Ein moderner Lederstrumpf. Robert Kraft

Ein moderner Lederstrumpf - Robert Kraft


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mich verlieren lassen will — und darauf kommt es ihm nur an — und er wird es thun — er will mich demüthigen — und eigensinnig hat er mich genannt — — das — das — kann ich ihm niemals verzeihen!«

      Vielleicht bildete sie sich jetzt ein, ihn zu hassen; aber plötzlich warf sie sich laut anfschluchzend auf das Sopha, sie weinte bittere Thränen, und die Worte, welche sie schluchzte, zeugten eigentlich von keinem Hasse gegen ihn:

      »Nun habe ich auch ihn verloren! Und das hat sie ja nur gewollt! Ach, mein Eigensinn, mein unglücklicher Eigensinn!«

      Doch nicht lange währte ihre Verzweiflung. Es war eben ihr Trotz, welcher wieder siegte, jener herrliche, stolze, götterbezwingende Trotz — ohne den wir bekanntlich heutzutage noch keine Streichhölzchen hätten.

      Als sie sich erhob, seufzte sie etwas, strich das Haar aus den Schläfen und kehrte zurück zu der Landkarte.

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      3. Capitel.

       Ein Weltenbummler.

      Vor der Villa hielt Sir Munro's Equipage; auf dem Bocke sass der Rosselenker, ein Diener hielt den geöffneten Schlag.

      »Hôtel Alexander,« sagte der Einsteigende, und auch der Diener stieg auf den Bock.

      Wenn ein Diener auf den Bock klettert, so ist das von keiner grossen Bedeutung; aber dieser kleine, schmächtige Mahn in Livree kletterte nicht, sondern er stieg hinauf, und wie er es that, das war wenigstens merkwürdig. Er benutzte nämlich nicht die beiden Tritte, sondern er hob den einen Fuss, immer höher, bis in Kopfeshöhe, so setzte er ihn oben auf den Bock hinauf, und dann sass er selbst oben. Wer dies beobachtet hatte, und er wollte es zu Hause nachzumachen versuchen, der hätte gefunden, dass er es nicht fertig brachte.

      Munro war so in Gedanken versunken, dass er nicht merkte, wie der Wagen schon das Hôtel erreicht hatte und wie es vor dem Portal von Menschen wimmelte, welche alle oben nach den Fenstern starrten. Erst als der Wagen hielt und der Diener den Schlag aufriss, erwachte er und sprang heraus.

      Neben der Portierloge stand ein Garçon in der beliebten Kellnerstellung von unnachahmlicher Grazie: die Beine so breit als möglich, den Bauch herausgereckt, vor den Beinen die mit beiden Händen auseinander gespannte Serviette: — »Ich bin Ich, und was kann aus mir noch Alles werden!«

      »Nicht wahr, in diesem Hôtel wohnt Mr. Stout, der Erdumradler?«

      »Mr. Starke ist sein Name, Curt Starke, er will nicht anders genannt sein,« beeilte sich der Garçon zu sagen, nachdem er die Beine zusammengeklappt hatte. »Jawohl, er logirt hier, ich bin sein Zimmerkellner.«

      »Anwesend? Ich möchte den Herrn sprechen.«

      »Bedauere. Mr. Starke empfängt keinen Besuch. Es waren schon sehr viele da — äh — besonders auch — äh — sehr viele Damen. Mr. Starke empfängt Niemanden.«

      »Na, probiren wir's mal. Sir Munro lässt um eine Unterredung bitten. Melden Sie es.«

      Der Titel und die vor dem Portale haltende Equipage verfehlten ihre Wirkung nicht, der Kellner eilte, Munro folgte ihm langsam nach. Auf der Hälfte der ersten Treppe trafen sie wieder zusammen.

      »Bedauere, äh,« der Ganymed tastete an seiner Halsbinde herum, »Eure Herrlichkeit — äh — sollten sich verkehrt aufhängen lassen, mit den Beinen nach oben. Verzeihung, aber das hat Mr. Starke wirklich gesagt.«

      Es war trotzdem ein starkes Stück, dass der Kellner dies wiederholte. Dabei sah das Kerlchen gar nicht so dreist aus, vielmehr recht bescheiden. Doch dieser Baronet fühlte sich nicht erhaben über den anderen Pöbel; er lachte belustigt.

      »Versuchen wir es auf eine andere Weise, bei dem gestrengen Herrn eine Audienz zu erhalten. Hier,« er entnahm der Brieftasche eine Visitenkarte, schrieb unter seinen Namen eine Zeile und gab dem Kellner die Karte, »bringen Sie ihm dies, und wirkt das nicht, dann brauche ich ihn auch nicht mehr zu sprechen.«

      Wieder fühlte der Garçon an seiner Halsbinde herum.

