Pinocchio. Carlo Collodi

Pinocchio - Carlo Collodi


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im knisternden Ofen die Stube wärmen. – Ein Glück, daß Toni das eine Scheit bemerkte. Es war so hübsch gerade und hatte keinen Ast; drum stellte es der Schreiner in eine Ecke seiner Werkstatt und dachte: »Ein gutes, glattes Stück, 's wär schade, es zu verbrennen.«

      Toni verstand sein Handwerk und war überall bekannt. – Man nannte ihn freilich nur den Meister Pflaum; doch das kam davon, daß seine zierlich runde Nasenspitze so duftig blau erglänzte wie eine reife Pflaume, die unberührt am Baume hängt.

      Eines Tages war Meister Pflaum daran, einen Tisch zu verfertigen. Eben sah er sich in der Werkstatt nach dem passenden Holze um, erblickte das Scheit in der Ecke, rieb sich freudig die Hände und murmelte zufrieden vor sich hin: »Das Stück da kommt mir wie gerufen, es gibt einen Tischfuß.« Gleich nahm er das scharfe Beil, um die Rinde abzuschlagen. Der erste Hieb fiel auf das Holz, da – »Oje, oje«, wimmerte erbärmlich ein zartes Stimmchen, »nicht so arg schlagen, nicht so arg!« –

      Potz Blitz! was war das? – Kalte Angst kam über den guten Schreiner, die Haare standen ihm zu Berge, er hatte nicht mehr Zeit, die ausgestreckte Hand mit dem Beile sinken zu lassen, und so stand er unbeweglich da wie das Einfahrtszeichen an der Eisenbahn, wenn es dem daherbrausenden Zuge »Halt!« gebietet.

      Nach einiger Zeit erholte sich Meister Pflaum von seinem Schrecken, und nun durchsuchte er ängstlich die ganze Werkstatt. – Es war niemand zu sehen. Er guckte unter die Hobelbank, – niemand! in den stets verschlossenen Schrank, – niemand! in den Korb mit den Hobelspänen und dem Sägmehl, – niemand! er machte die Türe auf und sah auf die Straße, – auch niemand! Nanu? ...

      Mit erzwungenem Lachen kratzte sich der Schreiner hinter den Ohren und sprach:

      »Ganz klar! Ich hab's. – Das Stimmchen war eine närrische Einbildung. Nur wieder mutig an die Arbeit!«

      Fest nahm er das Beil in die Hand, kräftiger noch wie das erste Mal führte er den Hieb auf das Holz, tief drang die scharfe Schneide ein: »Au! Wie hat das wehgetan!« klagte laut das gleiche Stimmchen.

      Jetzt ward Meister Pflaum wie versteinert: seine Augen traten weit hervor aus den Höhlen, sein Mund stand sperroffen, die Zunge hing ihm über die Unterlippe herab so tief wie den Wasserspeiern am Springbrunnen.

      Nach einiger Zeit fand er die Sprache wieder; aber er zitterte immer noch entsetzlich und fragte stotternd:

      »Wo mag denn nur dies Jammerstimmchen hergekommen sein? Das Holz da wird doch nicht weinen und klagen können wie ein kleines Kind! – Unmöglich! – Schau mir's nur einer an: ist es nicht ein Scheit wie jedes andere? Hätte man es gesägt und gespaltet, so wäre es vielleicht längst zu Asche verbrannt. – Nanu!? – Oder ... wirklich! es könnte sein? – Einer versteckt in dem Holze? – Na! Der hätte sich einen ungeschickten Platz gesucht! Wart, dir will ich's bequemer machen; gleich helf' ich dir heraus.«

      Sprach's, packte das unschuldige Scheit mit beiden Händen und warf es erbarmungslos an die Wand der Werkstatt.

      Nun stand er da ganz still; er horchte, er neigte seinen Kopf gegen das Holz hin und lauschte. Zwei – drei – fünf Minuten waren schon vergangen – alles blieb ruhig, nichts regte sich – gar nichts.

      »'s ist doch zum Lachen ... haha!« sprach jetzt der mutige Schreiner und fuhr sich durch die struppigen Haare. »Wie man dumm sein kann! – Versteht sich! Das Stimmchen hab' ich mir eingebildet. – Nein! Schon so viel Zeit verloren! Jetzt geht es in allem Ernst an die Arbeit!«

      Und doch hatte er immer noch Angst. Zwar fing er an, ein lustig Liedlein vor sich hin zu singen; aber er tat es nur, um sich Mut zu machen.

