Anhaltender Schmerz. Ute Dombrowski

Anhaltender Schmerz - Ute Dombrowski


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sagte Hannes jetzt, der auch gekommen war, um sich den neuen Kollegen anzuschauen.

      „Das kriege ich schon hin. Als Chef wird es ruhiger und das finde ich gut. Das letzte Jahr war aufregend genug.“

      „Tja, aber du bist jetzt immer schuld, wenn deine Untertanen etwas verbocken.“

      Bianca lachte laut.

      „Wir verbocken nichts, mein Freund, wir bringen die Verbrecher zur Strecke.“

      „Ich höre Verbrecher?“, kam eine freundliche Stimme von der Tür her.

      Alle drehten sich um und sahen den sportlich gekleideten jungen Mann, um dessen blonde Locken ihn sicher so manche Frau beneidete. Robin kam herein, gratulierte Ferdinand und baute sich vor Bianca auf.

      „Ich bin bereit, was liegt an?“

      Jetzt lachte Hannes und fing sich einen bösen Blick von Bianca ein.

      „Ach, das hast du gemeint mit hoch motiviert.“

      „Ähm … ich … aber…“, stammelte Robin plötzlich und errötete.

      Hannes trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schultern. Er stellte sich vor und erklärte, was er hier machte.

      „Ich bin nun mal Biancas Traumpartner, da musst du dir echt Mühe geben, um meinen Charme zu toppen.“

      Bianca erwiderte: „Pah, das schafft niemand.“

      „Dann gehe ich mal joggen und halte die Augen offen.“

      Robin wusste nicht, wie er reagieren sollte, also wollte er flüchten.

      „Stopp, Kollege, hier redet man miteinander. Wer etwas auf eigene Faust macht, kann schon mal erschossen werden. Komm, bleib locker, nimm dir eine Bretzel und trink eine Tasse Kaffee mit.“

      Robin grinste jetzt und entspannte sich sichtbar. Er tat, wie ihm geheißen und setzte sich. Bianca nahm ihre Tasse und als sie neben ihm saß, sah sie ihn streng an.

      „Du kannst gerne deine eigenen Wege gehen, aber ich bitte dich, mich in deine Pläne einzuweihen. Hier machen wir das so und ich habe keine Lust, dich in Eltville zu suchen. Also, was hast du vor?“

      „Ich dachte, ich laufe ein bisschen und schaue mich um, ob ich irgendwo jemanden sehe, der verdächtig sein könnte. Vielleicht hat der Täter es gezielt auf Jogger abgesehen.“

      „Wie kommst du darauf?“

      Robins blaue Augen strahlten. Er war begeistert, dass sich jemand für seine Gedanken interessierte. In seinem alten Polizeipräsidium war es langweilig gewesen, denn im kleinen brandenburgischen Bereich gab es wenige Verbrechen. Schlägereien, Diebstähle und Zwischenfälle beim Fußball waren schon das aufregendste gewesen, was er erlebt hatte. Und hier hatte er direkt einen Mord auf dem Tisch!

      „Es kann ja sein, dass sich jemand von Joggern gestört fühlt. Sie haben meist Kopfhörer auf den Ohren und nehmen wenig Rücksicht.“

      „Hm, mich würden ja eher andere Sachen stören.“

      „Zum Beispiel?“

      „Radfahrer auf dem Fußweg, Leute, die ständig auf ihr Handy starren und …“

      Robin zuckte zusammen, er selbst hielt sein Handy ständig in der Hand.

      „Entschuldige, wenn ich so oft …“

      „Ich meinte nicht dich.“

      „Ja, aber ich sage es lieber sofort. Ich will nicht, dass du schlecht von mir denkst. Wundere dich nicht, wenn ich öfter auf mein Handy sehe. Ich bin von zuhause weg, weil ich von meiner Ex-Freundin fort musste. Wir haben uns vor einem Jahr getrennt, doch sie wollte sich nicht damit abfinden und stalkt mich seitdem Tag und Nacht. Es hat auch nichts gebracht, eine geheime Nummer zu beantragen, denn die hat sie immer irgendwie rausgefunden. Also bin ich weg.“

      „Und sie stalkt noch weiter?“

      Robin nickte verzweifelt.

      „Darf ich jetzt joggen gehen?“

      Bianca lachte.

