Mords-Brocken. Günther Dümler
ein weit entferntes Ereignis, das man nur in den täglichen Nachrichten verfolgt. Bald aber erreicht die verheerende Seuche Europa und macht auch vor der Heimat unserer Protagonisten nicht Halt. Peter Kleinleins Ermittlungen geraten wegen der zu erwartenden Ausgangsbeschränkungen schon bald unter enormen Zeitdruck.
Handelnde Personen
Die Rödnbacher Freunde
Peter Kleinlein | Rödnbacher, Hobbydetektiv |
Marga Kleinlein | seine stets besorgte Ehefrau |
Simon Bräunlein | Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst |
Gisela Bräunlein | seine (im Sinne des Geschäfts) bessere Hälfte, das Gehirn des Betriebes |
Lothar Schwarm | Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung |
Maria Cäcilie Schwarm | Kosmetikerin aus der Oberpfalz, mittlerweile Lothars Ehefrau |
Die Ermittler
Erwin Schindler | Kriminalhauptkommissar |
Heinz Havranek | Kriminalobermeister |
Roland Preißler | Dezernatsleiter |
Weitere Beteiligte
H. H. Pfarrer Ludwig Stiegler | Gemeindepfarrer von St. Leonhard in Röthenbach |
Helmut Holzapfel | Ein fast kopfloser Bürgermeister |
Karin Holzapfel | Witwe |
Erika Siebenkäs | Teilzeit-Gemeindesekretärin |
Tobias Kanzler | neuer Stern am Röthenbacher Politikhimmel |
Karl Bernreuther | Wirt des Goldenen Adler |
Manuel Grimm | Gemeinderat, Waldbesitzer |
Berthold Schedl | Feuerwehrkommandant |
Rudolf Weidinger | ehemaliger Gemeinderat, im Ruhestand |
Michael Leutzmann | Wildpinkler und Entdecker |
Margarethe Beckgenannt Beggn Gredl | Führendes Mitglied der Hundsweiber und unerschöpfliche Gerüchtequelle |
Frau Zängerlein | Ältere Dame mit festen Moralvorstellungen |
Frau Sebald | Grüne Witwe, Rechtsanwaltsgattin |
Eine schwere Geburt
Einen Unfall hatte es gegeben und erneut hatte es die Heidi, die Tochter der Kleinleins betroffen. Doch im Gegensatz zu ihrem Sturz vor zwei Jahren handelte es sich diesmal nicht um ein gebrochenes Schlüsselbein. Sie trug diesmal überhaupt keinen Schaden davon, so wie damals, als sie beim Aufhängen der frisch gewaschenen Vorhänge von der Leiter fiel und in der Folge der 12-jährige Basti notgedrungen einige Wochen bei den Kleinleins verbrachte. Schuld war seinerzeit Bastis bester Freund, ein ausgewachsener Mischlingsrüde namens Jennerwein, ein schlimmer Vorwurf, den der Basti natürlich vehement bestritt, wie es Freunde eben für einander tun. In Ausübung seiner hoheitlichen Aufgaben innerhalb seines heimisches Reviers und in der Nachfolge seines Namenspatrons, des gleichnamigen bayerischen Volkshelden und Wilderers, hatte er die impertinente Nachbarskatze ohne Rücksicht auf etwaige im Weg befindliche Hindernisse verfolgt und im Verlauf dieser Hetzjagd unglücklicherweise die Haushaltsleiter mitsamt der Hausherrin zu Fall gebracht.
Nichts dergleichen war diesmal geschehen. Niemand hatte sich verletzt. Genau genommen handelte es sich gar nicht um einen Unfall im eigentlichen Sinn, sondern schon eher um ein ungeplantes Ereignis, eines von der Sorte, das man allenfalls lachend und augenzwinkernd zur Kenntnis nahm. Ein Unfall war es nur sprichwörtlich, nämlich insofern, dass die Heidi überraschend und völlig ungeplant noch einmal Mutter, der Basti stolzer Bruder eines kleinen Schwesterchens und die Kleinleins, die Marga und ihr Peter, zu beider großen Freude erneut Großeltern wurden.
