Ben Hur. Lewis Wallace

Ben Hur - Lewis Wallace


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      »Von wem?« fragte der Ägypter.

      »Vom König Herodes!«

      »Bist du nicht der Wächter der Herberge?« fragte Balthasar.

      »Ja, das bin ich.«

      »Was wünscht der König von uns?«

      »Sein Bote wartet draußen; er wird es euch sagen.«

      »Saget ihm, er möge warten, wir werden sogleich kommen.«

      Sie standen auf, legten die Sandalen an, warfen die Mäntel um und traten hinaus:

      »Ich grüße euch und wünsche euch Frieden!« sagte der Bote. »Mein Gebieter, der König, hat mich gesandt, euch einzuladen, in den Palast zu kommen, wo er allein mit euch sprechen will.«

      »Des Königs Wille ist unser Wille,« sprach Balthasar zum Boten; »wir werden dir folgen.«

      Er trat dann zu dem Wächter der Herberge heran und sagte ihm leise: »Bereite, während wir fort sind, alles zu unserer Abreise vor, vielleicht ist es nötig, daß wir sofort aufbrechen.«

      Die Straßen der heiligen Stadt waren damals ebenso eng wie heute; stumm folgten die drei Männer ihrem Führer, der sie endlich zu einem Tore führte. In dem Scheine zweier Kohlenfeuer, die vor dem Tore brannten, konnten sie die Umrisse eines Gebäudes sowie einige Wachtposten sehen, die regungslos auf ihre Waffen gestützt lehnten. Ohne angehalten zu werden, schritten sie durch das Tor. Und dann wurden sie durch ein ganzes Labyrinth von oft unbeleuchteten Gängen und Hallen, Hofräumen und Gemächern sowie über mehrere Treppen bis zu einem Turm von beträchtlicher Höhe geführt. Plötzlich blieb der Führer stehen, zeigte auf eine offene Tür und sprach zu ihnen: »Tretet ein! Hier ist der König.«

      Der drückende Duft des Sandelholzes erfüllte das Gemach, in welches sie jetzt traten; die ganze Einrichtung zeugte von üppiger Prachtliebe. Ein schwerer Teppich war in der Mitte ausgebreitet und auf ihm stand ein Thron. Die Besucher hatten kaum Zeit, einen flüchtigen Blick auf den Raum und seine Einrichtung zu werfen, ihre ganze Aufmerksamkeit wurde von Herodes in Anspruch genommen, der in derselben Kleidung, die er in der Sitzung des Hohen Rates getragen hatte, auf dem Throne saß, um die Fremden zu empfangen.

      Sie traten unaufgefordert bis zum Rande des Teppichs vor und verbeugten sich dann bis zum Boden. Der König klingelte. Ein Diener kam herein und stellte drei Stühle vor dem Throne auf.

      »Setzet euch!« sagte huldvoll der Herrscher.

      Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, fuhr er fort: »Vom Nordtore her wurde mir heute nachmittag die Ankunft dreier Fremdlinge berichtet, die seltsam beritten und ausgerüstet waren und aussahen, als seien sie aus fernen Ländern gekommen. Seid ihr diese Männer?«

      Auf einen Wink des Griechen und des Inders nahm der Ägypter das Wort und antwortete unter einer tiefen Verneigung:

      »Wären wir andere als wir sind, so hätte uns der mächtige Herodes nicht hergerufen.«

      »Wer seid ihr? Woher kommt ihr?« fragte Herodes weiter. Sie erstatteten ihm nun, einer nach dem andern, Bericht, indem sie einfach Ort und Land ihrer Geburt sowie den Weg, auf dem sie nach Jerusalem gekommen waren, angaben. Etwas enttäuscht, forschte sie Herodes genauer aus.

      »Wie lautete die Frage, die ihr beim Tore an den wachehabenden Offizier stelltet?«

      »Wir fragten ihn: Wo ist der neugeborne König der Juden?« »Ich begreife nun, warum das ganze Volk so in Bewegung kam. Ihr reget mich nicht minder auf. Gibt es denn noch einen andern König der Juden?«

      Furchtlos antwortete der Ägypter:

      »Ja, er wurde soeben geboren.«

      Ein Zug des Schmerzes flog über das finstere Antlitz des Herrschers, wie wenn eine schreckliche Erinnerung seinen Geist folterte. »Nicht mir!« rief er aus, »nicht mir wurde er geboren!« Als er die Fassung wiedererlangt hatte, fragte er ruhig: »Wo ist der neugeborene König?«

