Die vorgespielte Gerechtigkeit. Arber Shabanaj

Die vorgespielte Gerechtigkeit - Arber Shabanaj


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seinen Verpflichtungen nachgegangen war, ohne einmal dabei zu irgendeiner Tätigkeit „Nein“ zu sagen. Derjenige, der so viel wie ein „Tauber“ sprach.

      Seitdem sie ihm die Bestätigung über seine neue Wohnung im Zentrum gegeben hatten, bedankte er sich regelrecht bei der Kommune und bei dem Land öffentlich und intern, sodass jemand aus der Nachbarschaft unter seinem „Säuferbart“ lächelte, als er ihn hörte und dabei Agron Iravosok als eine Marionette bezeichnete.

      Vorgestern, als er seinen Umzug mit dem Sprinter seines Bekannten erledigte, schenkte die Hausmeisterin des Asylbewerberheims ihm eine Vase mit einer Viola, die gerade blühte. Seiner Tochter sagte sie, sie solle sie auf die Fensterbank des Zimmers stellen, da auf der Bank Platz und vorzugsweise Licht genug wären. Die Hausmeisterin bat sie drei Mal darum, die Viola ans Licht zu stellen.

      Agron Iravosok sah die Ehefrau und Tochter zum ersten Mal in einer Wohnung, bisher hatte er sie in dem Raum-Knast, wo sie lebten, nur im Halbdunkeln gesehen. Regelmäßig im Lichtschatten. Heute aber ...

      Wenn alle Sachen geordnet sind, wird er sich trauen, seine Verwandten endlich nach so vielen Jahren einzuladen. Alles drehte sich in Agron Iravosoks Kopf, jetzt, wo er dort stand und darauf wartete, in das Büro des Bürgermeisters einzutreten.

      Letztendlich ging die Streitigkeit im Büro zu Ende und Agron konnte die Stimme des Bürgermeisters hören, der sagte: „Komm jetzt, stell dir vor, ich habe nichts gehört, hier eine Zigarette, bitteschön ...“

      Agron Iravosok schüttelte den Kopf. Er wollte nicht glauben, dass sich der Bürgermeister erneut auf solche derbe Beleidigungen einließ und weich und kuschelig dem anderen schließlich den Schwanz streichelte.

      Mit seiner Ehefrau hatte Agron darüber eine Nacht zuvor gesprochen. Für die Wohnung hatte der Bürgermeister von ihnen nichts verlangt, jedoch sollte man ihn nicht ganz „ohne“ lassen. Da letzten Endes die Tochter bald mit der Schule fertig sein würde, wäre das Stipendium erforderlich.

      Außerdem, auch die Menschen, als ob sie eins wären: Alle wunderten sich, wie Agron Iravosok, ein „Stück Arbeiter“ und ein Asylant, es bloß schaffte, die Wohnung in den Griff zu bekommen. Weder im Erdgeschoss noch in der fünften Etage, wo üblicherweise die älteren Menschen, Slawen und Rotationsmenschen wohnten, sondern in der dritten Etage. Und das Ganze quasi ohne ..., selbst einen Kaffee hatte er dafür nicht ausgeben müssen!

      Agron stand auf. Den Raum, in dem die Städtischen warteten, betrat der Teamleiter des Sozialamtes, Herr Slawa.

      „Guten Abend, Herr Agron!“

      „Guten Abend, Herr Slawa!“

      „Wartest du schon lange?“ [Autor ergänzt (I): Er wird zunächst mit dem Nachnamen angesprochen und dann geduzt! Das ist die wörtliche Rede des Teamleiters …]

      „Nein, eine Stunde.“

      „Na dann, gut ...“

      Slawa betrat, ohne zu klopfen, das Büro, in dem der Bürgermeister wartete, während Agron sich die Frage stellte, woher Slawa wusste, dass er von dem Bürgermeister eingeladen worden war. Egal, er hatte keinen Grund, unruhig zu werden. Slawa und den Bürgermeister sah er schließlich regelmäßig zusammen.

      Sobald Slawa eingetreten war, verließ derjenige, der sich mit dem Bürgermeister gestritten hatte, den Raum. Die Bürotür blieb offen und Agron stand auf, in der Erwartung, dass sie ihm den Eintritt anbieten würden.

      In der Tat, sie hatten ihn nicht eingeladen, mit seiner Ehefrau zusammen zu kommen, doch er dachte, es wäre sicher viel besser, zu zweit dort zu sein.

      Warum hatten sie ihn eingeladen?

      „Über wen wurde entschieden, zu der Familie Agron Iravosok geschickt zu werden?“, hörte Agron leise die Stimme des Bürgermeisters, der den Teamleiter des Sozialamtes, Herrn Slawa, fragte.

