The sound of your soul. Isabella Kniest

The sound of your soul - Isabella Kniest


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diesem Land auf dieselbe Weise?

      Aber … weswegen jammerten sie alle über jede unbedeutende Kleinigkeit: Das Wetter, den Ehepartner, die Kinder, die Arbeit, den Urlaub, das Auto, die Wohnung?

      Falls sie ebenfalls dankbar und überdies gesundheitlich oder mental relativ stark waren … weshalb mussten diese Leute zetern?

      Ich verdrängte die Gedanken und erfreute mich lieber an meiner Freiheit, tun und lassen zu können, was ich wollte.

      Denn eines war klar: Solange ich allein lebte, brauchte ich keine Kompromisse einzugehen. Ich war frei, musste mich auf niemanden einstellen oder Rücksicht nehmen.

      Lediglich dieses mich folternde Verlangen nach körperlicher wie gefühlsmäßiger Nähe, Geborgenheit, einem Zuhause … dies brachte mich allmählich um.

      Wie üblich erwachte ich Montag morgen relativ ausgeruht und gestärkt. Diese Energie nutzte ich, um in der Arbeit sämtliche schwierigen Aufgaben zuerst abzuarbeiten. Zwar tauchten komplizierte oder anstrengende Tätigkeiten logischerweise ebenfalls an allen anderen Wochentagen auf, allerdings musste ich mich dann nicht unbedingt einen kompletten Vor- oder Nachmittag mit komplexen Themen herumquälen, sondern durfte mir mentale Pausen durch leichte Obliegenheiten zwischenschieben.

      Als Webseitenbetreuer eines kleinen Online-Shops fielen großteils knifflige oder lästige Probleme an. Da ich überdies für den Kundensupport zuständig war, läutete meistens durchgehend das Telefon und wurde mein Mail-Account mit Dummies-Anfragen überschwemmt.

      Der überwiegende Teil meiner Anfragen fiel in die Kategorien irrtümliche Bestellungen, Einloggschwierigkeiten aufgrund vergessener Passwörter sowie Unzufriedenheit mit der Paketzustellung.

      Obwohl Telefonate und Kundenanfragen mich ziemlich nervten, mochte ich meine Arbeit. Ich hatte ein Büro für mich allein, durfte mir meinen Alltag zumeist frei einteilen und die Bezahlung war ebenfalls in Ordnung.

      Meine halbstündige Mittagspause verbrachte ich gern in einem nahe gelegenen überschaubaren Park. Auf einer schmiedeeisernen Bank, welche das gesamte Jahr über unter einer zwanzig Meter hohen Linde stand, aß ich mein Pausenbrot und fütterte nebenbei die Tauben.

      Ja, im Winter war es eisig kalt. Dennoch zwang ich mich hierher. Ein wenig Frischluft war wichtig und Abhärtung zugleich. Außerdem liebte ich es, die Vögel zu beobachten. Wie sie frech nach meinen getrockneten Brotkrumen pickten und geschäftig hin- und herstolzierten. Und das niedliche Gurren erst! Ein wenig erinnerte es mich an das Schnurren einer zufriedenen Katze.

      Eben wollte ich mich von der Bank erheben, da bemerkte ich, wie ein schlanker Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite in eine schmale Gasse trat.

      Tom, hallte es mir unwillkürlich durch meinen Geist. Und unmittelbar danach fragte ich mich, was mit meinem Verstand nicht stimmte.

      Von dieser Distanz aus war es mir unmöglich zu sagen, wer dort herum irrte. Bedeutend lachhafter war es anzunehmen, es wäre Tom gewesen, wo ich nicht einmal seine Haarfarbe oder sein Alltagsoutfit kannte! Und überhaupt: Weshalb kam mir dieser Mann fortwährend in den Sinn?

      Herrschaftszeiten!

      Ich steckte die Hände in die Manteltaschen und eilte los.

      Um halb fünf verließ ich das Büro und fuhr nach Hause. Erschöpft und ausgebrannt fühlte ich mich, weshalb ich mich sofort unter eine kochend heiße Dusche stellte. Danach schlüpfte ich in meinen übergroßen, schneeweißen Bademantel, belegte mir ein Brötchen mit Kantwurst, schlang dieses hinunter und kuschelte mich ins Bett.

      Meine Schwäche nervte mich. Normalerweise müsste ich voller Energie sein. Schließlich leistete ich keine Akkordarbeit, ebenso wenig musste ich Lieferungen auspacken oder am Bau ackern. Trotzdem quälte ich mich immer wieder mit immensen Erschöpfungszuständen herum – seit meiner Schulzeit.

