Rund um das Bett der Anna von Österreich. Walter Brendel
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Walter Brendel
Rund um das Bett der Anna von
Österreich
Rund um das Bett der Anna von
Österreich
Walter Brendel
Die Amouren einer Königin
Impressum
Texte: © Copyright by Walter Brendel
Umschlag: © Copyright by Walter Brendel
Verlag: Das historische Buch, 2021
Mail: [email protected]
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Inhalt
Einleitung
Es war der 22. September 1601, als in der ehemaligen Hauptstadt von Spanien, Valladolid, Anna Maria Mauricia von Spanien, genannt von Österreich gemäß ihrem spanischen Namen Ana de Austria geboren wurde.
Die Stadt liegt südlich der Montes de Torozos und der Hochebene Tierra de Campos am Nordufer des Duero im Zentrum Spaniens. Im Südwesten der Stadt liegt die Mündung des Pisuerga in den Duero.
Im Herzen Nordspaniens, feiert ein klarer Septembertag seinen kurzen, pathetischen Abschied.
Die Sonne, die zwölf lange Stunden in unbarmherziger, wolkenloser Alleinherrschaft auf die sich ins Unabsehbare verlierende, karge Landschaft herniederbrannte, will sich für heute senken. Ihr feuriger Ball beginnt rot zu glühen und lässt das bisher erschreckend einförmige, ja, unheimlich wirkende Graubraun der baumlosen Ebene plötzlich in überraschenden roten Lichtern spielen, zwischen die lang gestreckte, tief-violette Schatten fallen. Selbst die graue, staubige Alameda1, eben noch Sinnbild eines in den nichts führenden Weg, wird nun farbig überstrahlt und lockt zu abenteuerlicher Pilgerfahrt. Bald wird die Sonne verschwinden, beginnt sich messerscharf von der makellosen Reinheit des dahinterliegenden Abendhimmels abzuzeichnen. Hehr und hell, unermesslich, wölbt sich die Himmelsglocke - nur im Westen rötlichgelb, sonst von zartestem Blau - über allem, was durch die scheidende Sonne vorübergehend aus staubiger Nichtigkeit zu feierlicher Schönheit emporgehoben wird. Und nun tritt gar le-bendiges Menschenwesen ins Blickfeld. Estanzieros2 mit ihren Schafen, Caballeros3 und Chicas4 sind zu sehen. Niemand ahnt, dass hinter einem der vielen Fenster des Schlosses die künftige Königin von Frankreich das Licht der Welt erblickt.
Auf der baumlosen Straße von Valladolid, gerade erst wieder Hauptstadt geworden, nachdem die königliche Familie vorher in die neuerrichtete Klosterresidenz Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial bei Madrid gelebt hat, bewegt sich von Süden her ein Zug von Reitern und Karren langsam vorwärts, an der Spitze und am Ende Bewaffnete. Ein hochadliger Herr scheint mit seinem Gefolge und vielem Gepäck unterwegs zu sein. Es ist seine Majestät Philipp III. von Spanien höchstpersönlich. Er will rechtzeitig zur Geburt eines Sohnes in seiner Residenz anwesend sein.
Zum gleichen Zeitpunkt lag Margarete von Österreich in der halb dunklen Geburtsstube und erwartete die Niederkunft. In der Stube befand ein Wasserbottich, einem Füllkrug, einer Flasche aus Ton, einem Kupferbecken mit Kamm und Pinsel und einer Nähkassette. Auch der Gebärstuhl stand bereit. Er sollte jedoch nicht zum Einsatz kommen.
Die 17jährige bekam zum Überstehen ihrer Wehen eine kräftige Suppe, auch wurde sie gebadet. Zwei Hebammen standen bereit, um der Gebärenden im Bett zur Seite stehen. Dann war es schon so weit. Die eine Hebamme zieht das Kind aus dem Leib der Königin; die zweite kniet daneben auf einer Bank, zieht das Laken zurecht und hält die linke Hand von Margarete.