      „Ja, darfst du, aber sei vorsichtig.“

      „Klar, Chefin.“

      Er winkte kurz in die Runde und verschwand eilig. Ferdinand setzte sich an seinen neuen Schreibtisch und rückte die Schale mit den Stiften zurecht. Zufrieden nickte er allen zu.

      „Tja, dann findet mal den Mörder! Ein bisschen flott, wenn ich bitten darf.“

      Alle starrten ihn an.

      „Ich kann das schon ziemlich gut, oder?“

      Das schallende Gelächter beflügelte Ferdinand. Eines war ihm heute schon klar: Er hatte alles richtig gemacht. Ein ganz kleines bisschen Wehmut kam auf, als Bianca mit den anderen sein Büro verließ, um an die Arbeit zu gehen. An der Tür drehte sie sich nochmal um und lächelte.

      „Du wirst mir fehlen, Freund.“

      „Du mir auch, Freundin.“

      In ihrem eigenen Büro setzte sie sich an den Computer und tippte an einem Bericht, doch ihre Gedanken flogen immer wieder davon. Die Worte ihres neuen Kollegen Robin ließen sie nicht los. Von jemanden gestalkt zu werden war immer schlimm und es erinnerte sie an den alten Fall.

      Luca war damals nicht der einzige Mann gewesen, der Fabienne auf Schritt und Tritt belauert hatte. Die Zeit war aufregend gewesen und hatte sie alle in Gefahr gebracht. Sie hoffte, dass diese Ex-Freundin von Robin nur noch wegen der Trauer nach der Trennung aus der Bahn geraten war. Stalking machte einen mürbe, auch oder besonders, wenn man wusste, wer der Stalker war. Luca hatten sie alle nicht für den Stalker gehalten, aber er hatte sich so in seine Liebe zu Fabienne verrannt, dass es für jeden anderen Menschen aus ihrer Nähe lebensgefährlich gewesen war.

      Sie nahm sich vor, noch einmal privat mit dem Neuen zu reden, ganz ohne Zwang, bei einer Currywurst oder einem Glas Wein. Sie nahm sich auch vor, ihm eine reelle Chance zu geben und sich nicht in die Rolle der Ober-Mutti zu begeben. In diesem Augenblick fühlte sie sich alt.

      „Der Typ ist dreizehn Jahre jünger als ich“, flüsterte sie. „Oh Mann, die Zeit rennt.“

      Kopfschüttelnd ging sie an die Tafel, die noch leer war und auf Informationen wartete. Sie schrieb den Namen des Opfers an und klebte sein Foto dazu. Daneben schrieb sie „Motiv“ und malte ein großes Fragenzeichen. Als die Tür aufgerissen wurde, zuckte sie zusammen. Robin kam verschwitzt herein und öffnete eine Wasserflasche. Er setzt sie an die Lippen und trank sie in einem Zug zur Hälfte leer. Danach schraubte er sie wieder zu, knallte sie auf den Tisch und rülpste ungeniert.

      Bianca hatte ihm zugesehen und war sich nicht sicher, ob sie fasziniert oder angeekelt sein sollte. Mit einem breiten Grinsen setzte sich Robin ihr gegenüber an den Tisch, auf Ferdinands Platz, und stützte die Ellbogen auf.

      „Gibt es Neuigkeiten?“

      „Nein, ich mache mir nur Gedanken über das Motiv. Wie war es beim Joggen? Schon jemanden verhaftet?“

      „So schnell geht das nicht. Also, ich bin gelaufen und musste feststellen, dass mich niemand beachtet hat. Ich habe sogar mal einen Typen angerempelt, der wie ein Gangster aussah, doch der hat nur auf sein Handy gestarrt.“

      „Wie sieht denn ein Gangster aus?“

      Durch den strengen Blick, den Bianca Robin zuwarf, schien er auf einmal verunsichert.

      „Ähm … naja … eben halt … wie soll ich sagen …“

      Jetzt lachte die Kommissarin und schüttelte den Kopf.

      „Weißt du was? Am besten gehst du jetzt duschen und danach machen wir uns gemeinsam Gedanken über das Motiv des Täters.“

      Robin nickte und sprang auf.

      Als er an der Tür war, rief Bianca: „Vielleicht solltest du nicht so viele Krimis gucken.“

      Robin


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