PUNKTUM.. Wolfgang Priedl

PUNKTUM. - Wolfgang Priedl


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wir den Leichnam bergen.«

      »Haben Sie die Tote erkannt?«

      »Eigentlich habe ich den Kopf nur von der Rückseite gesehen. Sie liegt bäuchlings auf den Felsen. Alles ist blutverschmiert.«

      Der Kommissar bringt eine Notiz nach der anderen zu Papier und wendet sich an den alten Thilo. »Wie viele Gäste haben Sie derzeit im Hotel?«

      »Keinen. Die Zimmer, die wir letzte Nacht vermietet hatten, also die Gäste sind heute frühmorgens, so gegen sechs Uhr, abgereist. Ein Gast, der ein Zimmer gebucht hatte, ist erst gar nicht angereist.«

      »Hatten Sie gestern Abend Restaurantgäste?«

      »Ja, eine zwölfköpfige Jagdgesellschaft – mit Anhang – war hier. Von sieben bis zehn. Und die drei Männer, die heute früh morgens abgereist sind.«

      »Das heißt, dass gestern abends 27 Gäste hier waren und – zwölf von ihnen mit Anhang?«

      »Ja. Ich war der dreizehnte Jäger, wenn sie es so wollen. Alle anderen waren in Begleitung. Meine Frau ist leider bei der Geburt meines Sohnes … «

      » … und keiner hat das Restaurant verlassen? … So für eine halbe Stunde oder länger«, schneidet ihm Peter das Wort ab.

      »Nein. Niemand. Das wäre mir aufgefallen. Mein Vater saß ja an ihrem Tisch, der kann Ihnen das bestätigen«, mischt sich Norman ins Gespräch.

      Thilo nickt zustimmend und sagt: »Mein Sohn kümmert sich eigentlich um das Hotel und den Service.«

      »Die Jäger kamen so gegen viertel acht, einer von den Hotelgästen mittags und die restlichen beiden ungefähr um sechs, halb sieben. Ich habe ihnen persönlich die Zimmerschlüssel beim Einchecken gegeben«, ergänzt Norman.

      »Haben Sie Angestellte?«, fragt Holzinger weiter.

      »Natürlich. Ein Zimmermädchen, aber die hatte schon Dienstschluss und einen Kellner, der seit zwei Tagen krank ist. Er ist am Mittwoch beim Mountainbiken gestürzt und hat sich den Oberarm gebrochen. Er fällt für mindestens vier Wochen, wenn nicht länger, aus.«

      »Sonst niemand? Keinen Koch … «

      »… der bin ich. Ich bin auch der Koch«, mischt sich Norman ins Gespräch.

      »OK – ich benötige von Ihnen eine komplette Liste der Personen. Könnten Sie mir die Namen auf einem Blatt Papier zusammenschreiben?«, bittet Holzinger. »War sonst noch jemand gestern hier?«

      Thilo legt seinem Sohn die Hand auf den Unterarm und sagt: »Unser Pfarrer, Joseph Moser, der wie immer in der Kapelle – gleich da drüben – nach dem Rechten sehen wollte, er war mit einem neuen Auto oder Leihwagen hier. Ich habe ihn den Steig herunter gehen gesehen. Schien in Eile gewesen zu sein, denn ich wollte ihm ein kleines Bier spendieren, aber er lehnte ab. … « Thilo fährt sich mit dem Mittelfinger über seine Stirnfalten. »… dann war da noch der Bierführer Klaus von der Bärenbrauerei. Der hat sich im Anschluss an die Getränkelieferung an der Theke ein Mineralwasser gegönnt. – Ach ja, zwei Pärchen – Wanderer – waren hier, die nach ihrem Spaziergang auf der Terrasse Bier und Kaffee getrunken haben. Sonst habe ich niemand gesehen«, ergänzt der alte Thilo kopfschüttelnd.

      Der Kommissar notiert die Aussagen, fügt persönlichen Notizen hinzu und bedankt sich für die ausführliche Auskunft. Er greift nach dem Glas, leert es auf einen Zug, nickt den beiden Wirten zu und geht Richtung Terrasse.

      Die Bergmanns bleiben am Tisch sitzen. »Norman warte, ich muss dir etwas erzählen«, sagt Thilo zu seinem Sohn.

      In diesem Augenblick trifft die Spurensicherung ein. Zwischenzeitlich ist auch der Leichenwagen vorgefahren.

      Der Kommissar schaut zu Claudia hinüber und lächelt ihr zu.

      *

      Das Spurensicherungsteam teilt sich auf. Die einen machen sich auf den Weg zum Seeblick hinauf. Die Restlichen sind mit der Zille zur Erlöserwand unterwegs.

