Dombey und Sohn. Charles Dickens

Dombey und Sohn - Charles Dickens


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gern Westen trage.

      Pauls Antwort lautete:

      »Ja, Sir.«

      »Ich auch«, versetzte Toots.

      Den ganzen Abend sprach Toots kein Wort mehr, blieb aber oft vor Paul stehen und sah ihn an, als ob er Gefallen an ihm fände. Doch auch hierin lag Gesellschaft, und da Paul gleichfalls nicht zum Reden geneigt war, so entsprach dieser stumme Verkehr seinem Zwecke weit besser als die Konversation.

      Gegen acht Uhr rief die Metallplatte wieder zum Gebet im Speisezimmer, und nachher erschien der Aufwärter an einem Seitentisch, wo Brot, Käse und Bier für diejenigen jungen Gentlemen, die dergleichen wünschten, aufgestellt war. Die Feierlichkeit schloß mit den Worten des Doktors: »Gentlemen, morgen früh sieben Uhr wollen wir unsere Studien wieder aufnehmen!« und jetzt zum erstenmal sah Paul Cornelia Blimbers Auge, das auf ihm haftete. Nachdem der Doktor seine ermutigende Rede gehalten hatte, verbeugten sich die Zöglinge wieder und begaben sich zu Bett.

      In der vertraulichen Abgeschiedenheit des obern Stübchens sagte Briggs, sein Kopf schmerze ihn zum Zerspringen, und er möchte gern tot sein, wenn nur zu Haus seine Mutter und seine Amsel nicht wären. Tozer sprach nicht viel, seufzte aber desto mehr und gab Paul zu verstehen, er solle nur acht haben, denn morgen werde die Reihe an ihn kommen. Nach diesen prophetischen Worten entkleidete er sich und verbarg seine düstere Stimmung in den Laken seines Bettes. Auch Briggs und Paul hatten bereits ihr Lager eingenommen, als der blödsichtige junge Mann erschien, um das Licht zu holen; er wünschte ihnen dabei gute Nacht und angenehme Träume. Soweit Briggs und Tozer in Frage kamen, war dies ein sehr eitler Wunsch; denn Paul, der lange wach blieb und nur mit Unterbrechungen schlief, bemerkte jedesmal, daß Briggs von seiner Aufgabe wie von einem Alp gedrückt wurde, während Tozer, dessen Gemüt auch im Schlaf von ähnlichen Ursachen aufgeregt war, obschon nicht in so hohem Grade, fremde Worte ausstieß. Paul meinte, dies müsse Griechisch oder Lateinisch sein; aber wie dem auch sein mochte, dieser Somnoloquismus übte in dem Schweigen der Nacht eine höchst unheimliche Wirkung aus.

      Paul war endlich in einen süßen Schlaf versunken und träumte von Florence, mit welcher er Hand in Hand durch schöne Gärten ging. Da kamen sie plötzlich zu einer großen Sonnenblume, die sich im Nu zu einer großen, runden, laut tönenden Messingplatte verwandelte. Er öffnete die Augen und fand, daß es noch dunkel, ein windiger, regnerischer Morgen war. Aber die wirkliche Platte ließ ihre schrecklichen Töne erschallen, welche die Zöglinge nach der Halle hinunterrief.

      Er stand augenblicklich auf und fand, daß Briggs mit einem von Alp und Kummer gedunsenen Gesicht, so daß man kaum seine Augen sah, eben die Stiefel anzog, während Tozer in sehr übler Laune schaudernd dastand und sich die Schultern rieb. Weil Paul nicht daran gewöhnt war, konnte er sich nicht leicht selbst ankleiden und bat daher seine Zimmergenossen, sie möchten die Güte haben, ihm einige Schnüre zuzuknöpfen. Da aber Briggs bloß hierauf erwiderte: »Possen« und Tozer meinte: »Sonst nichts!« ging er, sobald er im übrigen fertig war, nach dem nächsten Stockwerk hinunter, wo er ein hübsches junges Frauenzimmer in ledernen Handschuhen an einem Ofen lehnen sah. Das Mädchen schien sich über sein Aussehen zu verwundern und fragte ihn, wo seine Mutter sei; als ihr aber Paul sagte, sie sei tot, nahm sie ihre Handschuhe ab und tat, was er verlangte. Außerdem rieb sie ihm die Hände, um ihn zu wärmen, gab ihm einen Kuß und bedeutete ihm, so oft er etwas der Art brauche – sie meinte damit seinen Anzug – so solle er nur nach Melia fragen. Nachdem Paul herzlich gedankt und ihr versprochen hatte, er werde dies gewiß tun, schlich er nach dem Zimmer hinunter, in welchem die Gentlemen ihre Studien aufnehmen sollten; als er aber auf diesem Wege an einer halb angelehnten Tür vorbeikam, rief ihm hinter derselben eine Stimme zu: »Ist dies Dombey?«

      »Ja, Ma'am«, versetzte Paul, denn er erkannte darin die Stimme der Miß Blimber.

      »Nur herein, Dombey«, versetzte die junge Dame.

      Und Paul entsprach der Aufforderung.