      „Sie werden Frau Korçula Nictylemann dort hinschicken ...“

      Agron Iravosok zitterte. Er zitterte und schaute seiner Frau direkt in die Augen. Doch er erlitt keinen Schock. „Keine Ahnung hat die Arme!“, sprach er einfach so mit sich selbst. Einfach so nahm er sie mit.

      „Doch Frau Korçula Nictylemann was für eine war sie?“, fragte sich Agron und hob seine Blicke hoch über den Eingang, da wo alle Porträts der eminenten Mitglieder der Reihe nach angebracht waren. Sie war die einzige Frau unter ihnen. Sehr selbstbewusst und kompetent wirkte sie. Sicherlich werden sie sie zum kommenden Fest zu Besuch bei ihm in die neue Wohnung schicken.

      „Komm, Herr Agron Iravosok, komm!“

      Agron knetete seine Mütze in der Hand zusammen. Slawa schaute ihm mit einem freundlichen Blick entgegen.

      „Hast eine Wohnung bekommen, Herr Agron?“, fragte er.

      „Jawohl, Herr Slawa.“

      „Schöne Wohnung, glaube ich.“

      „Wir hatten es sehr schlecht, Herr Slawa. Das kommt mir wie ein Traum vor. In der Tat, nur ein Raum mit Küche, doch in einem Kellerraum haben wir uns Jahre lang aufhalten müssen, im Dreck und im Dunkeln.“

      Herr Grünewald und Slawa schauten sich an.

      „Wenn wir das Licht der Tatsachen zu sehen schaffen, Herr Agron, dann haben wir alles ...“

      „Genau so ist es, Herr Slawa, genau so, dem Licht verdanken wir auch unser Leben.“

      Slawa knackte die Finger, wie es üblicherweise Männer in Mordfällen taten.

      Agron begriff das auch, aber er verstand wiederum auch nicht, was hier los war und warum sie ihn eingeladen hatten. Letzten Endes, jetzt konnte er wohl jedem herzlich willkommen sagen, selbst einem Minister.

      „Du weißt, Herr Agron, dass der 3. Oktober vor der Tür steht.“

      Wie soll Agron es nicht wissen? Selbst wenn er es vergessen haben sollte, Radio Gypparrtall machte jeden Morgen seinen Job. Sogar die neue Wohnung wurde ihnen kurz vor dem 3. Oktober gegeben.

      Agron schüttelte den Kopf.

      „Letzten Abend sind wir in einer Amtssitzung zusammengekommen. Alle Menschen sagten, dass du, Agron Iravosok, zu uns gehörst und außerdem sehr stark integriert bist.“

      „So ist es, Herr Slawa, genau so.“

      „Selbst wenn du Agron heißt, hast du dich sehr gut angepasst?! ...“

      „Ich kann auch Heinrich Fliegenschiss heißen, wenn Sie mir einen neuen Namen geben möchten. Dahingehend sollten Sie dennoch wissen, dass der typische deutsche Name wie Kazimir-Zemaljak Parraçin nicht bei jedem Bürger dieses Landes verstärkten Anklang findet. Also, ich habe alles für Sie getan, ich bin hier und stehe vor Ihnen ...“

      „Und für die Gegend im Zentrum, zum Fest, hatten wir dafür zwei Mitglieder, den Vorsitzenden und Frau Korçula Nictylemann ...“

      „Im Übrigen, hat Ihre Frau jetzt ein neues Attest?!“, fragte Slawa unerwartet.

      „Jawohl, Herr Slawa, hat sie ...“

      „Unabhängig davon, sie hat hier keinen Sprachkurs belegt! Ihre Abschiebung ist noch in der Bearbeitung. Du, Agron, mit deiner Tochter, ihr dürft vorerst hier in Deutschland bleiben! ... Und ich empfehle Ihnen, Ihre Ehefrau sollte die Abschiebung freiwillig akzeptieren. Denn nur so wird ihr eine erneute Einreise nach Deutschland bewilligt. Vorher aber muss sie in dem `Kikiriiikuuu´ einen Deutschkurs belegen! ...“ [Autor ergänzt (II): Jetzt siezt Herr Slawa ihn wieder! Das ist die wörtliche Rede des Teamleiters. Vor dem Hintergrund ist das wechselnde Siezen und Duzen nachvollziehbar …]

      „Sie spricht doch ausgezeichnet Deutsch! Ich habe auch keinen Deutschkurs absolviert und ... Dabei stehen einem aber häufig die Haare zu Berge, wenn man einige sogenannte ‚Fachärzte‘, beispielsweise für Radiologie, Orthopädie und andere, reden hört. Denn diese sind der deutschen Sprache kaum mächtig und stammen ursprünglich aus mächtigen slawischen Ländern. Der Staat kann und darf


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