Der Monddiamant. Уилки Коллинз

Der Monddiamant - Уилки Коллинз


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Herzogthum zu beweisen. Nun, gerade um dieselbe Zeit kehrte mein Onkel Herncastle von Indien zurück. Mein Vater machte die Entdeckung, daß sein Schwager in Besitz gewisser Papiere sei, die ihm wahrscheinlich in seinem Prozeß von Nutzen würden sein können. Er besuchte den Obersten unter dem Vorwand, ihn bei seiner Rückkehr nach England willkommen zu heißen. Der Oberst ließ sich aber nicht auf diese Weise fangen.

      »Sie wollen etwas von mir,« sagte er ihm gerade ins Gesicht, »sonst hätten Sie niemals Ihren Ruf durch einen Besuch bei mir aufs Spiel gesetzt.«

      Mein Vater» begriff, daß es hier das Gerathenste sei, offenes Spiel zu spielen; er gestand also ohne Weiteres zu, daß er der fraglichen Papiere wegen gekommen sei. Der Oberst erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Dann erfolgte seine Antwort in Gestalt eines höchst merkwürdigen Briefes, den mir mein Freund, der Advokat, zeigte. Der Oberst fing damit an zu sagen, daß er auch seinerseits etwas von meinem Vater wolle, und daß er sich daher erlaube, ihm einen Austausch von Freundschaftsdiensten zu proponiren. Das Kriegsunglück, wie er sich ausdrückte, habe einen der größten Diamanten in der Welt in seinen Besitz gebracht und er habe Ursache, zu besorgen, daß weder er noch sein kostbarer Edelstein in irgend einem Hause, in irgend einem Theile der Welt, wo sie sich mit einander aufhalten möchten, vor Verfolgung sicher sei. Unter so beunruhigenden Umständen habe er beschlossen, den Diamanten einer andern Person zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Diese Person werde dabei keinerlei Gefahr laufen. Sie könne den Edelstein in irgend ein sicheres, wohlbewachtes Gewahrsam bringen, z. B. in das feuerfeste Gewölbe eines Banquiers oder eines Juweliers niederlegen. Die Verantwortlichkeit dieser Person würde eine wesentlich passive sein. Was sie zunächst zu thun habe, sei selbst oder durch einen vertrauenswürdigen Bevollmächtigten unter einer vorher verabredeten Adresse an gewissen vorher verabredeten Tagen des Jahres ein Billet des Obersten in Empfang zu nehmen, das einfach besage, daß der Oberst an dem betreffenden Tage noch am Leben sei.

      In dem Fall, wo ein solcher Tag ohne das Eintreffen des besagten Billets vorüber gehen werde, könne das Schweigen des Obersten als ein sicheres Zeichen der Ermordung desselben betrachtet werden. In diesem Fall und nur in diesem Fall sollten gewisse, auf die Disposition über den Diamanten bezügliche und mit demselben deponierte versiegelte Instruktionen geöffnet und genau befolgt werden. Wenn mein Vater sich entschließen sollte, diesen sonderbaren Auftrag zu übernehmen, so ständen ihm dagegen die von ihm gewünschten Papiere zur Verfügung. Das war der Inhalt des Briefes.

      »Und was beschloß Ihr Vater?« fragte ich.

      »Was er beschloß,« erwiderte Franklin, »das will ich Ihnen sagen. Er wandte die unschätzbare Gabe, die man gesunden Menschenverstand nennt, auf den Brief des Obersten an und erklärte die ganze Geschichte für eine Abgeschmacktheit. Der Oberst sei irgendwo während seiner Reisen in Indien auf einen elenden Krystall gestoßen, den er für einen Diamanten genommen habe. Was die von ihm gefürchtete Gefahr einer Ermordung Und die von ihm erdachten Vorsichtsmaßregeln zur Erhaltung seines Lebens und des Krystalls beträfe, so lebten wir ja im neunzehnten Jahrhundert und jeder verständige Mensch werde sich zur Abwendung solcher Gefahren einfach an die Polizei wenden. Der Oberst sei notorisch seit Jahren ein Opiumesser und wenn die einzige Art, werthvolle Papiere von ihm zu erlangen, darin bestehe, daß man die Träume eines Opiumrausches für Wirklichkeit nehme, so, dachte mein Vater, könne er sich um so eher bereit erklären, die ihm zugemuthete lächerliche Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, als damit keinerlei Unbequemlichkeiten für ihn verbunden seien. Der Diamant und die versiegelten Instruktionen wanderten demgemäß in das Gewölbe seines Banquiers und die periodischen Zuschriften des Obersten, die ihn für noch lebend erklärten, wurden von dem Advokaten meines Vaters, als seinem Bevollmächtigten, regelmäßig entgegengenommen und geöffnet. Kein verständiger Mensch würde in einer ähnlichen Lage anders haben handeln können. Nichts in dieser Welt, mein lieber Betteredge, erscheint uns wahrscheinlicher, als was in den Kreis unserer trügerischen Erfahrungen tritt, und eine romantische Geschichte finden wir nicht eher glaubwürdig als bis wir sie gedruckt lesen.«

      Aus diesen Worten wurde mir klar, daß Herr Franklin die Vorstellungen seines Vaters über den Obersten für übereilt und verkehrt hielt.

