Mords-Brocken. Günther Dümler

Mords-Brocken - Günther Dümler


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so vill Menschn fahrn ja nedd nach China und durch die Luft konn der Virus ja nedd kummer. Dess hodd doch der Exberde vorhin gsachd.“

      Peter war da völlig anderer Meinung. Auch er machte sich schon seit Tagen Gedanken über das was kommen könnte. Es ist nicht so, dass er glauben würde, ein Virus könnte fliegen, aber bezüglich der Übertragungswege war er weit weniger optimistisch.

      “Des brauchds ja aa gor nedd. Denk amal, wer heidzudooch alles gschäfdlich nach Asien verreisd odder dee dausende von Durisdn, dee allaans in Nämberch tagtäglich rumrenner. Dou gäihd dess rugg-zugg. Gottseidank iss der Christkindlesmarkd scho gwesen, abber denk ner blous amal an die Spillwarnmesse. Dess computergschdeuerde Blasdiggzeich kummd doch zu neunzg Brozend aus China.“

      Das mit den 90 Prozent war nicht ganz so sicher, vielmehr ein plakativer Ausdruck für sehr, sehr viel. Marga nickte denn auch zustimmend. Sie hatte auch schon einen Grund ausgemacht, den sie für die drohende weltweite Katastrophe verantwortlich machte. Vor allem die Lebensgewohnheiten der Chinesen waren ihr äußerst suspekt. Speziell die Ernährungsweise dieser undurchsichtigen Asiaten stand im Fokus ihrer Verdächtigungen.

      „Naja, wundern brauchd mer si eigndlich abber aa widder nedd, wemmer denkd, woss dee alles essn, Ratzn, Schlanger, Ungeziefer, Schwalbnnesder. Dou grausds der doch. Drum gäih ich aa gor nedd su gern mied, wenn die Schwarms immer zu den Chinesn nach Erlnbach wolln. Dordn iss alles so arch gwürzd. Dou mergsd doch gor nimmer, aus woss dess Essn gmachd is. Dee wern scho wissen warum!“

      Peter dagegen probierte gerne einmal etwas Neues und hatte schon alleine deshalb ein entspanntes Verhältnis zur chinesischen Küche. Deshalb versuchte dagegen zu halten.

      „Dess konn alles in China sei, vor allem in dene rückständichn Browinzn, nedd amal so arch in Beeking odder Schanghai odder in anner andern von dene haufn Millionenstädte, woss dee so homm. Wennsd die Bilder im Fernseeng odder in Illustrierde siggsd, dann sinn dee dord middlerweil hübbermodern. Dou kummer mir scho gor nimmer mied. Und außerdem, die Chinesn bei uns, des sinn doch meisdns gar kanne, dess sinn haubdsächlich Vietnamesn oder Dailänder und dergleichn. Und dann, muss mer sagn, bei uns, dou gibds ja schließlich aa suwoss wie a Gsundheidsamd, woss die Hygiene in die Wärdshäuser überwachd. Dou bassierd überhaubds nix.“

      Damit war das Thema erst einmal durch, sowohl bei den Kleinleins, als auch in der Nachrichtensendung. Weitere Themen schien es zur Zeit ohnehin nicht zu geben, denn unmittelbar darauf erschien bereits die Wetterkarte auf der Mattscheibe.

      Wenig später hatten sich die beiden Kleinleins wieder etwas beruhigt und sahen einigermaßen entspannt auf dem bequemen Sofa sitzend zu, wie sich die Kandidaten beim perfekten Dinner schlugen. Angesichts von getrüffelten Nudeln und perfekt gebratener Rinderlende hatte die Marga die Katastrophenmeldungen schon wieder verdrängt und völlig neue Pläne.

      „Horch Beder, sollerd mer nedd widder amal die Bräunleins und Schwarms eiladn, bevor bei uns evenduell aa nu so a Ausgangsschberre kummd? Wer wass, wie lang mer dess überhaubd nu derf!“

      „Brima Idee“, meinte der Angesprochene, der immer Lust auf eine gepflegte Unterhaltung in angenehmer Atmosphäre hatte.

      Zwei Anrufe später war zumindest bezüglich des Termins für den gemütlichen Abend unter Freunden alles geregelt. Fast alles. Von nun an bereiteten Marga die vielen Dinge, die es deshalb für sie vorzubereiten galt größeres Kopfzerbrechen: Rezepte wälzen, Zutaten und Getränke besorgen und natürlich in allererster Linie die Frage der passenden Dekoration. Ohne passende Deko keine Feier. Das ist bei der Marga immer so. Es ist nicht so, dass sie nicht gerne und gut kochen würde. Dass es schmeckt ist bei ihr selbstverständlich, aber den richtigen Pfiff, das Tüpfelchen auf dem I, den macht das Ambiente, das sie bisher immer perfekt zum Anlass abzustimmen verstand, auch wenn zu Beginn der Überlegungen stets eine unverhältnismäßige Hektik stand.