      Holzinger überlegt, ob er seinen Chef informieren soll. Grübelt hin und her, kommt aber zum Schluss, dass er erst die Berichte des Gerichtsmediziners und der Spurensicherung abwarten will. Plötzlich hört er eine Stimme hinter sich: »Herr Holzinger? – Darf ich stören?«

      Der Kommissar dreht sich um und sieht Claudia auf sich zukommen. Er mustert sie. Tolles Mädchen, denkt er. Die langen Beine, die von ihrem kurzen, schwarzen Rock noch zusätzlich betont werden, ihr Gang, ihr ausnehmend hübsches Gesicht, die rotblonden, fast schulterlangen Haare, ihr bezauberndes Wesen, verwirren ihn. Er weiß nicht, wohin er zuerst sehen soll. Seinen Gleitschirm hat er bereits vergessen. Verdrängt von Frau Biglers Erscheinung.

      »So ganz alleine? Wo ist denn Ihre Kollegin vom ›Postillion‹?«, versucht er seine Verwirrtheit zu überspielen und massiert mit Zeigefinger und Daumen den Nasenrücken.

      »Die hat ihren Bericht schon in die Redaktion geschickt. Überschrift: Die Erlöserwand hat ein neues Opfer gefordert. Der Text frei nach dem Motto: Da hat sich ein Mensch – oder wer – vom Seeblick gestürzt – oder wo – und ist dabei ums Leben gekommen – oder was! Sie leerte vorhin ihr zweites Glas Wein, und hat sich wohl bereits auf die Heimreise begeben … «

      »… und Sie wollen noch bleiben? Was hält Sie hier?«, fragt Peter neugierig.

      Was für eine Frage, denkt Claudia. »Mir läuft nichts davon. Auf mich wartet niemand zuhause. Ich habe also Zeit, und ich denke mir, ich könnte meine Schulden bei Ihnen begleichen. Gleich heute, hier und jetzt … «

      »… und mich so ganz nebenbei aushorchen – oder was?!«, antwortet er mit gespielter Echauffiertheit. »Ich warne Sie, das kann noch lange dauern. Ich werde ebenfalls von niemanden erwartet, und Eile ist für mich eine große Unbekannte.«

      »… und? Wissen Sie denn schon mehr … «, überspielt Claudia ihre freudige Erregtheit. Er ist Junggeselle! Juhu!

      »Eigentlich kann ich nur die Worte ihrer Kollegin strapazieren. Wir können zu diesem Zeitpunkt nichts Genaues sagen. Weder wer die Frau war, weshalb sie hier war, noch warum ihre Leiche dort drüben gefunden wurde. Ich warte auf den ersten Zwischenbericht der Mitarbeiter.«

      »Darf ich Ihnen die Wartezeit mit der Einlösung meiner Schuld verkürzen? Ich lade Sie gerne auf einen Kaffee ein.«

      »Warum nicht?«

      Das ging ja easy, freut sich Claudia und ihre Lippen verziehen sich zu einem schmalen Lächeln.

      Sie nehmen auf der Terrasse Platz und sie bestellt zwei große Braune. Sie ordnet immer wieder aufs Neue ihren Laptop, ihre Fotokamera mit dem Teleobjektiv und ihren Schreibblock. Schlussendlich liegen die Dinge, wie Zinnsoldaten vor der Schlacht, penibel ausgerichtet, in einer Linie.

      »Frau Bigler, sagen Sie, was werden Sie in ihrem Artikel schreiben?«

      »Also zunächst einmal, ich heiße Claudia … «. Mit diesen Worten strahlt sie ihr Gegenüber unmissverständlich an.

      Der Kommissar fühlt, dass nur eine Antwort zulässig ist: »Ich bin der Peter … «, antwortet er überrumpelt.

      Claudia nimmt ihre Kaffeetasse und stößt mit ihm an. Er erwidert ihr sichtlich verlegen: »Also mit Kaffeeschalen habe ich auch noch nicht auf das Du-Wort angestoßen.«

      »Ich kann dich beruhigen, ich auch nicht. … Du wolltest wissen, was ich in meinem Artikel schreibe? Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht. Was glaubst du, warum ich noch hier bin? Ich dachte, du könntest … «, flunkert sie.

      »Claudia, das fängt ja gut an. Alles nur Berechnung … «, scheint er ihre Gedanken erraten zu können.

      Sie beißt sich auf die Unterlippe. UUUPS! Das war jetzt ein wenig zu schnell, denkt sie.

      Steige auf die Bremse, ermahnt sie sich. »Nein keine Spur von Berechnung. Ich will nur


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