Mord am Campus. Susan Carner
sie ihren Kopf zur Seite gebogen hatte. Es war nicht seine Absicht, sie zu verunsichern. Das war kein Mädchen, das man einfach nahm, wie er das mit vielen seiner Studentinnen trieb. Er hatte Geduld.
»Was bist du nur für ein Mensch«, fauchte sie böse, sich immer noch windend.
»Ein schlichter Mann, dem das schöne Geschlecht am Herzen liegt. Vor allem bei den hübschen und meist sehr freizügigen Studentinnen, die hier herumlaufen. Da kann MANN nicht widerstehen. Das verstehst du doch, oder?«, fragte er und lächelte verächtlich auf sie herab.
Er stellte sich vor, ihre junge, hübsche Tochter läge hier vor ihm. Gleich morgen würde er sie einbestellen, keinen Tag länger wollte er warten. Schon zu lange sehnte er sich nach ihr. Er war ihr Tutor, da hatte sie keine Wahl, musste seiner Einladung folgen. Heute die Mutter, morgen die Tochter. Abermals glitt ein Lächeln über sein Gesicht.
»Komm, halt still«, meinte er genervt an die sich windende Frau. »Hattest doch früher auch nichts dagegen. Wir machen einfach dort weiter, wo wir vor ein paar Jahren aufgehört haben. Wir hatten schließlich Spaß miteinander, oder etwa nicht?« Dabei lockerte er seinen Griff, nahm eine Hand weg und fuhr damit an seinen Hosenbund.
Während er seinen Gürtel öffnete, fragte sie lauernd: »Und du lässt meine Tochter dann in Ruhe?«
Als er ihr Kleid hochschob, lächelte er erneut. »Nach wie vor ohne Slip«, bemerkte er und leckte sich diesmal mit seiner Zunge sehr bewusst über seine Lippen.
Sie wurde flammend rot. Eigentlich war sie unterwegs, um den neuen Mann in ihrem Leben zu treffen. Wollte nur schnell vorher diesen Mistkerl zu Rede stellen. Und jetzt ...
Jetzt lachte er. »Du wirst dich doch dafür nicht genieren? Bist früher ständig ohne Unterwäsche herumgelaufen, weil du damit die Jungs um den Verstand bringen konntest. Vor allem den Idioten von einem Mann, der später dein Ehemann wurde.«
Sein Lachen kotzte sie an. Aber sie konnte sich nicht wehren, eine seiner Hände drückte mit voller Kraft auf ihren Brustkorb, sodass sie sich nicht befreien konnte. Außerdem stand er ausgesprochen knapp vor ihr, presste mit seinem Unterleib ihre Beine gegen den Tisch.
Plötzlich spürte sie seine erigierte Männlichkeit an ihren Oberschenkeln. Nach wie vor der gleiche gierige Mistkerl, der er schon in ihrer Studentenzeit war. Wie viele Mädchen haben auf diesem Tisch wohl ihre Unschuld verloren?, überlegte sie grimmig.
»Zier dich nicht so. Warst doch immer offen für hübsche Spielchen«, rief er ungeduldig.
»Und meine Tochter? Du behelligst sie dann nicht mehr?«, fragte sie hoffnungsfroh. Er nickte, also gab sie ihren Widerstand auf. Dabei lockerte er seinen Griff und sie schaffte es, eine Hand unter ihrem Rücken hervorzuziehen. Da keuchte er selig lächelnd: »Muss ich mir noch überlegen. Hängt von deinen Gefälligkeiten ab.«
Als sie ging, lächelte er nicht mehr.
Montag, 29. August 2016
Gestern hat ihn seine Frau verlassen.
Ben Warden lächelte leicht bei dem Gedanken. Andere würden wahrscheinlich wütend oder traurig sein, er empfand nur Erleichterung.
Sein Leben lag damit zwar in Trümmern, aber er fühlte sich seit Jahren endlich wieder frei. Musste nicht befürchten, dass sie jeden Moment ins Zimmer stürmen würde, um ihm aus heiterem Himmel eine Szene zu machen.
Gemütlich saß er in seinem Lieblingssessel in der Bibliothek und nippte an seinem schottischen Whisky aus Dufftown in der Region Speyside, nicht nur einer der ältesten christlichen Orte Schottlands, sondern auch ein Ort mit Tradition im Brennen von Whisky.
Sein Großvater hatte stets behauptet ›Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, Dufftown steht auf sieben Brennblasen‹. Angeblich hatten schon seine Vorfahren bei der Überfahrt mit der Mayflower diesen Scotch getrunken. Zumindest hatte ihm sein Großvater diese Geschichte erzählt, als er ihn zu seinem sechzehnten Geburtstag zu seinem ersten Scotch einlud, ebenfalls in dieser Bibliothek. Sein Vater hatte getobt, dass er den Jungen zu einem Alkoholiker erziehen würde. Doch Großvater hatte nur verächtlich geantwortet, Scotch aus der alten Heimat hätte noch keinem aus der Familie geschadet. Ganz im Gegenteil. Und war danach mit der Anekdote der Mayflower gekommen und hatte ihn auf die Familie und die Familientradition eingeschworen. Kurz darauf war Großvater gestorben.