      Immerhin waren es laut Kalender noch weitere zwei Wochen bis zum Aschermittwoch hin, also Faschingszeit, was zumindest die Auswahl des Themas enorm erleichterte. Luftschlangen auf dem Tisch, Servietten mit lustigen Motiven, sich um sich selbst drehende Spiralen über den Heizkörpern, die mittels Aufwind in wirbelnde Bewegung gerieten, das war ohnehin klar und zum größten Teil bereits vorhanden. Peter hatte dies zeitgleich mit dem Abbau der Weihnachtsdekoration anbringen müssen. Die dadurch unvermeidlich entstandenen häuslichen Spannungen hatten sich glücklicherweise mittlerweile gelegt. Immerhin musste Peter stundenlang immer wieder die Leiter hinauf und wieder herunter steigen. Seine Knie schmerzten und er sehnte ein Ende herbei, was jedoch in diametralem Gegensatz zu den ausufernden Wünschen seiner Frau stand. Jeder freie Quadratzentimeter des Wohnbereichs musste in ein Ausstellungsgelände für dekorative Lifestyleartikel verwandelt werden. Speziell zur Weihnachtszeit artete dies jedes Mal in einen erbitterten Wettbewerb um die Krone für prachtvollste, glitzerndste Dekoration aus, den seine Marga jeweils auf Platz zwei beendete, unmittelbar hinter den Käthe-Wohlfahrt-Läden. Doch derlei Sticheleien konnten die Marga nicht anfechten. Auch im aktuellen Fall war Marga wieder mit Volldampf bei der Sache.

      Vielleicht könnte man, wenn schon keinen ausgewachsenen Hausball, dann doch wenigstens einen Kappenabend veranstalten. Dafür brauchte es dann nicht gleich ein aufwändiges Kostüm, auch ein lustiges Hütchen, eine Pappnase und etwas Schminke wären völlig ausreichend. Peter könnte ja die Glatze mit dem roten Haarkranz aufsetzen, die er sowieso immer im letzten Moment aus dem Fundus auf dem Dachboden hervor zog und dazu den Zylinder aus schwarzem Filzstoff. Das war damit bereits beschlossene Sache und abgehakt. Solche Entscheidungen konnte man ihm beim besten Willen nicht selbst überlassen. Er selbst würde natürlich die notwendigen Überlegungen wieder so lange aufschieben, bis es für etwas Besonderes ohnehin zu spät sein würde. Und dann würde es sowieso auf das erstbeste Teil hinauslaufen, das ihm bei seiner verzweifelten Suche auf dem Dachboden in die Finger fallen würde. Also die Glatze. Warum bis zum letzten Moment warten? Was erledigt ist, ist erledigt.

      Für ihr eigenes Outfit würde sie sich mit der Maria kurzschließen und beraten was man machen könnte. Sie war immerhin die Gastgeberin und zudem eine Dame, da kam natürlich nicht irgend etwas x-beliebiges in Betracht. Es müsste schon etwas sein, das weder die Frisur in Mitleidenschaft zöge, noch beim Hantieren in der Küche hinderlich wäre. Sie hatte da doch noch so ein winziges, putziges Hütchen. Das konnte man mittels einer Klammer seitlich am Haar befestigen. Vielleicht noch eine bunte Fliege um den Hals. Das sollte reichen. Das Make-up wäre dann eine Aufgabe für die Maria, die als gelernte Kosmetikerin schließlich Profi ist und die sicher mit etwas Schminke in der Lage wäre etwas Originelles zu zaubern.

      Ein weiterer Anruf bei den beiden Freundinnen und auch die wichtige Frage des Mottos konnte mit einem fetten Haken versehen werden. Auch die Gisela und die Maria fanden die Idee gut. Bassd scho. Sie freute sich schon sehr.

      ~

      Als die Freunde am Samstagabend schließlich eintrafen, war tatsächlich alles so vorbereitet, genau wie sie es sich vorgestellt hatte. Auch die Ankömmlinge waren mehr oder weniger originell verkleidet. Die Damen mehr, die Herren weniger, was die drei Banausen aber nicht im Geringsten störte. Die Gisela trug ein buntes Kopftuch, sowie Ohrringe aus Messing von der Größe eines Kanaldeckels, wie ihr Mann despektierlich anmerkte und in der Hand hielt sie eine Tabakspfeife mit einem langen, elegant geschwungenem Mundstück. Zusammen mit der dunklen Schminke und den auffälligen Ringen an ihren kräftigen Fingern konnte man problemlos die Zigeunerin in ihr erkennen. Maria hatte sich eine lange, mit silbernen Fäden durchsetzte Perücke aufgesetzt, die wie eine Mähne herabhing und aus ihrer Stirn ragte ein langes, kerzengerades Horn heraus. Alles war in meisterlicher Manier ausgeführt, wie es von einer Kosmetikerin ihrer Klasse nicht anders zu erwarten war. Sie verkörperte unverkennbar ein Einhorn. Diese Fabeltiere waren dieses Jahr absolut in, nicht nur bei kleinen Mädchen. Simon und Lothar hatten, wie nicht anders zu erwarten war, keine Idee und als bedauernswerte, stressgeplagte Handwerksmeister angeblich auch keine Zeit sich über eine passende Maskerade Gedanken zu machen. Sie hatten Wichtigeres zu tun. Am Ende kam Simon, mit dem Rücken zur Wand stehend, auf eine geniale Lösung, auf die er dann auch mächtig stolz war. Das konnte er auch, zumindest aus seiner Sicht. Sie hatten ganz einfach ihre Berufskleidung


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