Slow Dancing In A Burning Room. Rika Mayer

Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer


Скачать книгу
die Musik tatsächlich zu hören. Das und die Tatsache, dass ihre Mutter ihre unsterbliche Liebe zu ihrem Sänger geäußert hatte. Aber wenn sie nicht gefeuert werden wollte, musste sie dem Album wohl oder übel eine zweite Chance geben. Und jetzt war genauso gut Zeit dafür.

      Sie beugte sich also erneut nach ihrer Tasche und holte ihren treuen Begleiter – ihren Discman – heraus. Ihre Zehen wickelte sie in die alte Häkeldecke, die ihr ihre Oma geschenkt hatte und sie schob sich ein Kissen ins Kreuz. Vielleicht würde die Musik ihr bei ihrem Auftrag helfen.

      Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, völlig davon abgelenkt zu werden. Es war unmöglich, sich auf Interviewfragen zu konzentrieren, sobald Haydn Cavendish zum ersten Mal den Mund öffnete. Seine Stimme in all ihren Facetten, Höhen und Tiefen, hatte etwas Hypnotisierendes. Sie war voll, wie die eines Opernsängers, rau, wie die eines Rockstars und weich wie die eines Folksängers und es war fast unmöglich zu glauben, dass es immer ein und dieselbe Person war. Agents Provocateurs schienen sowieso in kein Muster zu passen: Sie waren zu flamboyant für Rock, aber kein Glam; viel Flöte und Violine, aber kein Folk; Alternative Riffs, aber kein Indie. Und jeder Einzelne von den Mitgliedern beherrschte seine Sache beinahe schon zu perfekt. Diese perfekte Illusion wurde allerdings durch die Texte zerstört, die leidenschaftlich, roh und metaphorisch daherkamen.

      6

      „Linn?“ Etwas berührte ihre Schulter und sie schreckte hoch. „Oh, sorry“, setzte Albin sich zu ihr. „Habe ich dich geweckt?“ War sie eingeschlafen? Hatte sie geträumt? „Erm… Ich…“ „Was hast du denn mit Haydn Cavendish zu schaffen?“, hob Albin die Ausgabe des Spin Magazins vom Boden auf und Linnea nahm die Kopfhörer ab. „Oh, erm… Er ist mein Interviewpartner.“ „Cavendish?“ „Ja. Seine Band gibt am Wochenende ein Konzert in Stockholm.“ Sie konnte das alles ja selbst noch nicht ganz begreifen, aber es klang einfach viel zu gut, um es nicht auszusprechen, auch wenn sie gleichzeitig hoffte, dass er die Panik in ihrer Stimme überhörte. „Karla hat dich ausgesucht, um Haydn Cavendish zu interviewen?“, war es aber mehr seine Stimme, die etwas panisch klang und Linnea zog die Stirn kraus und musterte ihren Freund einen Augenblick. Dann lachte sie. „Du bist eifersüchtig.“ „Eifersüchtig?“, warf Albin das Magazin etwas zu heftig auf den Couchtisch. „Nein, ich bin nicht eifersüchtig. Ich bin wütend.“ Ja, aber… „Albin…“, verstand sie im Moment überhaupt nichts mehr. „Wie kann Karla nur von dir verlangen, dass du Haydn Cavendish interviewst? Du weißt, dass ich mal bei einem seiner Shoots für Cartier anwesend war.“ Ja, sie erinnerte sich, auch wenn sie den Namen damals nicht wirklich in irgendeinen Zusammenhang gebracht hatte. „Und er ist danach mit zwei der Assistentinnen einfach aus der Tür marschiert.“ „Aber, Käraste“, legte Linnea da fast so etwas wie erleichtert ihre Arme um ihn. „Hast du etwa Angst, dass ich auch mit ihm ins Bett gehen würde?“ „Er schafft das, Linn“, wehrte Albin warnend ab. „Er ist unglaublich charmant, er hat sogar mich für sich eingenommen – bis zu dem Augenblick, als die Kameras aus waren.“ „Du denkst also wirklich“, ließ sie wieder von ihm ab, „dass ich mit einem Haydn Cavendish ins Bett gehen würde, nur weil er glaubt er kann? Vielen Dank auch“, verschränkte sie die Arme vor der Brust und Albin seufzte und streichelte flüchtig über ihre Wange. „Natürlich nicht. Aber ich will nicht, dass er mit meiner Freundin auch nur flirtet!“ Er stand auf und sah bestimmt auf sie hinunter. „Du wirst Karla sagen, dass du das Interview nicht machen kannst!“ „Albin!“ „Und sie soll sich jemanden suchen, der professionell genug ist!“ „Albin, das könnte mich meinen Job kosten!“ „Dann bewirbst du dich eben wo anders. Aber du wirst nicht allein mit Haydn Cavendish in einem Raum sein!“