Was der alte Herr wohl zu seiner Noch-Ehefrau gesagt hätte? ›Nicht standesgemäß mein Junge, aber ein Prachtweib‹, und hätte sich genüsslich seine Lippen geleckt. Das hatte er selbst ebenfalls getan, als er sie kennenlernte. Dabei leider seinen Verstand verloren. Er seufzte. Was wäre ihm erspart geblieben, hätte er damals sein Gehirn benutzt und nicht nur ...
Im Grunde war er froh, dass sie die Konsequenzen gezogen hatte, aus dieser misslichen Ehe auszubrechen. Doch seinen Traum, Senator von Massachusetts zu werden, konnte er begraben. Die Amerikaner wollten keine geschiedenen Politiker in einer höheren Position, schon gar nicht in den Neu-England Staaten. Da musste eine intakte Familie hinter einem Kandidaten stehen. Der Puritanismus aus der Gründerzeit lebte in Boston weiter und weiter ...
Trotzdem hatte ihn ihre Aktion in Erstaunen versetzt und er musste schmunzeln, als er an die Situation von gestern Abend dachte.
Überrascht hatte er auf die vielen Koffer geblickt, die er bei seiner unerwartet frühen Heimkehr in der Vorhalle stehend angetroffen hatte, seine Frau gerade dabei, sich ihre Pelze aus dem Schrank zu nehmen.
»Was wird das?«, hatte er von ihr wissen wollen.
»Wonach sieht es denn aus?«, hatte sie herablassend gefragt. Auf seinen verständnislosen Blick hatte sie ihn verächtlich wissen lassen, dass sie zu ihrer neuen Liebe ziehen würde, mit der sie endlich so leben könnte, wie sie sich das immer schon vorgestellt hätte. Ein Mann, der sich um sie und ihre Belange kümmern würde und nicht nur um seinen Beruf und die ständigen Wohltätigkeitsveranstaltungen.
Sie bräuchte keinen Mann, der von ihr erwartete, sich auf seinen Wahlpartys blicken zu lassen und die glückliche Ehefrau vorzuspielen. Nein danke, dazu hätte sie keine Lust mehr, hatte sie ihn herablassend angelächelt.
»Bisher haben dir der Lebensstil und das Geld aber ganz gut gefallen. Was hat sich geändert?«, hatte er spöttisch gefragt. Obwohl er verwundert gewesen war, hatte es ihm nicht eine Sekunde leidgetan, dass sie ihn verlassen wollte. Er hätte es vor Jahren tun sollen.
»Jimmy liebt mich. Um meinetwillen. Nicht wegen eines Kindes. Mein Geld ist ihm auch egal und ...«
»Dein Geld?«, hatte er sie gereizt unterbrochen.
»Natürlich ist das genauso mein Geld. Schließlich war ich über zwanzig Jahre deine dich treuumsorgende und liebende Gattin, also steht mir die Hälfte deines Vermögens zu«, hatte sie schnippisch geantwortet.
Er hatte höhnisch gelacht. »Schon vergessen? Du hast bei der Heirat einen Ehevertrag unterschrieben. Dir steht nichts zu, wenn du mich verlässt oder ich dir eine Affäre nachweisen kann. Und ich könnte dir mehr als eine beweisen ...«
»Und ich dir ebenso viele«, hatte sie ihn unwirsch unterbrochen. »Und diese Tatsache wäre ausgesprochen hinderlich bei einer Bewerbung um den Senatsposten, den du so heiß anstrebst. Du weißt ja, unsere Mitbürger stehen nicht auf fremdgehende Ehemänner. Und ich kann mich gut als die betrogene Ehefrau verkaufen, die ihren Mann verlassen hat, weil sie diese Betrügereien nicht mehr hinnehmen konnte.« Ihre Stimme hatte nur so vor Verachtung getrieft.
Ja, er konnte sich sehr gut vorstellen, wie sie diese Show abzog. Sie war eine Meisterin der Selbstdarstellung.
»Also mein Lieber, du wirst nicht darum herumkommen, mir einen großzügigen Unterhalt zukommen zu lassen. Du willst doch nicht, dass deine heiß geliebte Tochter in einem Loch hausen muss, wenn sie ihre Mommy besucht? Oder dass deine Klienten erfahren, wie fürsorglich du dich um ihre Ehefrauen kümmerst?«
Ihr schadenfrohes