Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee. Friedrich Gerstecker

Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee - Friedrich Gerstecker


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regiert als unumschränkter Herrscher, d. h. seine Minister, zwei Amerikaner und ein Schotte, regieren für ihn, und Se. Majestät suchen indessen den Fremden, welche stets behaupten wollen er stünde unter der Herrschaft der Missionare, auf das Kräftigste zu beweisen, dass dies nicht allein keineswegs der Fall ist, sondern dass sie sogar, wenn dies nur die Missionare litten, das Verbot der Branntweineinfuhr total aufheben würden. Über diese beiden etwas schwer zu vereinigenden Beweisgründe soll der arme Mann in den letzten vierzehn Tagen noch gar nicht nüchtern geworden sein.

      Wer weiß übrigens ob er, wenn sich selber überlassen, so stark trinken würde, und ob nicht gerade das Verbot und das Aufpassen und stete Mahnen der Missionare dem alten Häuptlingsstolz gegenüber viel dazu beiträgt ihn mehr aus Ärger als Betrübnis nach der Flasche greifen zu lassen. Was ich sonst über ihn gehört habe, war nur zu seinem Vorteil. Er soll, wenn sich selbst überlassen, ein gutmütiger, ja selbst liebenswürdiger, nur natürlich gegen Fremde etwas misstrauischer Mann und außerdem noch ein vortrefflicher Boxer und Reiter sein und, wenn auch eben nicht sehr groß und robust gebaut, doch ungemeine Körperstärke besitzen.

      Über die Damen des Hofes habe ich leider in der kurzen Zeit meines dortigen Aufenthalts gar keine Erkundigungen einziehen können.

       Was nun die Bewohner von Honolulu betrifft, so ist ihre Bevölkerung, wenn auch nicht so gemischt wie die San Franciscos, dieser doch ebenfalls gar nicht so viel nachstehend. Das Proletariat, um von unten anzufangen, besteht nur in den Kanakas selber, und einigen, sehr wenigen ganz ordinären Branntweinschenken für Matrosen, die von Europäern gehalten werden.

      Die Kanakas selber leben ungemein einfach und mäßig, und das Einzige, was sie sich früher und heimlich auch wohl noch hie und da jetzt an Extravaganzen erlaubten, war ein aus der Awawurzel bereitetes ziemlich berauschendes Getränk; Spirituosen sind ihnen aber gänzlich verboten, und schwere Strafen darauf gesetzt, sie an Eingeborene zu verkaufen, während diese selber keineswegs solches Verlangen darnach zu zeigen scheinen, dem Genuss derselben etwa gierig nachzustreben. Ich kann mich nicht ein einziges Mal erinnern, auch nur einen angetrunkenen Eingeborenen gesehen zu haben.

       Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus der Taro- oder Palowurzel (denn sie verwechseln in ihrer Sprache das T und P und L und R fortwährend mit einander, indem ihr Ohr gar keinen Unterschied dafür haben kann) die ihnen dasselbe zu sein scheint, was den südlichen Inseln die Brotfrucht, den Kalifornischen Insulanern die Eichel, den Indern der Reis ist. Der Taro ist eine große starke Wurzel von zwölf bis fünfzehn und selbst mehr Zoll im Umfang, von einer fast purpurähnlichen Farbe, große Stängel und fleischige Blätter treibend, die Ähnlichkeit mit Pfeilspitzen haben aber mehrere Fuß lang und zwölf bis sechzehn Zoll breit sind, während die Pflanze selber durchaus im Wasser oder wenigstens dünnem flüssigem Schlamme gezogen sein will. Die kleinen Plätze in welchen dieses Hauptnahrungsmittel wächst, gleichen deshalb auch vollkommen kleinen Teichen, deren Ränder Bananen, Orangen und Kokospalmen einfassen.

       Roh ist die Wurzel ungenießbar, scharf und beißend, gekocht aber vortrefflich und der süßen Kartoffel nicht ganz unähnlich, ja eher noch nahrhafter als diese. Zum Gebrauch wird die Tarowurzel in der Erde gebacken, bis sie trocken und mehlig, dann mit einem Stein zu feinem Mehl und in Wasser zerrieben, bis sie zu einem zähen nicht zu dünnen Brei wird, und dann zum Jähren bei Seite gestellt. Nach vierundzwanzig Stunden etwa hat dieser den nötigen Wohlgeschmack erlangt, und selbst die Art dann ist appetitlich, wie die Masse verzehrt oder besser eingestrichen wird. Auf seine Matte halb ausgestreckt, oder mit eingezogenen Füßen neben der Kalebasse kauernd die das allbeliebte Gericht enthält, fährt der Insulaner mit dem rechten Zeigefinger – der so alleinig zu diesem Gebrauch bestimmt scheint, dass er selbst den Namen Poe-Finger ka rima poe erhalten hat, in den Brei, und mit einem gewandten Schwung, nichts von der dickflüssigen Masse abtropfen zu lassen, bringt er die Labung in den Mund, streicht ab und ist für einen zweiten „Löffel voll“ fertig. Getrockneter oder roher Fisch dient dem Mahl als Würze.