      »Bedauere. — Aeh, wenn ich noch einmal käme, dann wollte er — ich — mir meinen zarten Hals umdrehen. Das ist nicht etwa ein Witz von mir, das hat er wirklich gesagt.«

      Immer mehr belustigt, drückte Munro dem Aengstlichen eine halbe Krone in die Hand, und daraufhin riskirte dieser seinen Hals.

      »Wenn ich ihn auch nicht gebrauchen kann...es muss doch schon interessant sein, diesen stolzen Grobian kennen zu lernen,« dachte der Baronet, und da kam der Abgesandte mit der frohen Botschaft schon zurück.

      »Euere Herrlichkeit sind angenehm.«

      Die Thür des comfortablen Hôtelzimmers im ersten Stock wurde von dem Kellner geöffnet, und:

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      »Sie wollen mich zu einer Radtour um die Erde engagiren? Well, was zahlen Sie mir?« klang es ihm sofort entgegen.

      Munro's erster Blick war auf einen grossen, gelben, langhaarigen Windhund gefallen, welcher auf dem Plüschsopha lag, den Eintretenden nicht beachtend. Sein zweiter Blick traf den Mann, der in der Nähe des Fensters an einem Tische sass und, wie Munro erkannte, getrocknete Pflanzen in ein Herbarium klebte. Er hatte jene Worte gesprochen, ohne nach der Thür zu sehen. Erst jetzt stand er langsam auf.

      Da er sich durch seinen selbstständigen Charakter von den Durchschnittsmenschen unterschied, verdient auch sein Aeusseres eine nähere Beschreibung.

      Es war — um ein gewöhnliches Maass für Körpergrösse beizubehalten — eine etwas über sechs Fuss hohe Gestalt, schlank, aber mit sehr breiten Schultern, während auf dem starken muskulösen Halse ein kleiner Kopf sass. Die ungewöhnliche Körperkraft erkannte man aus den grossen und dennoch schlanken Händen, an denen Alles von Muskeln, Sehnen und Adern starrte, obschon sie jetzt wohl keine schwere Arbeit mehr verrichteten, denn die Fingernägel waren gut gepflegt. Tief braun wie diese Hände war das Gesicht mit der grossen, kräftigen Nase, und eine Stulpnase hätte auch nicht zu dieser Figur gepasst; blau das Auge, das dünne Bärtchen noch etwas heller als das lichtblonde, schlichtgescheitelte Haar. Bei einem Manne soll man nicht von »schön« und »hübsch« sprechen, ein pomadisirter Adonis mit Wachspuppengesicht mag »hübsch« sein — dies hier war ein charaktervoller Männerkopf.

      Wie er so dastand, hochaufgerichtet, lag etwas Bewegungsloses in ihm, nicht nur darum, weil er sich jetzt nicht bewegte — er glich einer ehernen Statue, und auch nicht nur wegen seiner broncenen Hautfarbe. Das Gesicht wohl tiefernst, doch nicht unfreundlich — ein unbewegliches Gesicht; die blauen Augen kalt wie Eis und dennoch blitzend wie scharf geschliffener Stahl; Alles aus einem Erzguss. Er bewegte sich, er sprach, aber das Bild von der ehernen, unbeweglichen Statue wollte nicht weichen, denn auch die Stimme schien von hartem, wohlklingendem Metall erzeugt zu werden. Ruhe, eine eiserne, durch nichts zu erschütternde, über jeden Wechsel erhabene Ruhe - das war in seinem Aeusseren ausgedrückt, und diese Ruhe schien auch sein innerstes Wesen zu sein. Er sprach, wie er sich bewegte, langsam und bedächtig, und ehe er eine Antwort gab, liess er für gewöhnlich eine lange Pause eintreten, auch wenn gar keine Ueberlegung nöthig war. »Well, Sir, was zahlen Sie mir?«

      Noch immer staunte Munro das broncene Standbild an. Es konnte ja sprechen? Ob denn dieses Gesicht wohl auch lachen und weinen könnte? Dann raffte er sich auf.

      »Das Bezahlen ist für mich ganz Nebensache .....«

      »Für mich die Hauptsache. Sie müssen erst eine Idee von meinen Forderungen bekommen. Ich verlangte und erhielt von den Globe-Fahrradwerken pro Tag ein Pfund Sterling Reisespesen und pro Tag 10 Schilling Gehalt, und dies für zwei Jahre, während welcher ich um die Erde zu kommen versuchen sollte. Verstehen Sie? Auf ein Risico, auf eine Wette und dergleichen lasse ich mich meinerseits nicht ein. Dagegen erhielt ich für jeden Tag, den ich an den 780 Tagen ersparte, eine Prämie von 5 Pfund. Das war mein Verdienst. Die Reisespesen für zwei Jahre mussten mir im Voraus bezahlt werden, damit ich sie auf die einzelnen Stationen


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