Quentin Durward. Walter Scott

Quentin Durward - Walter Scott


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Landungsplatze das Ufer erreichte.

      Mittlerweile eilte der jüngere der beiden Männer zum Ufer hinunter, um dem Schwimmer Beistand zu leisten, während der ältere langsamen Schrittes hinterher folgte, unterwegs zu sich murmelnd: „Hm, ich hab's doch gewusst, dass der Kerl nicht ersäuft. Meiner Seel! Er ist schon am Ufer und greift nach seinem Stock. Wenn ich mich nicht beeile, so ist er imstande, mir den Freund zu verprügeln, für den einzigen Liebesdienst, den ich ihm zeit meines Lebens einem Mitmenschen habe erweisen sehen.“

      Zu solcher Befürchtung war nun freilich einiger Grund vorhanden, denn der kräftige Jüngling drang auf den hilfreichen Samariter mit der zornigen Rede ein: „Du unhöflicher Hund! Warum gibst Du keine Antwort, wenn Dich ein Mensch manierlich fragt, ob der Bach passierbar ist oder nicht? Der Teufel soll mir die Suppe versalzen, wenn ich Dich nicht Mores lehre, wie Du Dich künftig anständigen Menschen gegenüber zu verhalten hast!“ Dabei schwang er den Stock in seiner Faust, dass er sich wie ein Windmühlenflügel im Kreise drehte. Der andere aber griff, als er sich solchermaßen bedroht sah, zum Schwerte, denn er gehörte zu jenem Schlag Menschen, der lieber handelt, als viele Worte zu machen. Da trat der ältere, der auch der Höhersituierte zu sein schien, hinzu und hieß ihn sich ruhig verhalten; dann wandte er sich zu dem Jüngling, schalt ihn einen unvorsichtigen, voreiligen Menschen, sich in einen so sehr geschwollenen Bach zu wagen und mit dem Manne, der ihm zu Hilfe geeilt sei, mir nichts dir nichts Händel anzufangen.

      Als sich der Jüngling so derb von einem weit älteren Manne derart zur Rede stellen hörte, brachte er auf der Stelle seinen Knotenstock in Ruhe und sagte, es solle ihm sehr leid sein, wenn er sich in ihnen geirrt hätte. Es käme ihm aber ganz so vor, als wenn sie ihn, statt ihn rechtzeitig zu warnen, hätten in der Gefahr umkommen lassen wollen, was doch unter Christen kein Brauch sei ...

      „Lieber Junge“, sagte darauf der ältere der beiden Männer, „nach eurer Rede und eurem Aussehen zu schließen, stammt Er nicht aus unserem Land. Da wär's doch am Platz, Er rechnet damit, dass wir Ihn nicht so schnell verstehen können, wie Er spricht.“

      „Na, lassen wir's gut sein, mein Herr“, sagte darauf der Jüngling, „ich sehe es auf ein bisschen Paddeln im Wasser nicht gerade an, und will's auch nicht weiter anrechnen, dass Euch wohl ein Teil von der Schuld mit trifft. Aber dafür müsst Ihr mir einen Ort zeigen, wo ich meine Sachen trocknen kann, denn ich habe kein zweites Jacke, sondern bloß das, was ich auf dem Leibe trage. Auch muss ich darauf sehen, dass das noch eine Weile hält.“

      „Na, für was für Leute hält Er uns denn?“, fragte der ältere auf die Zumutung hin.

      „Nun, für ehrsame Bürgersleute“, erwiderte der Jüngling, „und darin irre ich mich wohl auch nicht, oder?“, setzte er hinzu, als wenn ihm plötzlich eine andere Meinung käme, „seid Ihr etwa ein Geldwechsler oder Getreidehändler und Euer Kamerad ein Schlächter oder Viehhändler?“

      „Halb und halb hat Er's erraten, was wir sind, mein Sohn“, versetzte der ältere lächelnd, „meine Arbeit besteht allerdings darin, so viel Geld zu wechseln, wie sich irgend auftreiben lässt, und meines Kameraden Beruf steht in einiger Verwandtschaft zu dem eines Schlächters. Was nun Sein Anliegen betrifft, Ihm einen Ort zu zeigen, wo Er seine Kleidung trocknen kann, so wollen wir zusehen, was sich tun lässt. Aber da muss ich doch zuerst wissen, wessen Geistes Kind Er ist, denn in der jetzigen Zeit hat's nicht gerade Mangel auf den Landstraßen an Wandervolk, bei dem alles andere eher zu finden und zu vermuten ist, als Ehrlichkeit und Gottesfurcht.“

      Der junge Mann maß den Mann, der diese Worte an ihn gerichtet hatte, mit einem scharfen, durchdringenden Blick, dann sah er, aber weniger scharf, auf den andern Mann hinüber, wie wenn er sich seinerseits nicht recht klar darüber sei, ob sie selbst seines Vertrauens würdig seien, und er kam dabei zu folgendem Schluss: der ältere der beiden, der der besser Gekleidete war und auch in Aussehen und Haltung dem andern sichtlich überlegen war, zeigte ganz den Habitus eines Kaufmanns oder Krämers jener Zeit. Seine Jacke und seine Hose waren von der gleichen, dunklen Farbe, aber schon recht abgetragen, woraus der Schotte weiter folgerte, der Mann müsse entweder sehr reich und knickrig oder sehr arm sein. Wahrscheinlich sei das Erstere der Fall. Der Umstand, dass ihm die Sachen eher zu eng als zu weit, und vor allem die Hosen eher zu kurz als zu lang waren, bestärkte ihn hierin, denn sich so zu tragen, galt damals nicht einmal unter dem Bürgerstand für anständig, denn es wurden allgemein weite, lange Röcke getragen, zumeist solche, die bis über die Knie herunterfielen.

