Rund um das Bett der Anna von Österreich. Walter Brendel

Rund um das Bett der Anna von Österreich - Walter Brendel


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noch von seiner scheinbaren Kälte je erwartet hätte. Er nahm die Königin in die Arme und küsste sie stürmisch vor allen Augen.

      Enttäuschung. Kein Kind. Noch immer stichelnd, schreibt der Nuntius am 17. März an Monteleone: „Die regierende Königin ist bei guter Gesundheit. Ich frage sie öfters, was der Herr Dauphin mache. Sie lächelt, errötet und sagt kein Wort.“

      Henri Quatre war jede Stunde recht, jede Gelegenheit und sogar jede Partnerin. Aber der fromme Ludwig XIII. erfüllte seine dynastische Pflicht stets nur im Dunkel der Nacht.

      Ludwigs Beharrlichkeit trug Früchte. Doch am 6. Dezember 1619 wurde das Kind totgeboren.

      Anfang Februar wurde die Königin wieder schwanger war, und weil sie ihre Frucht schon zweimal verloren hatte, wurde ihr von ihrem Leibarzt die größte Schonung verordnet. Sie musste früh Schlafengehen, sich oft niederlegen, durfte keine langen Spaziergänge machen, durfte sich keine späten Abende, keine Anstrengungen, keine jähen Bewegungen zumuten. Der König wiederholte ihr diese Empfehlungen immer wieder, nach so grausamen Enttäuschungen stand alles auf einer Karte für sie wie für ihn wie für das Königreich. Hinzu kam aber ein schlechter Einfluss auf Anna. Die Prin-zessin Conti und Madame de Luynes führten vor allen Augen ein ausschweifendes Leben. Mademoiselle de Verneuil war nicht viel besser, wenigstens in Worten nicht, denn die Unterhaltung in den Gemächern der Königin überschritt die Grenzen des Schicklichen. Schöne junge Herren nahmen daran teil und überboten einander vor der Königin in zügellosen Reden. All das unter der Maske von Anmut und Frohsinn. Doch am Hof und sogar außerhalb des Hofes gab es Gerede. Die Minister gerieten in Sorge, und weil sie sich dem König zunächst nicht zu eröffnen wagten, baten sie den Nuntius, beim Beichtvater der Königin vorzusprechen, damit er Ihre Gnädigste Majestät auf die Gefahr hinweise, in die ihre Freundinnen sie brachten. Der Nuntius war gewandt, der Beichtvater bewegend. Die Königin hörte es, bereute, vergoss eine Träne und hatte es am nächsten Tag vergessen. Im Übrigen, was hätte es für sie bedeutet, ihre leichtfertigen Freundinnen zu entlassen? Sie wäre ewiger Langeweile verfallen, allein zwischen einer Schwiegermutter, die ihr nicht eben wohl wollte, und einem König, den sie zwar liebte, aber der ihr durch Jagd und Krieg und die großen Reichsangelegenheiten immer wieder geraubt wurde. Ludwig seinerseits zögerte, dem verderblichen Einfluss ihrer Freundinnen ein Ende zu setzen, denn die Damen waren so hochwohlgeboren und standen ihm so nahe, dass sie nahezu unantastbar waren. Die Prinzessin Conti, zugleich Guise und Bourbonin, war seine Cousine, Mademoiselle de Verneuil seine Halbschwester, Madame de Luynes die Gemahlin seines Favoriten.

      Mitten in diesen für ihn so sorgenschweren Tagen traf Ludwig ein Unglück von einer Seite, von der er es am wenigsten erwartet hatte. Als Ludwig am sechzehnten März um drei Uhr nachmittags aus dem Kronrat kam, wurde ihm gemeldet, dass die Königin zum dritten Mal ihre Frucht verloren hatte. Er ging sofort zu ihr. Sie lag zu Bett und weinte heiße, bittere Tränen. Über zwei Stunden saß er bei ihr, bemühte sich, sie zu trösten.

      Dann erfuhr Ludwig die Hintergründe dieser weiteren Fehlgeburt. Die Prinzessin Condé gab am vierzehnten März einen Abendempfang. Mademoiselle de Verneuil und Madame de Luynes lotsten auch die Königin mit, die besser ins Bett gegangen wäre, weil sie sich aus bekanntem Grund schonen sollte. Sie blieb an diesem Abend bei der Prinzessin Condé bis ein Uhr nachts. Als sie sich sehr matt fühlte, bat sie Ma-demoiselle de Verneuil und Madame de Luynes, sie in ihre Gemächer zu begleiten. Auf diesem Weg nun mussten Ihre Majestät und ihre Gefährtinnen durch den großen Festsaal, an dessen Ende sich das Thronpodest befindet. Obwohl die drei Damen einen Kammerdiener bei sich hatten, der ihnen leuchtete, erschien ihnen der Saal finster. Außerdem ist er eiskalt und sehr, sehr lang. Und weil Madame de Luynes entweder fror oder den Einfall lustig fand, schlug sie der Königin vor, durch den Saal zu laufen. Die Königin protestierte, dazu sei sie zu schwach, aber Madame de Luynes hakte sie von rechts unter und forderte Mademoiselle de Verneuil auf, Ihre Majestät von links unterzuhaken. Sie liefen los, und schnell war der Kammerdiener mit seiner Laterne überholt. Jedenfalls sah das Trio am anderen Ende des Saals die königliche Estrade nicht, strauchelte darüber und fiel. Madame de Luynes und Mademoiselle de Verneuil erhoben sich mit schallendem Lachen, die arme Königin aber stieß einen Schrei aus, klagte über heftiges Reißen im Leib und musste nun mehr oder minder getragen werden. Die Folgen zeigten sich zwei Tage später und bestürzten das Königreich.