       Zu Wassergefäßen benutzt der Insulaner, noch eigentlich aus seiner alten Heidenzeit herstammend, Flaschenkürbisse, die zierlich geschnitten und mit regelmäßigen, oft äußerst geschmackvoll ausgeführten Figuren und Arabesken verziert oder gewissermaßen tätowiert werden. Diese mit ein paar Poe-Kalebassen, bilden aber auch in der Tat sein ganzes Küchengerät, und kommt man in eine solche Hütte der Eingeborenen und ist nicht genau mit den Verhältnissen dieser Leute vertraut, wird man sicherlich veranlasst zu glauben, die ganze Familie sei eben mit Sack und Pack ausgezogen, und habe nur das Moskitonetz noch, zum später Nachholen, zurückgelassen. Ein solches Netz mit ein paar Matten gewöhnlich und einem oder zwei mit Faserwolle gestopften Kopfkissen ist auch wirklich das Einzige was sie besitzen, und hie und da sieht man auch die in die Kanakasprache übersetzten kolossalen Bibeln oder ein paar kleinere Gebetbücher herumliegen. Nur unter dem Dach stecken wohl ein paar lange Fischspeere oder Harpunen, oder ein Netz hängt in der einen Ecke, damit sind sie dann „eingerichtet.“

      Die Hütten selber bestehen meist aus in die Erde gesteckten und mit Grasmatten dicht überflochtenen Stäben oder dann und wann auch aus Rohr und Bambus.

      Die Mittelklasse Honolulus bilden schon einige dort eingewanderte Handwerker mit den besseren Wirten. Einen Mietpferdhalter etc., Schmied und Wagenmacher, Tischler und Schlosser gibt es, und besonders Amerikaner haben sich hier, von der günstigen Lage der Inseln angeregt, niedergelassen. Aber auch das deutsche Element ist vertreten, und außer einem unserer Landsleute, der eine Art Matrosenkneipe hält, gibt es noch mehrere Tischler dort, die sich vortrefflich stehen sollen.

      Nach diesen kommen die Kaufleute, Spanier, Franzosen, Engländer, Amerikaner und Deutsche, ein paar Ärzte, Dr. Petri und Dr. Hofmann, Editoren etc., und von diesen schon nicht mehr getrennt, die haute volée der Inseln, einige reiche Grundbesitzer, die Minister des Reiches und – die Missionare.

      Der König, Se. Majestät, wie er in allen öffentlichen Dokumenten mit „seinen Ministern und Edlen“ genannt wird, verkehrt meist nur mit seinen Häuptlingen und den Missionaren, doch gibt er auch häufig Audienz, wenn nämlich in einem hinlänglichen Zustand sich sehen zu lassen, und verkehrt außerdem gern in der Stadt, besonders Sachen einzukaufen, wobei sein Kredit bei den Kaufleuten jedoch nicht unumschränkt sein soll.

      Nach und nach haben sich auch einige Söhne und Töchter des himmlischen Reiches hier herüber verloren, und Kaufläden und ein Esslokal gegründet, mir waren sie aber nichts Neues mehr, die langbezopften hemdlosen Gestalten in ihren weiten Überkleidern, mit den glatten verschmitzten Gesichtern, nichtsdestoweniger freute ich mich sie hier zu sehen, denn sie gaben dem ganzen Gemälde eine Originalität, die ich ungern daran vermisst hätte.

      Die christliche Religion ist jetzt, wenigstens auf Oahu, die allein vorherrschende, obgleich es auf den größeren Inseln noch sehr viele Heiden geben soll. Ganz kürzlich erst haben übrigens die Missionare die Inseln für bekehrt und das Missionswerk dort für beendet erklärt, wie ich erst hier aus den Zeitungen ersah, und nennen sich dort jetzt glaub' ich, nicht mehr Missionare, sondern sind in den Rang angestellter Prediger getreten. Die Sache hat auch einen leicht ersichtbaren Grund. Die Plätze auf den Inseln wurden zu einträglich, die Insulaner bekamen, durch das hohe Steigen der Produkte, zu viel Geld in die Hände und das Augenmerk verschiedener anderer Missionsgesellschaften fing sich an auf die Sandwichsinseln zu richten; neue Sekten wurden deshalb befürchtet, oder überhaupt eine Konkurrenz, und eine solche Erklärung gab anderen Missionen – katholischen ausgenommen, die den Protestantismus nicht als Christentum anerkannten – einen Vorwand mehr, neue Lehrer hier herüber zu senden.

      Die Missionare, was von ihnen also nicht in den Staatsdienst übergetreten ist (und es sind sogar einige davon Minister geworden, obgleich sie sich früher nie mit Politik befasst hatten) haben also von nun an ihre festen Gehalte.

       Außer diesem besteht aber auch noch eine Seamen's Chapel oder Seemannskapelle, ausschließlich für die dort anlaufenden Schiffe berechnet, deren Prediger ein Mr. Damon, eine zwar im Ganzen religiöse, aber nichtsdestoweniger höchst interessante Zeitung, den „Friend“ redigiert, in dem er nicht allein alles das bespricht, was Religion oder Mäßigkeitsgesellschaften betrifft, sondern auch, durch den Verkehr mit den Seeleuten den Absatz für sein Blatt meist auf den Schiffen findend, ganz interessante Artikel über Reisen und fremde meist mit dem


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