The sound of your soul. Isabella Kniest

The sound of your soul - Isabella Kniest


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Seelenerkundungsblick intensivierte sich zunehmend. »Nun, ich hätte nichts dagegen einzuwenden.«

      Ich krauste die Stirn. »Wenn Sie in die Arme eines Mannes fallen?«

      Meine Aussage entlockte ihm ein herzallerliebstes Schmunzeln. »Darauf haben Sie gewartet, geben Sie es zu!«

      Nun konnte selbst ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen.

      Er hüstelte leise. »Spaß beiseite … Damit meinte ich selbstredend Sie.«

      Frische Hitze kletterte mir in mein Haupt.

      Flirtete dieser Kerl etwa ständig? Gab es nichts anderes für ihn?

      Seine nach wie vor meinen linken Arm festhaltenden Hände drängten meine Überlegungen in eine andere Richtung.

      Wollte Tom mich nicht mehr loslassen?

      Sein unbekümmerter fröhlich-zufriedener Ausdruck sagte eher »Ja« …

      Das bedeutete wohl, ein weiteres Mal selbst aktiv zu werden.

      Durch einen langen Schritt nach hinten war es mir möglich, seinen warmen Händen zu entkommen – und die mir altvertraute Leere trat schlagartig zurück in mein Inneres.

      Eigentlich wollte ich gar nicht weg von Tom. Dieser verrückten Tatsache wurde ich mir blöderweise erst gewahr, nachdem ich meinen Einkaufswagen ergriffen hatte.

      Kruzitürken noch einmal!

      Welchen Irrsinn fühlst du da?

      Dieser Flirtmeister hatte es neuerlich geschafft, mich mit einem einzigen Blick einzulullen!

      »Darf ich meinen Schal zurückhaben?«

      Wie?

      Verdutzt blickte ich auf meine rechte Hand … und erstarrte.

      Fest umklammert hielten meine Finger das schwarze Kleidungsstück wie den Griff des Einkaufwagens.

      Verdammt …

      Ich hatte nicht bemerkt, diesen nach wie vor bei mir zu tragen.

      Himmel … was war los mit mir?

      Dass ich grundsätzlich schnell aus dem Konzept gebracht werden konnte, war kein Geheimnis. Gegen solche Verwirrtheitszustände hatte ich aber noch nie kämpfen müssen … und meine Beschämung? Die war längst mit vierzig Zehnerpotenzen multipliziert worden.

      Ich antwortete Tom mit einem knappen »Natürlich« und reichte ihm den kuscheligen Halswärmer.

      Was hätte ich sonst entgegnen sollen? Jede Erklärung, Abschwächung oder Negierung meiner offenkundigen Blödheit hätte mich bloß weiter ins Abseits manövriert.

      Dankend nahm Tom den Schal entgegen und wickelte diesen sogleich um seinen schlanken Hals. »Normalerweise mag ich Tücher und Schals nicht besonders … Irgendwie fühle ich mich da … nun ja … wie vom anderen Ufer.«

      Angesichts möglicher Beleidigungen durch eine unbedachte Stellungnahme meinerseits wollte ich ihm ursprünglich ein gekünsteltes Lächeln zuwerfen und nicht weiter darauf eingehen.

      Doch was geschah stattdessen?

      Ich verfiel in ein herzliches, unbefangenes Gelächter. Auf Biegen und Brechen – es gelang mir nicht einmal im Ansatz, dieses einzudämmen.

      Verflixt und zugenäht!

      Ich verstand mich einfach nicht mehr. Besser gesagt: Ich verstand rein gar nichts mehr.

      Und Tom …

      War er sich seiner Situationskomik eigentlich bewusst?

      Letztgenanntem jedenfalls schien mein Lachanfall deutlich zuzusagen, davon bezeugte sein bombastisches, in seinen Augen explodierendes Seelenlicht.

      Es dauerte etwas, bis mein emotionaler Ausreißer gänzlich abgeebbt war und ich zu einer Erwiderung ansetzen konnte. »Sie sehen nicht schwul aus.«

      Ein spitzbübisches Grinsen Toms trat selbstbewusst in Erscheinung. »Das freut mich … Es wäre ärgerlich, wenn plötzlich ausnahmslos Homosexuelle an mir Interesse zeigen würden.« Unversehens vollführte er beschwichtigende Handgesten. »Damit will ich aber unter keinen Umständen eine Aversion gegen Personen mit divergenten Vorlieben andeuten. Solange Menschen keine Straftaten begehen, ist es mir völlig gleich, was sie tun, mögen oder lieben.«

      Das war eine Ansage!