      An einem Vitaminmangel litt ich jedenfalls nicht. Dies hatte ich erst vor Kurzem austesten lassen. Womöglich sollte ich mich sportlich betätigen? Ein Aufbautraining? Oder schlichtweg jeden Tag lange Spaziergänge unternehmen? Verkehrt war es sicherlich nicht …

      Auf der anderen Seite war ich zu schwach, um nach der anstrengenden Büroarbeit überdies körperlich Leistung zu erbringen.

      Leichter wäre es, mit einem Zwanzig- oder Dreißigstundenjob. Finanziell konnte ich mir einen solchen Luxus aber leider nicht leisten.

      Wäre dies mit einem Partner möglich?

      Ach, verdammt!

      Wozu über etwas nachgrübeln, das ohnehin in unerreichbarer Ferne lag?

      Die restliche Woche verlief ruhig und unspektakulär. Ich erledigte meinen Job, erholte mich von den Strapazen und unterdrückte lästige wiederkehrende Gedankenspiele über Tom und unser Gespräch.

      Ich kapierte nicht, weshalb ich diesen Menschen nicht mehr vergessen konnte – Aussehen hin oder her. Er war ein niemand. Ich würde ihn niemals mehr wiedersehen. Punkt. Aus. Fertig.

      Darüber hinaus wollte ich nichts mit Musikern zu schaffen haben. Natürlich waren nicht alle davon notorische Fremdgeher oder egozentrische, alkoholabhängige Exzentriker. Künstler blieb trotzdem Künstler – womit Konflikte ausgelöst durch verschrobene Persönlichkeitsmerkmale unvermeidbar waren.

      Stopp.

      Was, zur verfluchten Hölle, dachte ich da?

      Ich wollte keine Beziehung mit ihm. Ich kannte diesen Typ doch gar nicht!

      Offenbar war ich verzweifelter, als ich es mir selbst eingestand …

      Es war Samstag. Erneut. Traditionell gesehen war er der letzte Wochentag und somit ein Feiertag. Die standardisierte Zählung des ISO 8601 machte Schluss mit dieser Gepflogenheit.

      Einst hatte ich diesen Tag inniglich geliebt, mich wahnsinnig darauf gefreut.

      Und nun?

      Nun empfand ich im besten Falle Trauer.

      Ausschlafen konnte ich zwar nach wie vor – meine Arbeitswoche ging glücklicherweise ausnahmslos von Montag bis Freitag – das hibbelige Gefühl, welches mich überkam, wenn ich am Donnerstag bemerkte, dass das Wochenende mittlerweile in greifbarer Nähe lag, war jedoch zur Gänze verschwunden.

      Ausgelöst hatte diese Verstimmung mein Ex-Freund. Nachdem dieser Dreckskerl mich grauenhaft behandelt und schlussendlich schäbigst verlassen hatte, hatte mich alles verlassen: meine Heiterkeit, mein Glück, meine Hoffnung, meine Lebensfreude. Obgleich Letztes noch nie recht zu meinen Charaktereigenschaften gezählt hatte.

      Ich schob mein Selbstmitleid zur Seite und streckte mich – und wie in den vergangenen Tagen schoss Tom mir durch mein Gehirn.

      Verflucht!

      Irgendwann würde ich noch durchdrehen!

      Freilich, er sah umwerfend gut aus, und Sympathiepunkte hatte er bei mir längst in voller Zahl abkassiert … Davon einmal abgesehen brächte mir eine Liebäugelei mit ihm bestenfalls frische Seelenqualen. Ich hatte nicht das Händchen dafür, verständnisvolle, anständige Männer kennenzulernen – falls solche Traumwesen unter uns wandelten.

      Es war ein Fluch. Ein unmöglich zu brechender Fluch. Damit musste ich mich abfinden! Hoffentlich würde mein Herz dies irgendwann verstehen und Ruhe geben.

      Nach einigem Krafttanken schwang ich mich aus dem Bett, duschte mich heiß und zog mich an. Mein heutiges Frühstück bestand aus Dinkelcornflakes mit Milch und Honig. Ich machte mein Bett, wusch das Geschirr ab und fuhr im Anschluss daran ins Einkaufszentrum.

      Mein Kühlschrank musste befüllt werden. Außerdem ging das Mehl zur Neige.

      Und was war schlimmer denn eine leere Vorratskammer?

      Exakt.

      Ein leerer Kühlschrank und eine leere Vorratskammer.

      Zwar


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