      Ludwig diktierte mir mit abgehackter Stimme drei Briefe, einen an Madame de Luynes, einen an Mademoiselle de Verneuil und einen an die Königin. Alle drei Briefe waren knapp, hart, gebieterisch. Der an die Königin enthielt auch am Schluss keine Ergebenheitswendung, wie Ludwig sie gegenüber seiner Gemahlin sonst gebrauchte.

      Allen dreien kündigte er an, dass er im Haus der Königin Ordnung schaffen werde. Der Kammerherr Folaine, der ihnen diese Botschaften überbringt, gab des Königs Weisung wieder. Danach hatte Madame de Luynes, ihre Louvre-Wohnung zu verlassen und nicht mehr am Hof zu erscheinen.

      Denselben Befehl erhielte Mademoiselle de Verneuil, die im Übrigen der Obhut der Herzogin von Angoulême unterstellt wird.

      Anna war jetzt in ihrem einundzwanzigsten Jahr, aber vom Wesen her war sie viel jünger, ohne großen Ballast im Kopf und mit einer armseligen Bildung am Madrider Hof ausgestattet. Vor allem aber lebte sie seit jeher im frivolen Geplapper eines Frauenhauses, zuerst mit ihren spanischen Damen, die nichts wie dumme Streiche im Kopf hatten, dann mit ihren französischen Freundinnen, deren Reden ebenso frei waren wie ihr Betragen. Sie liebte es, sich mit ihnen zu ergötzen und zu albern, freizügige Bücher zu lesen und gegebenenfalls mit den schönen Herren des französischen Hofes zu flirten, ohne dass es aber Konsequenzen hatte. Und weil sie diese Spiele nie zu weit trieb – mit diesen Edelleuten so wenig wie später mit Buckingham – , glaubte sie sich ohne Makel und verzieh sich alles. Im Herzen noch immer die spanische Infantin voll kastilischem Stolz, hatte sie von sich die höchste Meinung und fühlte sich über die Gesetze des Reiches erhaben, dessen Königin sie war.

      Dieser März 1622 war der armen Anna wahrlich nicht hold gewesen. Ihr brausendes, leichtes Blut tröstete sie jedoch über die Enttäuschung, sie war noch so jung, die Natur würde ihr eines Tages schon erlauben, ein Kind auszutragen. Dieses Vertrauen in die Zukunft lieh ihr für die Gegenwart eine wunderbare Unverwundbarkeit: Ihr törichter Lauf durch den großen Louvre-Saal war doch letztlich nur eine Kinderei, die übel ausgegangen war. Sie war gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass der König von Frankreich diese kleine Dummheit als Verbrechen gegen seine Dynastie betrachten könnte. Sie hat in ihrem Innern nicht das atemlose Warten auf einen Dauphin gespürt, diese atemberaubende Hoffnung auf Fortbestand. Sie ist Königin von Frankreich auf dem Papier, nicht im Herzen. Durch dieses Drama wird sie wieder in das Land der Kastagnetten, jenseits der Pyrenäen zurückgeworfen.

      Die mühsam zustande gekommene Verzauberung ist zerbrochen. Von der Einzigartigkeit ihres Gesichts bleiben nur Mängel übrig. Eine zu große Nase, austerngrüne Schlitzaugen, bonbonrosa Puppenwangen, und dazu ständig das spanische Kasperletheater: Geplapper, verstohlene Blicke, marionettenhafte Handbewegungen.

      War es der Mühe wert, sich anzustrengen und die künftige Mutter des Dauphins mit solcher Liebe zu umgeben und ihr zärtliche Worte zu schreiben? Er hätte seiner homosexuellen Veranlagung nachgeben können, wie sein Halbbruder Vendome, wie später sein zweiter Sohn Philipp von Orleans. Möglicherweise unterdrückt er diese Veranlagung wie auch andere Neigungen, weil er einen so hohen Begriff von seinen Pflichten hat. Trotzdem liebt er es, sich mit Männern zu umgeben, mit Baradas, Saint-Simon. Die frevelhafte Fahrlässigkeit der Königin hat diesen Hang bestärkt, wenngleich es nicht zur Ausübung kam.

      Anna fügte sich, aber mit Bitterkeit und Groll. Madame de Luynes, die Frau der tausend Listen, gab sich nicht geschlagen. Auf der Suche nach einem Schild gegen den königlichen Zorn schickte sie einen Edelmann zu ihrem Liebhaber, dem Herzog von Chevreuse – er war es schon zu Lebzeiten von Luynes –, und ließ ihn bitten, sie zu heiraten. Nachdem Madame de Luynes Monsieur de Chevreuse eingewickelt hatte, Apfel und Schlange in einem, wenn ich so sagen darf, und seine Gemahlin geworden war, gewann sie sowohl ihre Louvre-Wohnung zurück, die sie übrigens gar nicht verlassen hatte, als auch ihr Amt als Haushofmeisterin der Königin und damit ihr tagtägliches, behexendes Zusammensein mit Anna von Österreich.

      Dann kam ein englischer Lord, der nach Frankreich


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