Tigermädchen. Delia Muñoz

Tigermädchen - Delia Muñoz


Скачать книгу
was vom Kampfunterricht gesagt …?“

      „Ja, im Unterricht kämpfen wir sehr selten auch auf den Bäumen. Training für das Gleichgewicht und so.“ Sie grinste.

      „Wow.“ Melanie dachte unwillkürlich an die vielen Kampffilme, die sie gesehen hatte. „Klingt aber ganz schön gefährlich …“ Eine schrille Glocke unterbrach ihre Unterhaltung.

      Melanie zuckte zusammen. „Was war das?“

      „Es gibt Essen. Komm mit.“

      Emma nahm sie an der Hand und zog sie die vier Treppen zum Erdgeschoss in den Essensraum hinunter.

      3 NÄCHTLICHE KRIMINALFÄLLE

      Der Mond schien durch das Fenster in ihr Zimmer und warf sein gespenstisches Licht auf Melanies Bettdecke. Alle Lichter des Areals 3 waren ausgeschaltet, das Tor geschlossen. Melanie drehte sich unruhig in ihrem Bett hin und her, schaute aus dem Fenster und stellte sich vor, wie das Land der Nacht nachts wohl aussehen würde.

      Sie blickte zu Emma hinüber. Diese lag friedlich in ihrem Bett und schlief, ihre goldblonden Haare breiteten sich über dem Kopfkissen aus. Doch nach vier Stunden Schlaf konnte Melanie beim besten Willen nicht mehr einschlafen. Zwar gelang es ihr ab und zu, etwa sechs Stunden zu schlafen, aber dafür musste sie schon sehr müde sein und die restlichen zwei Stunden waren dennoch überflüssig. Normalerweise machte sie um drei Uhr morgens Hausaufgaben, doch was sollte sie jetzt machen?

      Seufzend schälte sich Melanie aus der dunklen Bettdecke und kramte in ihrer Schultasche herum, bis sie das Spanischbuch entdeckte. Emma hatte ihr gezeigt, bis zu welcher Stelle sie den Stoff nachholen musste. Also setzte sie sich aufs Bett und begann zu lesen.

      Jemand stellte das Licht an.

      Melanie sah verwundert auf. „Ist es schon morgen?“ Emma starrte sie verdattert an.

      „Emma?“

      Emma starrte sie immer noch an.

      Melanie runzelte die Stirn, legte das Spanischbuch zur Seite und sah auf die Uhr auf dem Schreibtisch. 07:30 Uhr leuchtete ihr in roten Lettern entgegen.

      Endlich sagte Emma etwas. „Hast du gerade ... gelesen?“

      Melanie lachte. „Ja. Ich kann lesen, weißt du?“

      Ihr Gegenüber blieb ernst. „Das Licht war aus.“

      Melanie lachte noch mehr. „Ach so! Ich kann im Dunklen sehen.“

      Lächelnd hob Emma eine Augenbraue.. Ihre Haare fielen ihr wild ins Gesicht, da sie nun offen waren und nicht wie gestern in einen Zopf gebunden. „Echt?! Cool! Daniel hat auch noch was über Schatten erzählt ...“

      Melanie nickte, während sie sich bemühte, aus dem Bett zu steigen, ohne die Decke mitzureißen. „Ja, ich kann lustige Sachen mit den

      Schatten anstellen.“

      „Na los, zeig schon!“, drängte Emma neugierig. „Das ist ja total spannend.“

      Melanie zuckte mit den Schultern. „Okay, ich geh mal in den Schatten da.“ Sie deutete auf die dunkle Fläche, die ihr Schrank an die Wand warf und stellte sich mitten hinein. Dann war da nur noch Schwarz zu sehen und man konnte Melanie nicht mehr vom Schatten unterscheiden – sie war förmlich mit ihm verschmolzen. Emma sog überrascht die Luft ein.

      „Wow, du kannst das schon kannst, ohne es trainiert zu haben.“

      Melanie zuckte leicht zusammen, doch zum Glück sah ihre Zimmergenossin das nicht. Statt einer Antwort trat sie wieder aus dem Schatten und strich sich verlegen die Haare aus dem Gesicht. „Wie ist das hier mit den Essenszeiten?“

      „Am Morgen gibt es von halb acht an Frühstück bis um neun Uhr. Aber wenn Schule ist, muss man um halb neun in der Schule sein, also beenden wir das Essen meist vorher. Heute ist zwar Samstag, aber wir essen trotzdem früh, dann haben wir mehr vom Tag.“ Das war eine typische ausführliche Antwort von Emma, merkte Melanie belustigt. „Beginnt die Schule erst um halb neun?“, fragte sie erstaunt nach.