Nun kam es fast anderthalb Stunden lang zu Wehen, deren Heftigkeit unaufhörlich zunahm. Die inneren Kontraktionen hatten aufgehört, jetzt presste sie selbst mit allen Muskeln des Bauches und der Lenden, weil sie das Bedürfnis hatte, sich von der unerträglichen Bürde, die auf ihrem Schoß lastete, zu befreien. Bei jeder neuen Anstrengung schüttelte sie ein Zittern, ihr Gesicht wurde brennendheiß, ihr Hals war schweißgebadet, während sie in die Betttücher biss, um ihre Klage zu ersticken, das furchtbare und unwillkürliche Stöhnen eines Holzfällers, der eine Eiche spaltet. Die Kehle nach hinten gebogen, die Beine weit gespreizt, so klammerte sie sich mit beiden Händen an die eiserne Bettstelle, die sie mit ihren Stößen erschütterte. Glücklicherweise war es eine prächtige Niederkunft, eine reine Schädellage. Mitunter schien der herausdringende Kopf wieder zurücktreten zu wollen, durch die Elastizität der zum Zerreißen gespannten Gewebe zurückgedrängt; und bei jedem neuen Einsetzen der Geburtsarbeit schnürten ihn grässliche Krämpfe zusammen, umschnallten ihn die heftigen Wehen mit einem eisernen Gürtel. Endlich knirschten die Knochen, alles in ihr schien zu zerbrechen, sie hatte das entsetzliche Empfinden, als würde sie hinten und vorn bersten, als sei da nur ein einziges Loch, durch das ihr Leben ausströmte; und das Kind rollte aufs Bett zwischen ihre Schenkel, mitten in eine Lache von Kot und blutigem Schleim.
Ehrfurchtsvoll trägt man den Königssprossen in ein nachbarliches Kabinett, um ihn zu baden nachdem die Nabelschnur mit einem Faden abgebunden und ein in Olivenöl getauchter Verband aus Leinenstreifen um seinen Körper angelegt worden war. Das Bad war notwendig um ihm den Übergang vom Mutterleib zur Außenwelt zu vereinfachen. Anschließend wurde das Mädchen in lange Windeln gewickelt, dieses einwickeln hielt sollte das Kind nicht nur warmhalten, es diente auch zum geraden Wachsen der Gliedmaßen; und dann sofort der Obhut der Gouvernante zu übergeben; von Stolz bewegt folgt der König, um die späte Leistung seiner Lenden zu bewundern, hinter ihm drängt neugierig wie immer der ganze Hof – da plötzlich tönt ein geller Befehl des Geburtshelfers: „Luft und heißes Wasser! Ein Aderlass ist notwendig.“
Margarete von Österreich, Königin von Spanien, Portugal, Neapel und Sizilien, die Mutter Annas
Der Königin ist plötzlich das Blut zu Kopf gestiegen; in Ohnmacht gefallen, halb erstickt von der verpesteten Luft und vielleicht auch von der Anstrengung, angesichts der fünfzig neugierigen Zuschauer ihre Schmerzen zu unterdrücken, liegt sie regungslos und röchelnd in den Kissen.
König Philipp III. von Spanien und Portugal, der Vater Annas
Ein allgemeiner Schreck entsteht, der König reißt eigenhändig die Fenster auf, alles läuft entsetzt durcheinander. Aber das heiße Wasser kommt und kommt nicht: an sämtliche mittelalterlichen Zeremonien haben die Schranzen bei dieser Geburt gedacht, nur nicht an die natürlichste Maßnahme in solchem Falle: heißes Wasser bereit zu halten. So wagt der Chirurg den Aderlass ohne jede weitere Vorbereitung. Ein Blutstrahl spritzt aus der angeschlagenen Ader des Fußes und siehe: die Königin schlägt die Augen auf, sie ist gerettet. Jetzt erst bricht ungehemmt der Jubel los, man umarmt sich, man beglückwünscht sich, man weint vor Freude, und die Glocken dröhnen die frohe Botschaft ins Land.
Maria von Medici um 1595
Der König hatte nichts Besseres zu tun, als die Heiligen um Schutz und Hilfe für Frau und Kind anzuflehen und für die Geburt eines Sohnes zu beten.
Auch