      Mit dem Beile getraute er sich nicht mehr an das verhexte Holz; ein bißchen besser wollte er es doch behandeln. So spannte er das Scheit auf die Hobelbank, holte von der Wand einen langen Hobel und ließ ihn über das rauhe Holz hin und her gleiten.

      Auf einmal kichert's und lacht's in der Werkstatt:

      »Hör auf! – Ich bin so kitzelig!« Da war's mit Meister Pflaums Mute vorbei. Wie vom Blitz getroffen sank er nieder und war wie tot. – Als er wieder zu sich kam und die Augen aufmachte, merkte er, daß er auf dem Boden saß.

      Wenn ihr ihn hättet sehen können! Starr glotzten die Augen aus dem verstörten Gesichte, und die runde Nasenspitze saß mitten darin wie eine schwarzglänzende Tollkirsche.

      Zweites Stück.

       Meister Seppel erhält das Stück Holz

      Es klopfte an.

      »Nur zu!« rief der Schreiner; er saß noch immer auf dem Boden.

      Ein lustiger Alter kam zur Türe herein; es war der Seppel. Von seinem Handwerk hatte er den Namen »Schnefler«, denn er war ein geschickter Holzschnitzer. Die bösen Buben in der Nachbarschaft hießen ihn freilich nur den »Gälfinken«. Seine gelbe Perücke hatte diesen Übernamen verschuldet.

      Der »Schnefler-Seppel« war sehr jähzornig. Gnad' Gott dem, der ihn »Gälfink« nannte. Das machte ihn teufelswild, und im Zorne kannte er sich selbst nicht mehr.

      »Guten Tag, Meister Toni!« grüßte Seppel artig, »was schaffst du denn auf dem Boden?«

      »Ich will den Ameisen das ABC beibringen.«

      »Ein neuer Beruf! – Guten Erfolg!«

      »Was bringt dich heute zu mir, Seppel?«

      »Eine kleine Sorge, Toni; ich möchte dich um einen Gefallen bitten. – Heute früh ist mir ein neuer Gedanke in den Kopf gekommen.«

      »Laß hören!« sagte der Schreiner und stand vom Boden auf.

      »Ich möchte mir einen hölzernen Hampelmann schnitzen; denn ich habe eine neue Art erfunden, den Zauberhampel. Fechten und seiltanzen muß er mir lernen. Dann reise ich mit ihm durch die Welt und verdiene mein Brot. – Was meinst du dazu, Toni?«

      »Sehr gut, Gälfink!« kreischte ein feines Stimmchen.

      Seppel hörte »Gälfink«, ward vor Zorn rot wie eine Himbeere und fuhr den Schreiner wütend an:

      »Warum sagst du mir eine Grobheit?«

      »Wer?« –

      »Du! – Gälfink hast du mich geheißen!«

      »Aber ich nicht!«

      »Wer denn? vielleicht ich selber? – Lüg nicht! – Du hast's gesagt!«

      »Nein!«

      »Doch!«

      »Nein!!«

      »Doch!!«

      Immer hitziger wird der Streit. Mit Worten ist ihr Zorn nicht mehr zufrieden: schon packen sie sich an den Kitteln; der eine schlägt, der andere beißt; jetzt ringen sie miteinander auf dem Boden; jetzt schnellen sie beide auf und lassen einander los. Zwei Siegern gleich stehen sie da, einer stolzer wie der andere. Der Schnefler zerknittert Tonis Zipfelmütze in seiner Faust; Meister Pflaum aber schwingt als Siegesfahne den künstlichen Haarwuchs des »Gälfinken«.

      Eine Zeitlang schauen sie sich triumphierend an; dann sagt der Schreiner:

      »Gib mir meine Mütze her!«

      »Wenn du mir meine Perücke gibst.«

      Lachend tauschten die beiden Alten ihre Beute aus, gaben einander die Hand und versprachen treu und fest, nie mehr zu raufen, sondern stets gute Freunde zu bleiben.

      »Nun denn, lieber Seppel«, fing der Schreiner an, »womit kann ich dir dienen?« –

      »Ich suche ein Stück Holz für meinen Hampelmann; hast du ein passendes?«

      Toni nahm das Scheit von der Hobelbank, das ihm so viel Angst eingejagt hatte, und wollte es dem Freunde in die Hand geben.

      Wupp!! – Das Scheit schnellt dem guten Meister Pflaum aus der Hand, überschlägt sich und versetzt dem armen Seppel


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