      Emma nickte. „Cool, oder?“

      „Ziemlich“, bestätigte Melanie. „Bei mir begann die Schule immer um halb acht.“

      Emma verzog angewidert das Gesicht. „Kindesmisshandlung“, behauptete sie grinsend. „Aber wir sollten uns langsam anziehen, es ist schon Viertel vor acht.“

      Melanies Kopf fuhr zum Wecker auf dem Schreibtisch. Tatsächlich! Sie hatten eine Viertelstunde geredet. Rasch nahm sie ihren Kulturbeutel und verschwand im Bad.

      Im Esszimmer saßen bereits die Jungs, neben Ramón jedoch lugte ein braunäugiges, hübsches Mädchen mit blonden Haaren bis zur Hüfte hervor. Ramóns Arm lag um ihre Taille, wahrscheinlich waren sie ein Paar.

      Als Emma und Melanie näher kamen und sich an den Tisch setzten, sahen die anderen auf und grüßten. Das blonde Mädchen betrachtete sie neugierig.

      „Hey.“ Sie hielt ihr freundschaftlich die Hand hin. „Ich heiße Caroline, du bist Melanie, nicht wahr?“

      „Ja.“ Melanie lächelte und reichte ihr die Hand. Als sie sie ergriff, zuckte Caroline plötzlich zusammen. Melanie runzelte die Stirn.

      „Tut mir leid.“ Caroline errötete.

       Die Leute hier sind echt komisch ...

      Bevor Melanie etwas erwidern konnte, ging auch schon die Tür auf und zwei Mädchen betraten den Raum. Die eine hatte langes, wasserstoffblondes Haar und war auffällig gekleidet, das Gesicht des anderen Neuankömmlings wurde wiederum von kurzgeschnittenen, braunen Strähnen umrahmt. Sie sah sehr sportlich aus. Gemeinsam setzten sich neben Emma.

      „Hallo, ich bin Zoé. Wie heißt du?“ Das sportliche Mädchen wandte sich an Melanie.

      „Ich heiße Melanie.“ Melanie spielte nervös mit ihrem Haar. Die ganze Vorstellerei ging ihr langsam auf die Nerven.

      Das hellblonde Mädchen warf sich die Haare in den Nacken. „Ich bin Sam.“ Sie schaute Melanie nicht einmal an, während sie sprach. Sie konnte die Blondine jetzt schon nicht ausstehen. Einen Moment lang herrschte peinliche Stille, bis Zoé Jack bat, ihr die Milch zu reichen, die vor den Jungs auf dem Tisch stand. Die Gespräche setzten wieder ein und Melanie hörte interessiert zu, bis sich alle an den Tisch setzten, um mit dem Frühstück zu beginnen.

       Es war ein normaler Tag, das Wetter war durchschnittlich und Laura hatte nicht viel zu tun. Deshalb saß sie in ihrem Zimmer und nähte, wie sie es in letzter Zeit oft praktiziert hatte. Im Nähkurs hatte sie in den letzten Wochen schon einiges dazugelernt.

       Laura fädelte den dunklen, rosaroten Faden durch das Nadelöhr und legte den Stoff darunter. Dann berührte sie mit ihrem rechten Zeigefinger die kühle Nadel. Lächelnd spürte sie, wie Magie einem leichten Stromstoß ähnlich durch ihre Finger fuhr und in die Nadel gelangte. Das war das Praktische daran, eine Naimet zu sein, dachte sie. Sie konnte kleine Dinge in ihren Bewegungen beschleunigen, beispielsweise eine Nadel oder einen Bleistift. Da sie diese Fähigkeit aber erst kürzlich zu ihrer anderen dazubekommen hatte, konnte sie die Funktion noch nicht vollkommen einschätzen und hatte sie am meisten beim Nähen angewendet. So wurde sie schneller fertig, was ihr sehr gelegen kam.

       Sie kaufte gar nicht gern Kleider ein, sondern zog am liebsten die selbstgenähten an. Mit diesem Vorteil beim Nähen gelang es ihr seit kurzer Zeit, immer mit den eigenen Kleidern auszukommen.

       Nachdem Laura noch die kleine Lampe hinten an der Nähmaschine angeschaltet hatte, begann sie zu nähen. Sachte drückte sie das Pedal mit dem Fuß nach unten und eine dunkle Naht entstand am Saum der Jeans. Das tuckernde Geräusch der Nähmaschine löste ein vertrautes Gefühl bei Laura aus und brachte auf eine beruhigende Weise ihre Gedanken zum Stillstand, die immer wieder um ihre Freunde kreisten, um all die Dinge, die sie trotz dem Nählager beschäftigten.


Скачать книгу