      Nicht einmal alle Menschen in meinem Umfeld zusammengerechnet konnten mit einem solchen Weitblick aufwarten.

      Tom sah das große Ganze – nicht bloß einen winzigen Ausschnitt des Bildes … oder wie in diesem Fall, des Gesagten.

      Ich straffe die Gestalt. »Nein, ernsthaft. Sie sehen damit nicht schwul aus. Der Schal und der Mantel steht Ihnen, ebenso der Anzug letzten Samstag. Sie haben einen ausgeprägten Geschmack für elegante Kleidung. Das ist eine Seltenheit heutzutage. Insbesondere Männern gelingt es kaum, sich vernünftig anzuziehen. Sie bilden eine gern gesehene Ausnahme.«

      Seine Wangen färbten sich Rot.

      Im hellen Licht wirkte Tom damit noch weitaus niedlicher … Nein. Er wirkte bezaubernd.

      »Ich …« Seine Pupillen wanderten etwas zur Seite. »Ich bekomme leicht Halsschmerzen.«

      Meine Güte!

      Mein Kompliment beschämte ihn.

      Dieser Charakterzug passte ähnlich wenig zu einem Musiker wie seine angebliche Menschenscheue.

      »Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, weshalb Sie einen Schal tragen«, beruhigte ich. »Andere Leute interessiert dies ohnehin nicht. Die bemerken solche Nebensächlichkeiten erst gar nicht.«

      Jegliche Verlegenheit Toms wurde augenblicklich von Ernsthaftigkeit verdrängt. Gleichzeitig hüpfte sein intensiver Blick zu mir zurück. »Und Sie? … Interessiert es Sie?«

      Ich schluckte.

      Was sollte ich darauf antworten?

      Für gewöhnlich interessierte ich mich rein gar nicht dafür, wie Menschen sich kleideten, verhielten oder welche Meinungen sie vertraten – insbesondere nach der Geschichte mit meinem Ex. All die harten Worte, das grausame Verhalten, meine Einsamkeit – wozu sollte ich mir den Kopf zerbrechen, weshalb diese oder jene Leute dieses oder jenes anzogen? Meinem Erfahrungsschatz zum Trotz wollte ich Tom nicht mit einer kaltschnäuzigen Aussage verletzten. Dieser Mann mutete hochgradig empfindsam an. Zudem gaben vergangene Verletzungen und Erniedrigungen mir nicht das Recht, meinen Frust an Mitmenschen auszulassen – vor allem nicht an Personen, die mich nicht kannten und nicht über mein Seelenleben und meine negativen Erlebnisse Bescheid wussten. Des Weiteren wollte ich unter keinen Umständen lügen. Unwahrheiten zu sprechen war für mich ähnlich schwerwiegend wie Mord oder ein Seitensprung. Demzufolge blieb mir wohl nichts anderes übrig, als Tom die Wahrheit abgeschwächt mitzuteilen.

      »Ich interessiere mich nicht besonders für den Kleidungsstil anderer. Außerdem geht es mich nichts an. Kleidung, Musik, Bücher, Filme – solche Dinge zählen zu den persönlichen Vorlieben. Niemand hat dazu das Recht, ein Urteil zu fällen.«

      Seine Züge wurden weich. »Danke für Ihre Aufrichtigkeit.«

      Hatte er mein Zögern bemerkt?

      Nein, so etwas gab es nicht! Das war reiner Zufall gewesen.

      Tom klopfte sich Mantel und Hose ab.

      »Sie sind meinetwegen schmutzig geworden. Das tut mir furchtbar leid. Wenn Sie wollen, zahle ich Ihnen die Reinigung.«

      Irgendwie musste ich mich für meinen Einkaufswagen-Bodyslam entschuldigen … Da schien eine Reinigung angebracht, oder? Zumindest hoffte ich das. Immerhin konnte Tom – wenn er ein Mistkerl war – mich auf Schadensersatz sowie Körperverletzung klagen.

      Sein sänftiglicher Augenausdruck zog mich aus meinen Grübeleien und machte mich leicht schwindlig.

      »Nein, nein«,


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