbstbewußtseins!

       Niemandem Untertan zu sein! Niemandem, weder einem bekannten noch unbekannten Tyrannen, willfährig zu sein!

       In aufrechter Haltung einherzuschreiten, mit leichtem, elastischem Schritt!

       Mit voller sonorer Stimme aus breiter Brust zu sprechen,

       Und die eigene Persönlichkeit allen andern Persönlichkeiten der Erde entgegenzustellen.

       Kennst du die herrlichen Freuden der Jugend?

       Freuden an lieben Gefährten, Scherzwort und lachenden Gesichtern?

       Freude am frohen, lichtstrahlenden Tag? Freude am hochatmenden Kampfspiel?

       Freude an holder Musik? Freude am hellstrahlenden Ballsaal und an Tänzern?

       Freude an reichlicher Mahlzeit, kräftigem Trinkgelage und am Trinken?

       Doch, oh meine erhabene Seele!

       Kennst du die Wonnen des stillen Denkens?

       Die Wonnen des freien, einsamen Herzens; des zärtlichen, trauernden Herzens?

       Die Wonnen des einsamen Ganges mit niedergedrücktem und doch stolzem Gemüt, das Leiden und Mitsichringen?

       Die geistigen Wehen, die Ekstasen, die Wonnen feierlicher Selbstvertiefung bei Tag und bei Nacht?

       Die Wonnen des Todgedankens; an die großen Sphären: Zeit und Raum?

       Die ahnungsvollen Wonnen besserer, höherer Liebesideale; am göttlichen Weibe, dem süßen, ewigen, vollkommenen Gefährten?

       Dies alles sind deine eigenen unsterblichen, die deiner würdigen Freuden, oh Seele!

       Oh, Zeit seines Lebens ein Herrscher und nicht ein Sklave des Lebens zu sein!

       Dem Leben zu begegnen als ein Eroberer!

       Keine Dünste, keine Langeweile, keine Klagen mehr noch höhnische Kritiken;

       Nur diese stolzen Gesetze von Luft, Wasser und Erde, die mir beweisen, daß meine innerste Seele unerschütterlich ist!

       Und daß nichts außer mir jemals über mich Gewalt bekommen soll!

       Doch nicht einzig die Freuden des Lebens seien besungen – ich denke auch wieder an die des Todes:

       Die schöne Berührung des Todes, die besänftigt und betäubt für einen Augenblick, wie's in der Natur liegt;

       Ich lege meinen unreinen Leib ab, damit er verbrannt, zu Asche gemacht und beerdigt werde;

       Mein wirklicher Leib aber bleibt mir sonder Zweifel für andre Sphären;

       Mein verlassener Leib ist mir nichts mehr; er kehrt zurück zur Reinigung, zu weiterer Verwertung und zu ewiger Nützung der Erde.

       Oh, anzuziehen mit mehr als gewöhnlicher Anziehungskraft!

       Wie das ist, weiß ich nicht – doch sieh! etwas, das keinem andern sonst gehorcht,

       Das immer angreift, nie sich zu verteidigen hat – wie magnetisch doch zieht es an!

       Oh, gegen eine große Übermacht zu kämpfen; Feinden unerschrocken zu begegnen!

       Ganz allein ihnen gegenüberzustehen; zu erproben, was einer allein imstande ist!

       Streit, Pein, Gefängnis, öffentlicher Ächtung fest ins Gesicht zu blicken!

       Das Schafott zu besteigen oder mit vollkommenem Gleichmut den Mündungen der Kanonen entgegenzugehen!

       In Wahrheit ein Gott zu sein!

       Auf einem Schiff zu segeln auf See!

       Das langweilige, ewige Festland zu verlassen!

       Zu verlassen die ermüdende Gleichmäßigkeit der Straßen, Bürgersteige und Häuser;

       Dich, du unbewegliches festes Land zu verlassen und ein Schiff zu besteigen,

       Und segeln, segeln, segeln!

       Oh, das Leben


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