      Miß Blimber sah genau wieder so aus wie gestern, nur daß sie jetzt ein großes Halstuch anhatte. Ihre kleinen blonden Locken waren so kraus wie nur je; auch hatte sie bereits ihre Brille auf, so daß Paul gar zu gern hätte wissen mögen, ob sie sich am Ende nicht auch mit derselben schlafen lege. Das Stübchen war ihr eigenes und hatte einige Bücher als Ausstattung; aber Feuer war nirgends zu sehen. Miß Blimber fror es nie, und sie wurde nie schläfrig.

      »Nun, Dombey«, sagte Miß Blimber, »ich mache einen Ausgang wegen meiner Konstitution.«

      Paul wunderte sich, was dies sein möchte und warum sie bei so schlechtem Wetter nicht lieber den Bedienten fortschickte, um es zu holen; indes enthielt er sich jeder Bemerkung über den Gegenstand, da seine Aufmerksamkeit ganz von einem Häufchen neuer Bücher in Anspruch genommen war, mit denen sich Miß Blimber kürzlich beschäftigt zu haben schien.

      »Es sind die deinen, Dombey«, sagte Miß Blimber.

      »Alle, Ma'am?« fragte Paul.

      »Ja«, entgegnete Miß Blimber; »und Mr. Feeder wird bald noch mehr für dich auftreiben, wenn du so fleißig studierst, als ich von dir erwarte, Dombey.«

      »Danke schön«, sagte Paul.

      »Ich mache also einen Ausgang wegen meiner Konstitution«, nahm Miß Blimber wieder auf, »und während ich fort bin – das heißt, von jetzt an bis zum Frühstück, Dombey – wünsche ich, daß du alles überliest, was ich dir in diesen Büchern angemerkt habe. Du sagst mir dann, ob du vollkommen verstanden hast, was du daraus lernen sollst. Verliere keine Zeit damit, denn du hast keine übrig, sondern nimm die Bücher hinunter und fange augenblicklich an.«

      »Ja, Ma'am«, antwortete Paul.

      Es waren ihrer so viele, daß das mittlere, obgleich Paul die eine Hand unter das unterste, die andere aber und sein Kinn auf das oberste legte, hinausglitt, noch ehe er die Tür erreicht hatte, und dann purzelten sie alle auf den Boden. Miß Blimber sagte: »O Dombey, Dombey, dies ist in der Tat sehr unachtsam«, und schichtete sie von neuem auf. Diesmal gelang es auch unter sorgfältiger Beachtung des Gleichgewichts, daß Paul zum Zimmer hinauskam und schon einige Treppen zurückgelegt hatte, ehe wieder einige davon Reißaus nahmen. Die übrigen packte er aber so fest, daß bloß auf dem ersten Boden und dann in dem Hausflur wieder eins abhanden kam. Die Hauptmasse legte er sodann in dem Schulzimmer nieder, worauf er abermals die Treppen hinaufstieg, um die Nachzügler zu sammeln. So war denn endlich die ganze Bibliothek beisammen, und er kletterte auf seinen Stuhl hinauf, um die Arbeit zu beginnen, ermutigt durch eine Bemerkung Tozers, der meinte, jetzt fange es bei ihm an. Dies war übrigens die einzige Unterbrechung, die bis zur Frühstückszeit stattfand. Bei dieser Mahlzeit, für die er jedoch keinen Appetit mitbrachte, war alles ebenso feierlich und gentil wie bei den andern, und nachdem sie beendigt war, nahm ihn Miß Blimber die Treppe hinauf.

      »Nun, Dombey«, sagte Miß Blimber, »wie bist du mit diesen Büchern zurechtgekommen?«

      Sie enthielten ein wenig Englisch und viel Lateinisch – Namen von Dingen, die Deklination von Artikeln und Substantiven, Übungen darüber und einleitende Regel – ein bißchen Orthographie, einen Blick in die alte Geschichte, ein paar in die neue, etliche Tabellen, zwei oder drei Tafeln über Maß und Gewicht und endlich einige allgemeine Belehrungsgegenstände. Nachdem der arme Paul Nummer zwei durchbuchstabiert hatte, fand er, daß er auch nicht die mindeste Vorstellung von Nummer eins hatte; Bruchstücke davon drängten sich ihm nachher in Nummer drei auf, und dies glitt mit in Nummer vier hinüber, welche sich ihrerseits auf Nummer zwei gründete. Er konnte deshalb durchaus nicht mit sich klar werden, ob zwanzig Romulusse einen Remus machten, ob hic, haec, hoc zum Apothekergewicht gehöre, ob ein Verbum stets sich nach einem alten Britonen richte, oder ob dreimal vier taurus ein Stier sei.

      »O Dombey, Dombey!« rief Miß Blimber. »Dies ist ja entsetzlich!«

      »Wenn Ihr's erlauben wolltet«, sagte Paul, »ich glaube, es würde schon besser gehen, wenn ich nur bisweilen ein wenig mit dem alten Glubb mich unterhalten dürfte.«

      »Unsinn, Dombey«, sagte Miß Blimber. »Ich will nichts davon hören. Dies ist kein Platz für Glubbse irgendeiner Art. Ich sehe schon, Dombey, du mußt die Bücher eines nach dem andern vornehmen und


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