Es war alles gut gegangen, Mutter und Kind, eine kleine Bianca, waren gesund und wohlauf. Alles wäre so schön gewesen, wenn sich das alles in einem anderen, einem normalen Jahr ereignet hätte und nicht ausgerechnet im Februar des Seuchenjahrs 2020, von dem man getrost annehmen durfte, dass es in die Annalen als das Coronajahr eingehen würde. Noch gab es in Bayern keine Ausgangsbeschränkungen, aber die Meldungen aus China, Italien und mittlerweile immer öfter auch aus dem Nachbarland Österreich, ließen nicht nur die Kleinleins das Schlimmste befürchten.
~
Es ist der 13. Februar und noch früh am Abend. Marga und Peter sitzen beim Essen in der Küche und lauschen den neuesten Nachrichten, die mittlerweile nahezu stündlich aus dem Fernseher zu ihnen vordringen, von allen Sendern. Normalerweise ist den Kleinleins ihre Ruhe während der Mahlzeiten heilig und der „Abberaad“, wie altmodische Franken die Flimmerkiste immer noch nennen, daher konsequent ausgeschaltet. Im Moment aber überschlagen sich die Ereignisse derart, dass man eine Ausnahme macht. Das letzte Mal, dass die Kleinleins so viel Zeit vor dem Fernseher verbracht hatten, ist schon ewig her. Damals waren die ersten Menschen auf dem Mond gelandet und die Röthenbacher hatten, wie der ganze Rest der Welt, gebannt zugesehen. Diesmal handelte es sich nicht um eine technisch-wissenschaftliche Meisterleistung, sondern eher um ein weltweites Problem, vor dem die moderne Wissenschaft bisher noch kapitulieren musste. Nach Ansicht aller Experten konnte es noch mehr als ein Jahr dauern, bis man auf einen Impfstoff oder wenigstens auf eine wirksame Medizin zur Eindämmung der Krankheit hoffen durfte.
Der Moderator kommentiert eben die neuesten Meldungen von der Coronafront. Immer häufiger bestimmen erschreckende Berichte von der neuen Seuche die Berichte, von der Pandemie, die vom chinesischen Wuhan aus ihren Anfang nahm und die sich anschickte die ganze Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Marga schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf und seufzt schließlich.
„Allmächd, etz homm dee scho widder 100 Doode mehr. Woss ner dess für a Grangheid iss, sowoss hommer ja doch nu nie ghabd. Hoffentlich kummd des nedd aa nu zu uns rüber.“
Peter stimmt ihr ebenso betroffen dreinschauend zu.
„Dei Word in Goddes Ohr. Vor über hundert Jahr, dou hodds schon amal die sogenannde spanische Gribbe gebn, dess muss ähnlich schlimm gwesen sei. Vielleichd sogar noch schlimmer, mer wass ja nunni, wie’s dessmal nausgehd. Abber damals war die Medizin ja aa nu nedd so weid wäi etz. Heidzudooch hädd mer mid sowoss doch nimmer grechnd. Mer gehd ja immer dervo aus, dass a Doggder, und wenns aa an Spezialisdn braucherd, alles widder richdn konn, abber dess woss mer dou sichd, dess iss scho hard. Dou maani, wern mer nu Allerhand derlebn. Wemmer denkd, wenn irgndwo a Unglügg bassierd iss, mid, sagn mer amal hundert Obfer, dou hodds doch daachelang Sondersendunger im Fernseeng gebn, alle warn zudiefsd bedroffn. Etz gibds scho über hundert Doode pro Dooch. Wo soll dess bloß nu hieführn? Einfach unglaublich iss dess.“
Und nach einem mitfühlenden Seufzer fügte er hinzu:
„Dess hädd uns grad nu gfehld, dass dess bei uns aa so schlimm wird. Immerhin wolln mer doch nach Osdern zu der Heidi fahrn und von dord aus weider nach Idalien. Abber wennsd siggsd, woss dou in China lous iss, dou derf ja scho gar ka Mensch mehr aff die Strass.“
Marga, die sich eine derartige weltweite