Grafik 35 Grafik 36 Grafik 37

      7

      „Haydn!“ Er lag auf der Bank, die Augen hinter der Sonnenbrille geschlossen und klopfte mit den Fingern im Takt zu „You Shook Me All Night Long“ auf seinem Bauch. „Haydn! Hoch mit dir, das Meeting hat längst begonnen!“ Freddy Hampton versetzte seinem Schützling einfach einen Tritt gegen die Hüfte, was diesen hochschrecken ließ. „Autsch! Das hat wehgetan!“ Haydn rieb sich die Stelle und Freddy nahm ihm die Hörer ab. „Das sollte es auch, Graf Dracula. Wir haben hier eine Besprechung bei der du auch geistig anwesend sein solltest und nicht deinen weiblich bedingten Schlafmangel aufholen.“ Die anderen im Raum grinsten und Haydn gähnte lange. „Ja ja, schon klar.“ Er rappelte sich hoch und schleppte sich dann zu Lafayette, vor dem er auf den Boden sank und sich an dessen Knie lehnte. Freddy schüttelte nur den Kopf und setzte sich wieder. Er liebte den Jungen, das Leben wäre nur manchmal viel einfacher ohne ihn – wenn auch langweiliger.

      „Okay, also Folgendes...“ Conny Lowe, Presseagentin, klappte ihren Notizblock auf, in dem sie alle Termine und Pläne festhielt. „Ihr habt morgen Vormittag frei...“ Leises Johlen aus den Reihen der Musiker. „Zwischen eins und vier gebt ihr dann Interviews an verschiedene Magazine“, ignorierte sie es professionell. „Sagt ein paar nette Dinge über Europa und Schweden – so Zeug eben. Und rührt ein bisschen die Werbetrommel für euer neues Album. – Haydn, du hast um fünf ein Einzelinterview mit einer Journalistin von Sonic.“ „Wie bitte?“ Der Angesprochene schob die Sonnenbrille nach oben und blinzelte. „Die schicken jemanden, um dich persönlich zu interviewen. Über Mode und Musik – das Übliche eben.“ „Ah merde! Muss das denn sein?“ Die Brille rutschte wieder nach unten und er lehnte seufzend den Kopf zurück. Lafayette fuhr ihm durch die Haare und beugte sich dann nach vor, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken. „Ja, Teddybär, das muss sein.“

      „Ich würde sagen, ihr schlaft euch heute Nacht mal aus.“ Dabei warf Freddy einen Seitenblick auf Haydn, der sich daraufhin mit dem Mittelfinger die Nase rieb. „Ihr hattet schon länger keine zwei freien Abende mehr hintereinander, aber da ihr die nicht freien immer bis zum Exzess ausnützt, könntet ihr euch heute und morgen ausnahmsweise ein bisschen erholen.“ „Und was sagen wir, wenn man uns zu Hause fragt, was wir von Stockholm gesehen haben?“, hob Barclay Stewart, Bassist, die Hand. „Die Hotelbetten?“ „Vielleicht gibt es an der Rezeption passende Ansichtskarten“, feixte Bobby und die anderen lachten. „Dürfen wir uns wenigstens ein bisschen Gesellschaft holen?“, fragte Ian dann und zog an seiner Zigarette. Freddy seufzte und schlug seine Mappe zu. „Wäre es wirklich zu viel verlangt, wenn ihr euch einmal anständig benehmen würdet?“ Ja, das wäre es. Freddy hatte schon als Jungspund in den Achtzigern mit Rockbands gearbeitet und die Jungs vor ihm füllten deren Fußstapfen sehr gut. Der Grund warum er bei ihnen blieb und sich bedingungslos um sie kümmerte war, dass sie ihn abgöttisch liebten und sie ihn letztlich immer am längeren Ast sitzen ließen.

      „Also, ich hätte jetzt nichts gegen ein paar hübsche Mädchen einzuwenden.“ Haydn stützte sich auf Bobby und sie folgten den anderen aus dem Zimmer, um sich in der Stadt auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen. „Daran zweifelt niemand“, grinste der Schlagzeuger und schubste seinen Bandleader den Gang hinunter.

      Sie fanden ein kleines Pub in der Hinterstraße, in die sie geflüchtet waren, nachdem sie dem Menschenauflauf vor dem Hotel entkommen waren. Gott sei Dank waren sie noch nicht so berühmt, dass sie nicht ein paar Ecken weiter nur mehr eine Gruppe Jungs waren, die zusammen den Nachmittag durchbrachten.

      „Ich hab gelesen, dass die Skandinavier ihre Hauptgänge süßen und ihre Nachspeisen salzen“, schlug Thierry Carey, Kopf der Roadie-Truppe und persönlicher Freund der Band, die Speisekarte auf. „Du solltest nicht immer so viel lesen“, stieß ihn Barclay an und blätterte sich durch die Karte. „Aber hier kann ich schon mal gar nichts lesen. Was soll denn das für eine Sprache sein?“ „Schwedisch“, lachte der restliche Tisch unisono. „Ja ja“, zuckte Barclay nur die Schultern und sah auf. „Du, Cav, du kannst doch eine Sprache. Lies mal vor.“ Haydn zog die Augenbrauen hoch. „Ja,


Скачать книгу