      »Das ist es eben, o König, wonach wir fragen!«

      »Ihr setzt mich in Erstaunen! Ihr legt mir ein Rätsel vor, das schwieriger ist als jenes salomonische. Saget mir alles, was ihr über den Neugebornen wißt, und ich will euch helfen, ihn zu suchen. Und wenn wir ihn gefunden haben, will ich tun, was ihr nur wünschet. Ich will ihn nach Jerusalem bringen und ihn zum König erziehen, ich will meinen Einfluß beim Kaiser verwenden, um ihm hohe Stellungen und Ehren zu verschaffen. Eifersucht soll es nicht unter uns geben, das schwöre ich. Doch sagt mir zuerst, wie konntet ihr, die ihr doch durch Meere und Wüsten so weit voneinander getrennt waret, gleichzeitig von ihm hören?«

      »Ich will es dir in Wahrheit sagen, o König!«

      »Sprich!« gebot Herodes.

      Balthasar richtete sich auf und sprach feierlich: »Es gibt einen allmächtigen Gott.«

      Herodes erschrak sichtlich.

      »Dieser befahl uns, hierher zu kommen und versprach uns, daß wir den Erlöser der Welt finden würden, daß wir ihn sehen

      und anbeten und von seiner Ankunft Zeugnis geben sollten. Als Zeichen vom Himmel war einem jeden von uns beschieden, einen Stern zu schauen. Sein Geist war mit uns. O König, sein Geist ist jetzt mit uns!« Die drei Männer waren aufs tiefste bewegt; der Grieche vermochte mit Mühe einen Ausruf zurückzuhalten. Herodes' Blicke schossen von einem zum andern, er war noch unbefriedigter und noch mehr von Argwohn erfüllt als vorher.

      »Ihr treibt mit mir Spott,« sagte er. »Und wenn nicht, so erzählt mir mehr. Was soll auf die Ankunft des neuen Königs folgen?«

      »Die Erlösung der Menschen.«

      »Wovon?«

      »Von ihrer Sündhaftigkeit.«

      »Wodurch?«

      »Durch die Kraft Gottes; durch Glaube, Liebe und gute Werke.«

      »Dann –« Herodes hielt inne, sein Blick ließ in keiner Weise die Gefühle erkennen, die seine Brust bewegten, als er fortfuhr: »Dann seid ihr die Verkündiger des Messias. Ist das alles?« Balthasar verbeugte sich tief: »Wir sind deine Diener, o König!«

      Der König klingelte und der Diener erschien. »Bringe die Geschenke!« sagte der Herrscher.

      Der Diener ging hinaus. In kurzer Zeit kehrte er zurück, kniete vor den Gästen nieder und reichte jedem einen Mantel in scharlachroter und blauer Farbe und einen golddurchwirkten Gürtel. Sie nahmen die Ehrengeschenke mit orientalisch unterwürfigen Dankesbezeugungen an.

      »Noch ein Wort!« sagte Herodes, als die Förmlichkeiten beendet waren. »Ihr habt zum Offizier beim Tore und soeben zu mir von einem Stern gesprochen, den ihr im Morgenlande gesehen habt.«

      »Ja,« sagte Balthasar, »es war sein Stern, der Stern des Neugeborenen.«

      »Um welche Zeit erschien er?«

      »Als uns befohlen wurde, hierher zu kommen.«

      Herodes erhob sich, ein Zeichen, daß die Audienz zu Ende war. Er stieg vom Throne herunter, ging ihnen entgegen und sagte huldvollst: .

      »Wenn ihr, erlauchte Männer, in der Tat die Verkündiger des neugeborenen Messias seid, wie ich nicht zweifle, so wisset, daß ich heute abend die weisesten der jüdischen Lehrer befragt habe, und sie sagen einstimmig, er solle zu Bethlehem in Judäa geboren werden. Ich sage euch also, geht dorthin; geht hin und forschet genau nach dem Kinde. Und wenn ihr es gefunden habt, so zeiget es mir an, damit auch ich komme, es anzubeten. Nichts soll euch auf dem Wege hinderlich sein. Friede sei mit euch!«

      Und sich in seinen Mantel hüllend, verließ er das Gemach. Alsbald kam der Führer, geleitete sie hinab zur Straße und von da zur Herberge. Beim Tore angelangt, rief der Grieche bewegt:

      »Laßt uns nach Bethlehem gehn, Brüder, wie der König uns geraten hat!«

      »Ja,« rief der Inder, »der Geist drängt mich.«

      »Es sei!«


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