      »Und wie denken Sie selbst über die Sache?« fragte ich.

      »Lassen Sie mich erst die Geschichte des Obersten zu Ende erzählen,« antwortete Herr Franklin »Wir Engländer haben eine merkwürdig unsystematische Art, zu denken und Ihre Frage, mein alter Freund, ist eine Probe davon. Das einzige Feld der Mechanik ausgenommen, sind wir, bildlich zu sprechen, das liederlichste Volk in der Welt.«

      Das kommt, dachte ich bei mir, von der ausländischen Erziehung. Dieses Sticheln auf uns Engländer wird er vermuthlich in Frankreich gelernt haben.

      Herr Franklin nahm den Faden seiner Erzählung wieder auf und fuhr fort:

      »Mein Vater bekam die Papiere, die er wünschte, und sah seinen Schwager von jener Zeit an nicht wieder. Jahr für Jahr kam an den verabredeten Tagen der verabredete Brief des Obersten und wurde von dem Advokaten geöffnet. Ich habe all’ die Briefe bei einander gesehen, alle in derselben kurzen, geschäftsmäßigen Weise geschrieben wie folgt:

       Mein Herr, diese Zeilen haben den Zweck, zu konstatieren, daß ich noch am Leben bin. Lassen Sie den Diamant in seinem Gewahrsam. John Herncastle.

      »Das war Alles, was die regelmäßig eintreffenden Briefe je enthielten, bis vor etwa sechs bis acht Monaten, wo der Inhalt des Briefes zum ersten Mal anders und zwar so lautete:

       Mein Herr! Man sagt mir, daß ich sterben muß. Kommen Sie zu mir und helfen mir bei der Abfassung meines Testaments.

      »Der Advokat ging hin und fand den Obersten in der, kleinen vorstädtischen, von ihm gehörigen Ländereien umgebenen Villa, in der er einsam gelebt hatte, seit er von Indien zurückgekommen war. Er hielt sich Hunde, Katzen und Vögel zu seiner Gesellschaft, aber kein menschliches Wesen außer der Person, die täglich kam, das Haus in Ordnung zu halten und den Doktor an seinem Krankenbette. Die Abfassung des Testaments war eine höchst einfache Sache. Der Oberst hatte den größeren Theil seines Vermögens in chemischen Experimenten verbracht. Sein Testament bestand Alles in Allem aus drei Klauseln, welche er von seinem Bette aus in vollem Bewußtsein diktierte. Die erste Klausel sorgte für die gute Verpflegung seiner Thiere, die zweite gründete eine Professur der Chemie an einer Universität im Norden Englands. Durch die dritte endlich vermachte er den Mondstein seiner Nichte als Geburtstagsgeschenk unter der Bedingung, daß mein Vater es übernehme, als sein Testamentsvollstrecker zu fungieren. Anfänglich verweigerte mein Vater das, nach näherer Überlegung jedoch gab er nach, theils weil er sich überzeugt hatte, daß die Executorschaft keinerlei Unannehmlichkeit für ihn mit sich führen werde, theils weil der Advokat in Rachels Interesse darauf aufmerksam machte, daß der Diamant doch schließlich seinen Werth haben könne.«

      »Gab der Oberst irgend welche Gründe an,« warf ich ein, warum er Fräulein Rachel den Diamanten vermache?«

      »Er gab solche Gründe nicht allein an, sondern er ließ sie ausdrücklich in sein Testament mit aufnehmen,« antwortete Franklin »Ich habe einen Auszug bei mir, den ich Ihnen gleich zeigen will. Keine englische Abschweifung, Betteredge! Eines nach dem andern. Sie haben also jetzt von dem Testament des Obersten gehört, nun sollen Sie erfahren, was nach dem Tode des Obersten geschah. Es war erforderlich, eine Schätzung des Diamanten vornehmen zu lassen, bevor das Testament in Kraft treten konnte? Alle zu Rath gezogenen Juweliere bestätigten die Behauptung des Obersten, daß sein Diamant einer der größten in der Welt sei. Die genaue Schätzung desselben aber hatte ihre großen Schwierigkeiten. Seine Größe machte ihn zu einem Phänomen aus dem Diamantenmarkt; seine Farbe war einzig in ihrer Art und abgesehen von diesen die Schätzung erschwerenden Momenten hatte der Stein einen Fehler in Gestalt einer im Innern desselben befindlichen Blase. Trotz dieses letzten ernstlichen Mangels aber war er nach den niedrigsten unter den verschiedenen Schätzungen Zwanzig Tausend Pfund werth. Stellen Sie sich das Erstaunen meines Vaters vor! Um ein Haar hätte er sich geweigert, als Testamentsvollstrecker zu fungieren und den Verlust dieses kostbaren Edelsteins für die Familie verschuldet. Das Interesse, das die Angelegenheit jetzt für ihn gewann, veranlaßte ihn, die versiegelten Instruktionen zu öffnen, die zugleich mit dem Diamanten deponiert worden waren.


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