      Der Gesichtsausdruck des Mannes war weder einnehmend noch abstoßend. Die groben Züge, wie die eingefallenen Wangen und tiefliegenden Augen deuteten auf einen gewissen Grad von Pfiffigkeit und Humor, die dem Jüngling nicht eben unsympathisch waren. Die Augen waren von dichten, schwarzen Brauen überschattet und hatten einen gebieterischen Ausdruck, der in gewissem Maß unheimlich wirkte. Die tief über die Stirn hereingezogene Pelzmütze verringerte durch den Schatten, der auf die Augen fiel, diesen Eindruck nicht, sondern erhöhte ihn. Soviel stand fest, dass der junge Wanderer den Blick dieses Auges mit der unscheinbaren Kleidung, die der Mann trug, nicht recht zusammenreimen konnte. Was ihm weiter auffiel, war, dass die Pelzmütze, die der Mann trug, nicht, wie es sonst bei besser situierten Leuten Mode war, mit Gold oder Silber geputzt, sondern nur mit geringen Bleibildern behangen war, die Jungfrau Maria darstellend, wie sie von armem Pilgervolk aus Loretto mit heimgebracht wurden.

      Der Kamerad dieses wunderlichen Alten war ein kräftiger Mann mittleer Größe, der wohl zehn Jahre jünger sein mochte als der andere. Er hielt das Gesicht immer der Erde zugewandt, mit einem Lächeln, das nichts Gutes bedeutete, aber er zeigte dieses Lächeln dem Anschein nach immer nur dann, wenn er seinem Kameraden auf gewisse heimliche Zeichen zu antworten hatte, die von Zeit zu Zeit zwischen ihnen ausgetauscht wurden. Dieser andere Mann trug ein Schwert und einen Dolch. Der Jüngling bemerkte auch, dass er unter seinem einfachen Oberkleid ein Panzerhemd aus metallenen Ringen trug, und diese weitere Wahrnehmung bestärkte den Jüngling in der Meinung, einen Schlächter oder Viehhändler in dem Manne vor sich zu sehen, denn wegen der Unsicherheit, die damals auf den Landstraßen herrschte, wurden solche Panzerhemden auch gern von Leuten getragen, die viel auf der Landstraße sein mussten und auch immer viel Geld bei sich führten.

      Nachdem er mit seinen Betrachtungen zu diesem Ergebnis gelangte, wozu er freilich ein wenig Zeit benötigte, erwiderte er auf die zuletzt an ihn gerichteten Worte des älteren der beiden Männer: „Es ist mir zwar nicht bekannt, an wen ich das Wort zu richten die Ehre habe“, diese höfliche Wendung verstärkte er durch eine leichte Verneigung, „das hat aber weiter nichts auf sich. Ich bin Schotte und komme, nach dem in unserm Land heimischen Brauch, nach Frankreich herüber in der Absicht, hier mein Glück zu suchen, oder, was anderes dafür zu finden, je nachdem.“

      „Beim Ewigen! Das ist eine recht manierliche Sitte“, erwiderte hierauf der ältere Mann wieder, „Ihr scheint mir ein braver Junge, und obendrein gerade in dem Alter, in welchem der Mensch sein Glück machen kann, nicht bloß bei Männern, sondern auch bei Weibern. Wie denkt Ihr darüber? Ich bin Kaufmann und brauche einen Burschen, der mir bei meinen Geschäften zur Hand geht. Mir kommt's bloß so vor, als ob Ihr die Nase ein bisschen zu hoch trügt, um Euch zu solchen mechanischen Plackereien herzugeben.“

      „Mein Herr“, antwortete darauf der junge Schotte, „wenn Ihr Euer Anerbieten im Ernst macht, was mir indessen noch ein wenig zweifelhaft ist, so bin ich Euch dafür zu recht großem Dank verpflichtet. Ich fürchte nur, Ihr werdet mich nicht so recht brauchen können?“

      „Ich möchte freilich wetten, dass Er sich besser drauf verstehst, den Bogen zu spannen, als mit einem Ballen Ware im Lande herumzulaufen; auch dürfte Er die Feder schwerlich so gut zu führen wissen, wie Dolch oder Schwert ... stimmt's, was ich sage?“

      „Mein Herr“, erwiderte der Jüngling, „ich bin allerdings Bogenschütze von Stande, aber ich habe auch eine Zeitlang in einem Kloster gelebt, und dort haben mich die frommen Väter im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet, und ich soll, wie sie mir oft gesagt haben, der schlechteste unter ihren Schülern gerade nicht gewesen sein.“

      „Sapperment! Das trifft sich ja vorzüglich“, rief der scheinbare Kaufmann, »Er ist ja das richtige Wunderkind.“

      „Ach, lasst den Spaß beiseite!“,


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